Die Zahl gefälschter wissenschaftlicher Publikationen wächst rasant und erreicht inzwischen industrielle Ausmaße. Forschende aus den USA, Australien und Deutschland haben gut organisierte Netzwerke identifiziert, die systematisch Fake-Artikel produzieren und verbreiten.
Zunehmender wissenschaftsbetrug mit gefälschten daten und diagrammen
In den letzten Jahren ist ein deutlicher Anstieg von Betrugsfällen in der Wissenschaft zu beobachten. Eine Studie des Forschungsteams der Universität Illinois zeigt, dass immer mehr Fachartikel zurückgezogen werden, weil sie Fälschungen enthalten oder anderweitiges Fehlverhalten vorliegt. Die Forschenden analysierten umfangreiche Publikationsdatenbanken und stellten fest, dass häufig dieselben gefälschten Diagramme oder Bilder in verschiedenen Artikeln verwendet wurden. Diese Erkenntnis führte zur Entdeckung mehrerer gut organisierter Netzwerke, die systematisch Fake-Wissenschaft im industriellen Stil herstellen.
Die Anzahl solcher Fake-Veröffentlichungen steigt exponentiell an – fast zehnmal schneller als die Gesamtzahl aller wissenschaftlichen Publikationen. Dies ermöglicht eine schnelle Produktion großer Mengen gefälschter Artikel bei vergleichsweise geringem Aufwand. Laut Bernhard Sabel von der Universität Magdeburg, einem Experten für organisierten Wissenschaftsbetrug, sind diese Netzwerke hochgradig automatisiert: „Mit kleinstem Aufwand und Hilfe von KI werden hier in hoher Geschwindigkeit zu geringen Kosten Fake-Publikationen erzeugt.“ Die Kombination aus Automatisierungstechniken und künstlicher Intelligenz führt dazu, dass sich das Problem zunehmend verschärft.
Agenturen vermitteln fake-publikationen an forschende gegen bezahlung
Ein zentrales Element dieser Betrugsnetzwerke sind sogenannte Fälschungsagenturen beziehungsweise Vermittleragenturen. Sie treten mit einzelnen Forschenden oder ganzen Forschungsgruppen in Kontakt und bieten gegen Bezahlung an, deren Namen als Autoren auf gefälschten Artikeln erscheinen zu lassen. Anschließend beauftragen diese Agenturen sogenannte Paper Mills – Organisationen spezialisiert auf das Erstellen erfundener wissenschaftlicher Texte –, um die Artikel anzufertigen oder KI-Systeme entsprechend anzuleiten.
Das geschäft mit gefälschten artikeln
Nach Fertigstellung suchen die Vermittler geeignete Fachjournale sowie Editoren aus dem Peer-Review-Prozess heraus, um eine Veröffentlichung sicherzustellen. Je nach Höhe der Zahlung variieren Qualität sowie Seriosität des Journals erheblich: Am günstigsten sind Pseudo-Fachzeitschriften , welche eigens zur Veröffentlichung solcher Artikel gegründet wurden; sie werden jedoch oft schnell entlarvt.
Eine weitere Methode besteht darin, eingestellte Fachzeitschriften wie etwa das ehemalige Journal „HIV Nursing“ durch Kauf ihrer Domain zu kapern und deren Reputation für eigene Zwecke weiterzuverwenden. Die teuerste Variante ist Bestechung etablierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur positiven Begutachtung falscher Manuskripte mit anschließender Veröffentlichung auch in renommierten Zeitschriften.
Druck im akademischen betrieb fördert fake-publikationen besonders im biomedizinischen bereich
Der wachsende Druck auf Forschende gilt als Hauptursache für den Erfolg dieses Geschäftsmodells: Um Fördergelder sowie Karrierechancen nicht zu gefährden, müssen möglichst viele Ergebnisse publiziert werden – idealerweise häufig zitiert von anderen Wissenschaftlern. Gerade im klinischen Alltag bleibt oft wenig Zeit für sorgfältige Studienarbeit.
Bernhard Sabel beschreibt diesen Zwiespalt so: „Wenn man es nicht schafft selbst ausreichend Forschungsergebnisse vorzulegen, dann überweist man eben 20 000 Euro an eine Paper Mill.“ Durch Aufteilung eines Artikels auf mehrere Autorinnen wird dies finanziell erschwinglich gemacht.
Besonders betroffen ist laut Sabel die Biomedizin; dort stammen bis zur Hälfte aller Veröffentlichungen aus diesem Bereich – entsprechend hoch ist auch Anteil der Fakes unter medizinischen Publikationen. Neben Risiken für Patientenversorgung bergen solche Falschinformationen Gefahren auch für Industrieprozesse etwa bei Herstellung medizinischer Produkte durch fehlerhafte Materialangaben oder experimentelle Planungen aufgrund falscher Datenlage.
Globale verteilung der fakes belastet weltweite wissenschaftliche literatur
Die meisten entdeckten Fake-Publikationen stammen laut Recherchen von Bernhard Sabel aus China, dicht gefolgt von Indien; doch unabhängig vom Herkunftsland wirken sich diese Falschmeldungen negativ auf das gesamte internationale Wissenschaftssystem aus.
Das Team um die Universität Illinois warnt davor, dass durch Überflutung mit solchen Artikeln langfristig ganze Bereiche der Literatur „vergiftet“ werden könnten – was bereits heute eine Herausforderung darstellt bei Identifikation betrügerischer Inhalte innerhalb riesiger Datenmengen fachwissenschaftlicher Veröffentlichungen.
Der Einsatz künstlicher Intelligenz beschleunigt zudem diesen Prozess dramatisch: KI-Modelle lernen zunehmend anhand verfälschter Fakten weiter; dadurch reproduzieren sie Fehler immer wieder neu ohne Kontrolle – möglich erscheint noch schwieriger wird als bisher angenommen wurde.
Um Glaubwürdigkeit weltweit sicherzustellen, empfiehlt Bernhard Sabel Einrichtung einer unabhängigen Kontrollinstanz ähnlich einem TÜV speziell für Forschungspublikationen weltweit einzurichten. Diese sollte neben Einhaltung ethischer Standards insbesondere auch Verlage stärker überwachen, Wildwuchs bei Journals eindämmen sowie Manipulationen konsequent verfolgen.