Mehr als 70 Abgeordnete des Europäischen Parlaments planen die Teilnahme an der Pride-Parade in Budapest, obwohl die ungarische Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban diese offiziell verboten hat. Die Aktion gilt als deutliches Zeichen gegen Diskriminierung und für die Wahrung europäischer Grundwerte.
Pride-verbot in ungarn und politische hintergründe
Die diesjährige Pride-Parade in Budapest wurde von der ungarischen Regierung unter Viktor Orban untersagt. Grundlage für das Verbot ist ein sogenanntes „Kinderschutz-Gesetz“ aus dem Jahr 2021, das den Zugang von Kindern und Jugendlichen zu Medieninhalten einschränkt, welche „Abweichungen vom Geburtsgeschlecht oder Homosexualität fördern oder darstellen“. Dieses Gesetz dient offiziell dem Schutz Minderjähriger, wird jedoch international stark kritisiert.
Orban begründete seine Haltung mit persönlichen Worten: „Ich sage ganz ehrlich als Vater, als ungarischer Staatsbürger und jemand, der sich für die geistige Verfassung der nächsten Generation verantwortlich fühlt: Ich habe mir immer Sorgen gemacht angesichts von Veranstaltungen wie der Pride.“ Das Verbot soll verhindern, dass solche Veranstaltungen Einfluss auf junge Menschen nehmen können.
Trotz des offiziellen Verbots kündigte Orban an, dass die Polizei zwar befugt sei, die Parade aufzulösen. Er betonte jedoch: „Ungarn ist ein zivilisiertes Land. Wir verletzen einander nicht.“ Gleichzeitig drohen Teilnehmern Geldstrafen bis zu 500 Euro sowie mögliche Strafverfolgung durch Gesichtserkennungssoftware. Den Organisatoren könnte sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr drohen.
Der grün-liberale Oberbürgermeister von Budapest, Gergely Karácsony, erklärte daraufhin die Pride-Veranstaltung zur offiziellen Feier der Hauptstadt. Dies soll sie vor direktem Zugriff durch Orbans Regierung schützen und ermöglicht so eine legale Durchführung trotz des Verbots auf nationaler Ebene.
Eu-parlamentarier setzen zeichen gegen diskriminierung
Mehr als 70 EU-Abgeordnete aus verschiedenen Fraktionen – darunter Sozialdemokraten, Liberale und Grüne – haben ihre Teilnahme an der Budapester Pride angekündigt. Der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner erklärte dazu: „In Europa dürfen keine Prides verboten werden.“ Für ihn stehe fest: Es gehe darum, Akzeptanz und Toleranz zu schaffen sowie diese Werte politisch entschieden zu verteidigen.
Politische dimension und unterstützung
Die Co-Vorsitzende der Europäischen Grünen im Europaparlament, Terry Reintke, betonte ebenfalls den politischen Charakter ihrer Teilnahme: „Wir sind in ganz Europa vertreten – auch in Ungarn – und stehen an der Seite des ungarischen Volkes sowie seiner Demokratie.“ Die Unterstützung richte sich ausdrücklich gegen Diskriminierung queerer Menschen im eigenen Land wie europaweit.
Diese Solidaritätsbekundungen erfolgen vor dem Hintergrund eines seit Jahren laufenden Artikel-7-Verfahrens gegen Ungarn wegen systematischer Verstöße gegen EU-Grundwerte wie Gleichheit und Antidiskriminierung. Das Verfahren könnte letztlich zum Entzug des Stimmrechts Ungarns im Europäischen Rat führen; bislang stockt es jedoch politisch bedingt.
Reaktionen aus brüssel und eu-strategien für gleichberechtigung
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte sich klar hinter die Teilnehmenden: „In Europa ist es eine Grundfreiheit, für seine Rechte zu kämpfen und zu lieben, wen man möchte.“ Sie verwies daraufhin auf zentrale Werte Europas wie Gleichheit sowie Antidiskriminierungspflichten aller Mitgliedstaaten.
Bereits 2020 hatte die EU-Kommission ihre erste LGBTIQ-Equality-Strategy vorgestellt mit Zielen etwa zur Bekämpfung von Hasskriminalität gegenüber queeren Personen oder zum Verbot sogenannter Konversionstherapien zur Unterdrückung sexueller Orientierung beziehungsweise Geschlechtsidentität. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf grenzüberschreitender Anerkennung gleichgeschlechtlicher Elternschaft innerhalb Europas – ein Anliegen insbesondere auch des FDP-Abgeordneten Körner:
„Die EU will erreichen“, so Körner im ARD-Europa-Podcast punktEU, „dass Elternpaare ihr Kind unabhängig vom Wohnsitzland rechtlich anerkannt bekommen.“
Im Zusammenhang mit dem aktuellen Konflikt hat zudem eine Gruppe von 17 EU-Staaten inklusive Deutschland einen Brief an die Kommission gerichtet mit Forderungen nach konsequenterem Vorgehen gegenüber Ungarn wegen dessen diskriminierenden Gesetzen einschließlich des Kinderschutz-Gesetzes aus Brüssel-Sicht illegaler Art.
Das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof läuft noch; jüngste Empfehlungen einer Generalanwältin sprechen dafür aus Brüssel eingereichte Klagen anzunehmen – was weitere Sanktionen ermöglichen würde.
Gesellschaftliche herausforderungen rund um pride-monat juni
Der Juni gilt traditionell als Monat vieler Pride-Veranstaltungen weltweit; gerade dann häufen sich Berichte über Anfeindungen oder Gewaltakte gegenüber queeren Menschen meist durch rechte Gruppierungen. So registrierte das Bundeskriminalamt allein im vergangenen Jahr mehr als 2 100 Straftaten mit homophoben beziehungsweise transphoben Motiven – ein Höchststand seit Beginn entsprechender Erhebungen.
Vor diesem Hintergrund warnt Moritz Körner vor einer gesellschaftlichen Debatte um sogenannte „wokeness“, deren Ursprung er teilweise in den USA sieht:
„Ich selbst bin überhaupt nicht ‚woke‘“, sagt er, „ich möchte einfach nur lieben können wie ich will ohne Einschränkungen.“ Für ihn gehört dazu auch uneingeschränkte Freiheit bei Besuchen solcher Veranstaltungen ohne Angst vor Strafen oder Überwachungstechnologien wie Gesichtserkennungssysteme bei Demonstrationen oder Paraden.
Körners Appell richtet sich damit sowohl an Politik als auch Gesellschaft insgesamt angesichts zunehmender Spannungen zwischen konservativen Kräften einerseits sowie Befürwortern offener Vielfalt andererseits innerhalb Europas.