Höhere leistungen für assistenz beim besuch einer kindertagesstätte bei störung des sozialverhaltens
Bei einem minderjährigen Kind mit einer Störung des Sozialverhaltens und oppositionellem, aufsässigem Verhalten sind höhere Leistungen für eine individuelle Assistenz im Rahmen des Besuchs einer Kindertagesstätte zu gewähren. Das Sozialgericht Duisburg verpflichtete die Behörde per einstweiliger Anordnung zur Übernahme der Kosten für eine 1:1 Betreuung durch eine Kinderpflegerin bis zu 38 Stunden wöchentlich.
Das Sozialgericht Duisburg entschied am 22. April 2025 , dass dem Antragsteller aufgrund seiner Verhaltensstörung vorläufig die Kosten für eine umfassende Einzelbetreuung in der Kindertagesstätte zu erstatten sind. Die Entscheidung basiert auf den Vorschriften des Sozialgesetzbuches IX zur Eingliederungshilfe, insbesondere § 113 Abs. 1 und § 79 SGB IX, welche heilpädagogische Leistungen regeln.
Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dienen Leistungen zur sozialen Teilhabe dazu, Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen eine gleichberechtigte Teilhabe am Gemeinschaftsleben zu ermöglichen oder zu erleichtern. Dazu gehört laut Satz 2 auch die Unterstützung bei einer selbstbestimmten Lebensführung im eigenen Wohn- und Sozialraum.
Heilpädagogische leistungen und deren bedeutung
Heilpädagogische Leistungen nach § 113 Abs. 2 Nr. 3 umfassen Maßnahmen zur Entwicklung von Kindern sowie nichtärztliche therapeutische, psychologische und sonderpädagogische Hilfen einschließlich Beratung der Erziehungsberechtigten . Die beantragte individuelle Betreuung in Form einer durchgängigen Einzelassistenz während der gesamten Kita-Zeit stellt somit eine heilpädagogische Leistung dar.
Das Gericht stellte fest, dass ohne diese intensive Betreuung erhebliche Nachteile drohen würden – sowohl Eigen- als auch Fremdgefährdung seien möglich –, weshalb ein Anordnungsanspruch besteht und keine Verweisung auf das Hauptsacheverfahren erfolgen kann. „Ohne diese Betreuung ist eine Gefährdung nicht auszuschließen,“ so das Gericht.
Bedarfsermittlung und abgrenzung zum nachranggrundsatz
Die Bedarfsermittlung ergab einen wöchentlichen Betreuungsumfang von bis zu 38 Stunden in Form einer individuellen Fachkraft-Betreuung während des gesamten Aufenthalts in der Einrichtung der Beigeladenen. Das Gericht kritisierte den Hinweis der Behörde auf Basisleistungen I sowie auf Leistungen nach dem Kinderbildungsgesetz NRW , da diese den tatsächlichen Bedarf nicht vollständig abdecken können.
Insbesondere bleiben Randzeiten unversorgt; weder aus Protokollen noch aus Ortsterminen ließ sich erkennen, wie dieser Bedarf gedeckt werden soll – es besteht also ein ungedeckter Hilfebedarf außerhalb regulärer Betreuungszeiten.
Die Rechtsprechung verlangt jedoch eine vollständige Bedarfsdeckung durch die Hilfeleistung . Ein teilweiser Ausschluss aufgrund anderer Leistungsangebote ist daher unzulässig, wenn diese nicht ausreichend sind.
Der Nachranggrundsatz gemäß § 91 Absätze 1 SGB IX greift hier nicht als Ausschlussnorm ein: Eingliederungshilfe wird nur dann versagt, wenn andere Träger tatsächlich den Bedarf decken können; dies ist vorliegend nicht gegeben.
Auch das Bundessozialgericht bestätigte bereits im Zusammenhang mit dem Nachranggrundsatz in der Sozialhilfe , dass dieser keine generelle Ausschlussnorm darstellt .
Praxisrelevante hinweise zum anspruch behinderter kinder auf assistenzleistungen
Für behinderte Kinder besteht grundsätzlich Anspruch auf persönliche Assistenz während Mahlzeiten oder anderen Aktivitäten im Kindergarten beziehungsweise in vergleichbaren Einrichtungen . Diese Assistenz ermöglicht ihnen die Teilnahme am gemeinschaftlichen Leben trotz ihrer Einschränkungen oder Verhaltensauffälligkeiten.
Leistungen aus Eingliederungshilfe nach dem SGB XII stehen dabei gegenüber Pflegeversicherungsleistungen unabhängig nebeneinander; sie sind also nicht nachrangig . Ein behindertes Kind darf daher nicht verpflichtet werden, Pflegegeld ganz oder teilweise zweckentfremdet einzusetzen zugunsten persönlicher Assistenzkosten innerhalb von Kita-Besuchen oder ähnlichen Situationen.
Diese regelungen sichern sicherstellen einen umfassenden Schutzbedarf bei Kindern mit besonderen Förderbedarfen infolge von Entwicklungsstörungen oder Verhaltensauffälligkeiten abseits rein pflegerischer Aspekte ab.