Die ehemalige Schwimmweltmeisterin Franziska van Almsick reflektiert in der ARD-Dokumentation Being Franziska van Almsick ihr Leben nach der Karriere. Dabei spricht sie offen über ihre Essstörung, den Umgang mit Druck und die Bedeutung von Krafttieren.
Franziska van almsicks weg vom kindersternchen zur erwachsenen ausnahmesportlerin
Franziska van Almsick, geboren 1978 in Ost-Berlin, begann ihre internationale Karriere bereits im Alter von 14 Jahren bei den Olympischen Spielen 1992. Schnell wurde sie zum „Goldfisch der Nation“ und begeisterte mit sportlichen Höchstleistungen sowie ihrer unverwechselbaren Art Millionen Menschen weltweit. Heute lebt die ehemalige Rekord-Schwimmerin mit ihrem Partner und zwei Söhnen in Heidelberg. In der neuen ARD-Dokumentation Being Franziska van Almsick, die ab dem 4. September in der Mediathek verfügbar ist, blickt sie auf ihr bewegtes Leben zurück.
Van Almsick beschreibt sich selbst als eine Person, die auch heute noch viel von dem kindlichen Temperament bewahrt hat: „Dieses Loch im Kopf, dieses Verstrahlte, das habe ich immer noch.“ Ihre Mutter schildert darin eindrucksvoll den emotionalen Druck während ihrer Wettkämpfe – so sehr, dass sie oft vor Anspannung kaum stillsitzen konnte und sich fast wie ein Teil des Teams fühlte. Trotz eigener Mutterschaft kann Van Almsick diese Gefühle nachvollziehen: „Meine Familie ist generell sehr emotional.“ Sie erzählt auch davon, wie ihre Eltern manchmal drei Wochen mit dem Motorrad unterwegs waren, um nicht bei ihren Wettkämpfen dabei sein zu müssen – zu groß war die emotionale Belastung für alle Beteiligten.
Insgesamt zeigt sich Van Almsick heute als reflektierte Frau: Sie habe ihre sportliche Laufbahn gut abgeschlossen und blicke ohne Bedauern darauf zurück. Die Erfahrungen eines jungen Mädchens unter enormem Erfolgsdruck hätten sie geprägt – doch trotz aller Herausforderungen habe sie das gut gemeistert.
Essstörung als lebensbegleiterin: offenheit über selbstzweifel und coping-strategien
Ende der 1990er Jahre entwickelte Franziska van Almsick eine Essstörung – ein Thema, das lange Zeit tabuisiert wurde. In Interviews betont sie nun offen deren anhaltende Präsenz im Alltag: „Eine Essstörung ist etwas, das man nicht wieder los wird.“ Für Van Almsick bedeutet dies konkret eine ständige Wachsamkeit gegenüber eigenen Verhaltensmustern rund ums Essen.
Sie erklärt: Wenn Stress oder Unsicherheit zunehmen , könne es passieren, dass alte Muster wieder aufflackerten – etwa weniger zu essen oder obsessiv darüber nachzudenken. Die Essstörung fungiere für sie inzwischen als Warnsignal; sobald solche Symptome auftreten würden, müsse sie bewusst gegensteuern und mehr auf sich achten.
Diese Haltung zeugt von einem bewussten Umgang mit einer chronischen Erkrankung ohne Selbstvorwürfe oder Verdrängung. Van Almsicks Offenheit trägt dazu bei, gesellschaftliche Tabus abzubauen und Betroffenen Mut zu machen.
Neben persönlichen Einblicken verweist die Dokumentation auch auf Hilfsangebote wie das Beratungstelefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter 0221/892 031 sowie spezialisierte Beratungsseiten zur Unterstützung bei Essstörungen.
Unerfüllter traum olympisches gold zwischen akzeptanz und sportlermentalität
Trotz zahlreicher Erfolge blieb Franziska van Almsick eines verwehrt: eine olympische Goldmedaille. Dieses Thema beschäftigt sie bis heute intensiv; zugleich hat sie einen Weg gefunden damit umzugehen. Sie sagt dazu:
„Man tut ja alles im Leben um seine Träume zu erfüllen… Manchmal ärgert mich das immer noch… Aber ich habe erkannt… Dass ich kein Olympiagold habe macht mich nicht schlechter.“
Diese Aussage verdeutlicht den inneren Zwiespalt zwischen sportlichem Ehrgeiz einerseits sowie persönlicher Akzeptanz andererseits. Der Traum vom Gold war lange Antriebsmotor ihres Lebens; dessen Nichterreichen führte jedoch nicht zum Bruch ihrer Identität oder ihres Selbstwertgefühls.
Van Almsicks Reflexion zeigt exemplarisch den schwierigen Balanceakt vieler Spitzensportlerinnen zwischen Leistungsdruck und Lebenszufriedenheit nach dem Karriereende.
Krafttier wolf gibt mut zur widerstandskraft bei rückschlägen
Ein besonderes Element ihrer mentalen Stärke beschreibt Van Almsick durch ihr Krafttier – den Wolf –, welches ihr besonders beim Comeback-Highlight EM 2002 half: Nach einer Phase des Rückzugs stellte sie dort einen Weltrekord auf – ein emotionaler Höhepunkt ihrer Laufbahn.
Der Wolf symbolisiere für Van Almsick Vertrauen sowie Schutz vor Ängsten während extremer Belastungen:
„Ich muss keine Angst haben vor Leuten… Ich muss keine Angst haben vor Schmerzen… Das Krafttier hilft mir über mich hinauszuwachsen.“
Auch heute spüre sie gelegentlich diese innere Stärke durch ihren Wolf; wichtiger sei jedoch die Erkenntnis eigener Widerstandskraft:
„Wenn ich hinfallen sollte kann ich mich darauf verlassen dass ich wieder aufstehe… Ich habe keine Angst mehr zu fallen weil ich weiß wie man wieder aufspringt.“
Diese Metapher steht sinnbildlich für ihren Umgang mit Niederlagen sowohl im Sport als auch im privaten Leben — Rückschläge werden als Chancen zur Veränderung verstanden:
„Was uns wirklich weiterbringt sind Niederlagen… Denn dann verändern wir Dinge… Und so wachsen wir.“
Van Almsicks Geschichte illustriert eindrücklich Wege persönlicher Resilienz jenseits öffentlicher Erfolge oder Misserfolge.