Das Bundessozialgericht hat mit Urteilen vom 23.03.2010 klargestellt, dass das kostenlose Mittagessen in Werkstätten für behinderte Menschen , das im Rahmen von Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit bereitgestellt wird, den Anspruch auf Sozialhilfe nicht mindert. Diese Entscheidung betrifft insbesondere die Grundsicherungsempfänger im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich der WfbM.
Rechtliche bewertung des kostenlosen mittagessens in werkstätten für behinderte menschen
Das Bundessozialgericht hat mit den Entscheidungen B 8 SO 15/08 R und B 8 SO 17/09 R vom 23.03.2010 eine wichtige Klarstellung getroffen: Das kostenlose Mittagessen, das behinderten Menschen in einer WfbM im Rahmen von durch die Bundesagentur für Arbeit geförderten Maßnahmen angeboten wird, darf nicht als anrechenbare Leistung auf den Sozialhilfeanspruch angerechnet werden. Dies stellt eine Abgrenzung zu einem früheren Urteil des BSG vom 11.12.2007 dar.
Die Richter begründen dies damit, dass es sich bei dem Mittagessen um eine Leistung handelt, die aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit finanziert wird und somit keine Sozialhilfeleistung darstellt. Eine Anrechnung auf die Grundsicherung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn diese Leistung durch einen Sozialhilfeträger erbracht würde – was hier nicht der Fall ist.
Darüber hinaus verweist das Gericht darauf, dass nach geltender Rechtsprechung auch im Bereich des SGB II keine Anrechnung solcher Leistungen erfolgt; dies wurde durch entsprechende Regelungen in der Arbeitslosengeld-II-Verordnung bestätigt.
Geldwerter vorteil und sachbezugsverordnung
Zudem kann das kostenlose Mittagessen nach Ansicht des Gerichts nicht als geldwerter Vorteil gemäß Sachbezugsverordnung betrachtet werden, da diese Verordnung nur Leistungen aus einer nichtselbständigen Tätigkeit erfasst und somit hier keine Anwendung findet.
Diese Urteile verdeutlichen eine klare Trennung zwischen Leistungen aus Eingliederungsmaßnahmen und sozialhilferechtlichen Ansprüchen sowie deren Bewertung hinsichtlich Anrechnungen auf Grundsicherungsleistungen.
Differenzierung bei grundsicherungsbezug innerhalb verschiedener bereiche der wfbm
Der Sozialrechtsexperte Detlef Brock weist darauf hin, dass sich die Rechtsprechung ausschließlich auf Empfänger von Grundsicherung bezieht, welche sich im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer WfbM befinden und dort ein kostenloses Mittagessen erhalten. Für Personen mit Grundsicherungsanspruch im Arbeitsbereich einer WfbM gilt weiterhin die bisherige Rechtsprechung: In diesem Fall darf die Grundsicherung gekürzt werden, wenn sie kostenfrei mit einem Mittagessen versorgt werden.
Diese Differenzierung ist bedeutsam zur korrekten Anwendung sozialrechtlicher Vorschriften bei unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen innerhalb von Werkstätten für behinderte Menschen:
- Im Eingangs- oder Berufsbildungsbereich mindert das kostenlose Essen den Anspruch auf Grundsicherung nicht.
- Im Arbeitsbereich hingegen kann es zu Kürzungen kommen.
Weiterhin betont Brock ein weiteres Urteil des BSG vom 14.02.2017 , wonach bei Heranziehung eines kostenlosen Mittagessens als individuelle Ersparnis höchstens jener Wert berücksichtigt werden darf, welcher dem Anteil eines täglichen Mittagsmahlzeitanteils am Regelbedarf entspricht – also kein höherer Betrag angesetzt wird als bereits über den Regelbedarf abgedeckt ist.
Diese differenzierten Bewertungen sind wichtig zur Vermeidung unzulässiger Kürzungen sozialer Leistungen sowie zur Wahrung angemessener Lebensstandards von behinderten Menschen in Werkstätten unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Beschäftigungsbereiche.
Aktuelle urteile zur kostenübernahme und rechtsfragen beim mittagessen in wfbm
Neben den genannten Entscheidungen gibt es weitere relevante Urteile zum Thema Kostenübernahme beziehungsweise Anrechnung kostenloser Mahlzeiten innerhalb von Werkstätten:
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschied am 17.03.2022 , dass Kostenübernahmen für ein kostenloses Mittagessen im Rahmen der Eingliederungshilfe grundsätzlich ausgeschlossen sind; dieses Urteil wurde später teilweise bestätigt bzw., wie beim Bundessozialgericht am 11. Mai 2023 , zurückgenommen beziehungsweise anderweitig erledigt erklärt – was zeigt wie komplex diese Rechtsmaterie bleibt.
Ein weiteres Verfahren vor dem Bundessozialgericht vom Februar 2025 konnte wegen Tod des Klägers keine abschließende Klärung bringen; dennoch unterstreicht dieser Umstand weiterhin bestehende Unsicherheiten bezüglich einzelner Einzelfallkonstellationen rund um Mahlzeitenversorgungskosten bei behinderten Leistungsbeziehern in Werkstätten.
Insgesamt zeigen diese Entwicklungen sowohl juristische Feinheiten als auch praktische Herausforderungen bei Umsetzung sozialrechtlicher Vorgaben zum Schutz hilfebedürftiger Personen mit Behinderung sowie deren angemessene Versorgung während beruflicher Fördermaßnahmen oder Beschäftigungsmöglichkeiten innerhalb spezialisierter Einrichtungen wie WfbM deutlich auf.