Der FC St. Pauli hat eine wissenschaftliche Untersuchung zur nationalsozialistischen Vergangenheit des Texters Josef Ollig veröffentlicht, der den Text der Stadionhymne „Das Herz von St. Pauli“ verfasste. Das Gutachten beleuchtet Olligs Verstrickungen in das NS-System und wirft Fragen zum Umgang mit dem Lied auf.
Wissenschaftliches gutachten analysiert olligs rolle im ns-system
Der FC St. Pauli legte ein knapp 60 Seiten umfassendes Gutachten vor, das die politische und mediale Tätigkeit von Josef Ollig während der Zeit des Nationalsozialismus untersucht. Die Arbeit entstand unter Federführung der Politik- und Medienwissenschaftlerin Celina Albertz vom FC St. Pauli-Museum sowie des Historikers Peter Römer vom Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster. Die fachliche Prüfung erfolgte durch die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte.
Im Zentrum steht die Frage, wie stark sich Ollig als Journalist und Texter mit dem NS-Regime identifizierte oder ob er aus opportunistischen Gründen handelte. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass Ollig das NS-System sowohl vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs als auch während seiner Tätigkeit als Kriegsberichterstatter deutlich unterstützte. Seine Texte seien geprägt gewesen von rassistischen Feindbildern sowie einer Beschwörung der Einheit innerhalb der sogenannten „Volksgemeinschaft“. Dabei lasse sich nicht abschließend klären, ob diese Haltung aus Überzeugung oder Karrierestreben resultierte.
Besonders hervorgehoben wird seine Rolle am Ende der Weimarer Republik: Bereits damals hatte er eine bedeutende Position bei einer republikfeindlichen Hamburger Zeitung inne, welche ab 1930 offen die NSDAP unterstützte – ein Hinweis auf frühzeitige Nähe zum Nationalsozialismus.
Debatte um stadionhymne „das herz von st. pauli“ nach enthüllungen
Nach Bekanntwerden von Josef Olligs Verstrickung in das nationalsozialistische System reagierte der FC St. Pauli Mitte Februar 2025 mit einem erstmaligen Verzicht auf die Stadionhymne „Das Herz von St. Pauli“ beim Heimspiel gegen den SC Freiburg – erstmals seit rund 20 Jahren wurde das Lied nicht gespielt oder gesungen.
Diese Entscheidung löste unterschiedliche Reaktionen unter den Fans aus: Während viele Anhänger den Schritt begrüßten und ihn als notwendige Auseinandersetzung mit belasteter Geschichte werteten, kritisierten andere den Verzicht scharf und forderten eine differenziertere Betrachtung des Liedes unabhängig vom Autor.
Kulturelle bedeutung der hymn
Die Hymne selbst stammt aus den 1950er-Jahren; ihr Text wurde ursprünglich von Josef Ollig verfasst und später unter anderem durch Hans Albers im gleichnamigen Film bekannt gemacht – was ihre kulturelle Bedeutung für den Verein zusätzlich verstärkt hat.
Das veröffentlichte Gutachten gibt keine direkte Empfehlung für einen zukünftigen Umgang mit dem Lied ab; vielmehr soll es helfen, „das Denken und Handeln der Vergangenheit im jeweiligen historischen Kontext zu rekonstruieren und nachvollziehbar zu machen“, so heißt es seitens des Vereins offiziell.
Die Debatte um Erinnerungskultur am Beispiel dieses Falles zeigt exemplarisch Herausforderungen für Vereine wie den FC St. Pauli, deren Identität eng verbunden ist mit politischer Haltung sowie gesellschaftlicher Verantwortung gegenüber ihrer Geschichte – insbesondere wenn diese ambivalente Kapitel enthält.