Eine Frau mit Depressionen und Angststörungen beantragte eine Erwerbsminderungsrente, die das Bayerische Landessozialgericht ablehnte. Das Gericht folgte zwei medizinischen Gutachten, die keine ausreichende Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bestätigten.
Hohe hürden für den anspruch auf erwerbsminderungsrente bei psychischen erkrankungen
Die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts zeigt exemplarisch, wie komplex und schwierig der Nachweis einer Erwerbsminderung insbesondere bei psychischen Erkrankungen ist. Die Betroffene litt an Depressionen, Angstzuständen sowie weiteren gesundheitlichen Problemen wie Neurodermitis, Lip- und Lymphödem sowie Wirbelsäulenbeschwerden. Trotz dieser Diagnosen wurde ihr Antrag auf Erwerbsminderungsrente von der Deutschen Rentenversicherung mehrfach abgelehnt. Die Begründung lautete, dass sie weder die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfülle noch eine ausreichende Leistungseinschränkung vorliege.
Das Gericht stellte klar, dass für den Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit strenge Kriterien gelten. Neben dem Nachweis einer mindestens fünfjährigen Versicherungszeit muss belegt werden, dass die betroffene Person nicht mehr als drei Stunden täglich arbeiten kann oder höchstens sechs Stunden . Diese Anforderungen sind hoch angesetzt und verlangen sowohl objektive medizinische Befunde als auch eine nachvollziehbare Darstellung des tatsächlichen Alltagslebens.
Gerade bei psychischen Erkrankungen gestaltet sich die Beweisführung schwierig: Symptome können schwanken und subjektiv empfunden werden. Deshalb spielen ärztliche Gutachten eine zentrale Rolle im Verfahren – sie müssen jedoch stringent begründet sein und frühere Befunde berücksichtigen. Das Urteil verdeutlicht zudem, dass das Gericht auch Aktivitäten im Alltag bewertet: Wenn Betroffene trotz Krankheit regelmäßig Haushalt führen oder beruflich tätig sind, spricht dies gegen eine erhebliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit.
Widersprüchliche gutachten im verfahren vor dem landessozialgericht
Im konkreten Fall lagen dem Landessozialgericht drei medizinische Gutachten vor: Ein neurologisches Sachverständigengutachten diagnostizierte zwar eine rezidivierende depressive Störung mittleren Grades; dennoch sah es keine volle oder teilweise Erwerbsminderung gegeben – nach dessen Einschätzung könne die Frau mindestens sechs Stunden täglich arbeiten. Ein internistisches Gutachten bestätigte diese Einschätzung ebenfalls.
Demgegenüber stand ein psychiatrisches Gutachten eines vom Kläger benannten Arztes. Dieser attestierte schwere depressive Episoden sowie eine emotional instabile Persönlichkeitsstruktur mit erheblichen Funktionseinschränkungen im Alltag. Er kam zu dem Ergebnis, dass seine Patientin weniger als drei Stunden täglich arbeitsfähig sei – somit voll erwerbsgemindert seit September 2004.
Das Landessozialgericht folgte jedoch den neurologischen und internistischen Bewertungen statt dem psychiatrischen Bericht. Es bemängelte insbesondere fehlende Auseinandersetzung des Psychiaters mit früheren gegenteiligen Befunden sowie unzureichende Begründung seiner Einschätzung zur vollen Erwerbsminderung bereits ab 2004.
Alltagsaktivitäten als entscheidungsfaktor
Darüber hinaus berücksichtigte das Gericht eigene Ermittlungen zum Tagesablauf der Klägerin: Sie gab an, eigenständig Haushalt zu führen, einzukaufen sowie ihre Tochter zu betreuen; zudem war sie zeitweise als Babysitterin tätig gewesen und arbeitete in einem Bioladen mit geringem Umfang mit. Diese Tätigkeiten wertete das Gericht als Indiz dafür, dass keine schwerwiegenden funktionelle Einschränkungen bestanden hätten.
Die Kombination aus widersprüchlichen medizinischen Bewertungen sowie Angaben zur Lebensführung führte letztlich dazu, dass kein Anspruch auf Rente anerkannt wurde – zumindest nicht rückwirkend bis zum letzten Tag erfüllter versicherungsrechtlicher Voraussetzungen am 30.11.2010.
Bedeutung des urteils für rentenanträge wegen erwerbminderung
Das Urteil unterstreicht wichtige Grundsätze für Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen beim Antrag auf Erwerbsminderungsrente:
Erstens müssen neben formalen Versicherungszeiten klare medizinische Nachweise erbracht werden; zweitens fließen objektive Kriterien ebenso ein wie konkrete Angaben zum Alltag der Antragstellerinnen oder Antragsteller in die Gesamtbewertung ein.
Dabei ist entscheidend zwischen möglicher Arbeitszeitmenge pro Tag zu unterscheiden – unabhängig von Qualität oder subjektiver Belastungserfahrung dieser Tätigkeit. Selbst wenn Betroffene sich stark eingeschränkt fühlen mögen: Ohne entsprechende objektive Leistungsgrenzen bleibt ein Rentenanspruch fraglich.
Zudem zeigt das Verfahren exemplarisch den hohen Stellenwert fundierter ärztlicher Begutachtungen in sozialrechtlichen Streitigkeiten um Leistungen aufgrund verminderter Erwerbsfähigkeit – gerade wenn mehrere Fachrichtungen unterschiedliche Diagnosen stellen oder bewerten müssen.
Für Ratsuchende bedeutet dies konkret: Eine umfassende Dokumentation aller Beschwerden inklusive Verlaufsgeschichte ist essenziell ebenso wie realistische Darstellungen des täglichen Lebensumfeldes gegenüber Ärzten und Behörden. Gleichermaßen sorgfältige Auswahl qualifizierter Sachverständiger kann entscheidend sein für Erfolgsaussichten eines Antrags auf finanzielle Unterstützung durch Rentenzahlungen infolge dauerhafter gesundheitlicher Leistungseinbußen am Arbeitsplatz bzw außerhalb desselben.