Der Fall eines Arbeitnehmers, der nach eigener Kündigung eine rückdatierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegte, führte zu einem Urteil des Landesarbeitsgerichts. Dieses bestätigt, dass Arbeitgeber bei begründeten Zweifeln die Lohnfortzahlung einstellen können. Beschäftigte sollten ihre Rechte und Pflichten in solchen Situationen kennen.
Rechtliche grundlagen zur arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und deren beweiswert
Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dient als Nachweis für eine Erkrankung und berechtigt Beschäftigte zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Grundsätzlich besitzt sie einen hohen Beweiswert gegenüber dem Arbeitgeber. Dieser darf die Zahlung nicht willkürlich verweigern, sondern benötigt konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Echtheit oder Richtigkeit der AU.
Das Landesarbeitsgericht stellte klar, dass insbesondere auffällige zeitliche Übereinstimmungen zwischen Krankschreibung und Kündigungsfrist den Beweiswert erschüttern können. Im verhandelten Fall begann die Krankschreibung am Tag der Kündigung und endete exakt mit Ablauf dieser Frist. Zudem waren mehrere Folgebescheinigungen lückenlos aufeinander abgestimmt sowie Diagnosen widersprüchlich dokumentiert worden.
Solche Umstände führen dazu, dass sich die Beweislast verschiebt: Der Arbeitnehmer muss dann substantiiert darlegen, warum er tatsächlich arbeitsunfähig war. Die bloße Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung reicht in diesen Fällen nicht aus.
Die Rechtsprechung betont jedoch auch: Ein bloßes Misstrauen des Arbeitgebers genügt nicht als Grundlage für eine Verweigerung der Lohnfortzahlung oder das Infragestellen einer AU.
Typische verdachtsmomente bei zweifeln an krankmeldungen
Gerichte haben verschiedene Konstellationen definiert, die als verdächtig gelten können:
- Beginn der Krankschreibung am Tag der Kündigung mit genauem Ende zum Fristablauf
- Mehrere Folgebescheinigungen ohne Unterbrechung über den gesamten Zeitraum
- Wechselnde Diagnosen ohne medizinisch nachvollziehbaren Grund
- Rückdatierung von Erstbescheinigungen ohne zwingende Ausnahmesituation
Rückdatierungen sind nur unter engen Voraussetzungen zulässig; Ärztinnen und Ärzte dürfen in aller Regel maximal drei Kalendertage zurückdatieren – vorausgesetzt es liegt ein plausibler Grund vor. Eine bequeme Verlängerung bis zum letzten Arbeitstag gilt nicht als ausreichende Rechtfertigung.
Diese Kriterien dienen Arbeitgebern dazu, begründete Zweifel zu formulieren – was wiederum Auswirkungen auf den Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat.
Pflichten von beschäftigten bei zweifeln durch den arbeitgeber
Wenn ein Arbeitgeber Zweifel anmeldet, kann er Auskünfte verlangen – allerdings müssen Beschäftigte keine Diagnose offenlegen. Stattdessen ist es erforderlich, konkrete Einschränkungen zu schildern: Welche Tätigkeiten waren aufgrund welcher Symptome oder Funktionsausfälle unmöglich? Welche Schonmaßnahmen wurden ärztlich empfohlen?
Darüber hinaus sollte angegeben werden,
- wann ärztliche Behandlung erfolgte
- welche Maßnahmen angeordnet wurden
Eine nachvollziehbare Darstellung erhöht die Glaubwürdigkeit erheblich; aussagekräftige ärztliche Stellungnahmen unterstützen dies zusätzlich.
Das Gesetz erlaubt dem Arbeitgeber zudem das Verlangen nach einer früheren AU-Bescheinigung beziehungsweise Nachweisen über deren Fortdauer bei längeren Erkrankungszeiten. Fehlende oder verspätete Folgebesuche können das Vertrauen beeinträchtigen; deshalb empfiehlt sich eine frühzeitige Terminplanung beim Arzt.
Auswirkungen der elektronischen arbeitsunfähigkeitsmeldung seit 2023
Seit Anfang 2023 erfolgt die Übermittlung von Arbeitsunfähigkeitsdaten elektronisch direkt zwischen Arztpraxen beziehungsweise Krankenkassen und Arbeitgebern . Damit entfällt meist die Pflicht zur persönlichen Abgabe eines Papiernachweises durch Beschäftigte im Betrieb.
Trotz dieser technischen Neuerung bleiben Meldepflichten bestehen: Die Krankheit muss unverzüglich gemeldet werden; außerdem ist weiterhin eine ärztliche Feststellung notwendig. Der Papierausdruck sollte sicher verwahrt werden – er bleibt wichtiges Beweismittel im Streitfall um Entgeltansprüche.
Die Einführung der eAU verändert nichts an den rechtlichen Anforderungen bezüglich des Beweiswerts einer Bescheinigung oder daran anschließender Prüfverfahren durch Gerichte beziehungsweise Medizinische Dienste bei Zweifeln seitens des Arbeitgebers.
Rolle des medizinischen dienstes bei prüfung von arbeitsunfähigkeit
Bei begründeten Zweifeln kann ein Arbeitgeber eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst veranlassen; diese erfolgt über die Krankenkasse unabhängig vom Betrieb selbst. Der Medizinische Dienst bewertet ausschließlich,
- ob aus medizinischer Sicht tatsächlich Arbeitsunfähigkeit bestand
Er gibt keine Diagnose weiter sondern bestätigt lediglich Berechtigung oder Unberechtigung einer AU-Bescheinigung gegenüber dem Auftraggeber .
Dieses Verfahren kann helfen,
- Streitigkeiten schnell zu klären
- Missverständnisse auszuräumen
Beschäftigte sollten Termine wahrnehmen sowie Rückfragen kooperativ beantworten um Nachteile zu vermeiden.
Praktische empfehlungen zur sicherung des lohnanspruchs trotz zweifel an au-bescheinugngen
Um Konflikte mit dem Arbeitgeber möglichst auszuschließen empfiehlt sich folgendes Vorgehen:
- Krankheit unverzüglich melden inklusive Angabe voraussichtlicher Dauer
- Arbeitsunfähigkeit frühzeitig ärztlich feststellen lassen; Lücken vermeiden sowie unglaubhafte Rückdatierungen ausschließen
- Symptome detailliert dokumentieren sowie Zeiten von Behandlung und Empfehlungen festhalten
- Bei längerer Erkrankungsdauer rechtzeitig Folgebesuche planen um nahtlose Bescheinigen sicherzustellen
- Auf Nachfragen zügig reagieren; gegebenenfalls ergänzende ärztliche Stellungnahmen vorlegen
Diese Maßnahmen reduzieren Angriffsflächen erheblich und erleichtern gegebenenfalls einen Gegenbeweis gegenüber dem Arbeitgeber.
Besondere situation: kündigung zeitgleich mit krankschreibung planen
Wer selbst kündigt und unmittelbar danach krankgeschrieben wird sollte Abläufe besonders sorgfältig prüfen:
- Passgenaue Krankschreibungen bis zum letzten Tag wirken oft unglaubwürdig
- Offene Kommunikation mit behandelnden Ärzten über berufliche Situation ist ratsam
- Medizinische Gründe für Krankschreibungsdauer müssen plausibel sein
Ärztliche Dokumentation von Funktionseinschränkungen hilft dabei Vorwürfe einer Gefälligkeits-AU abzuwehren.
Verfahren beim ausbleiben von lohnzahlungen trotz krankenstand
Zahlt ein Arbeitgeber trotz bestehender Krankheit keinen Lohn fort gilt es schnell aktiv zu werden:
- Schriftlich Zahlung fordern unter Vorlage ergänzender Nachweise
- Krankenkasse einschalten zur Prüfung möglicher Leistungen wie Krankengeld
- Rechtlichen Rat suchen insbesondere wenn Fristen drohen
Besonders nach Kündigungen entscheidet oft jedes Detail über Ansprüche auf Entgeltfortzahlung bzw. Ersatzleistungen.