Im Rahmen eines großangelegten Forschungsprojekts wurden im Bodensee insgesamt 31 Wracks gefunden, darunter ein außergewöhnlich gut erhaltenes Lastsegelschiff. Die Untersuchungen liefern neue Erkenntnisse zur Unterwasserarchäologie in Binnengewässern und zum historischen Schiffsverkehr rund um den See.
Systematische erforschung der bodensee-wracks mit moderner technik
Ein Forscherteam hat sich der Aufgabe verschrieben, die Wracks auf dem Grund des Bodensees systematisch zu erfassen und zu dokumentieren. Der See erreicht an seiner tiefsten Stelle eine Tiefe von bis zu 251 Metern, was die Untersuchung besonders anspruchsvoll macht. Das Projekt wird vom Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg finanziert und stellt ein bisher einzigartiges Vorhaben zur Erforschung von Unterwasserfunden in Binnengewässern dar.
Bis Ende des Jahres 2024 wurden mehr als 250 auffällige Stellen am Seegrund registriert, sogenannte Anomalien. Von diesen wurden bislang 186 genauer untersucht. Dabei zeigte sich, dass viele dieser Anomalien natürliche Strukturen oder einfache Objekte wie Fischreiser sind. Dennoch konnten bei insgesamt 31 Stellen versunkene Wasserfahrzeuge identifiziert werden.
Die Entdeckung dieser Wracks erfolgte durch den Einsatz modernster Technologien wie hochauflösender Sonardaten sowie ferngesteuerter Unterwasserroboter . Diese Kombination ermöglicht es den Forschern, technische Objekte zuverlässig von natürlichen Formationen am Seegrund zu unterscheiden. Julia Goldhammer, die Projektleiterin, betont: „Nur durch die Kombination lassen sich natürliche Strukturen zuverlässig von technischen Objekten am Seegrund unterscheiden.“ Die präzise Lokalisierung ist entscheidend für eine fundierte Dokumentation der Funde.
Die Arbeit erfordert nicht nur technisches Know-how sondern auch archäologisches Fachwissen zur Einordnung der Entdeckungen im historischen Kontext des Bodenseeraums. Das Projekt wird noch mehrere Jahre fortgesetzt und soll weitere Erkenntnisse über das maritime Erbe dieses wichtigen Binnengewässers liefern.
Bedeutende funde: lastsegelschiff und holzfässer als zeugen vergangener zeiten
Unter den entdeckten Wracks sticht besonders ein fast vollständig erhaltenes Lastsegelschiff hervor, das in großer Tiefe gefunden wurde. Dieses Schiff weist ungewöhnlich gut erhaltene Bauteile auf: Mast und Rah sind noch vorhanden – laut den Wissenschaftlern eine Seltenheit bei solchen Funden im Bodensee. Auch Befestigungsvorrichtungen für Leinen sowie Teile des Antriebs sind deutlich erkennbar.
Alexandra Ulisch, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt, erklärt dazu: „Der Fund bietet einzigartige Einblicke in die Segeltechnik und den Schiffbau historischer Bodenseeschiffe.“ Die genaue Liegezeit dieses Lastsegelschiffs ist bislang unbekannt; dennoch liefert es wertvolle Informationen über frühere Transport- und Handelswege auf dem See.
An einer anderen Fundstelle entdeckte das Team ein weit verstreutes Feld mit mindestens siebzehn Holzfässern unter Wasser – möglicherweise Überreste einer historischen Ladung eines gesunkenen Schiffes oder einer anderen Transportform auf dem Wasserweg rund um den Bodensee. Hinweise auf das dazugehörige Schiff fehlen bisher jedoch komplett; weitere Untersuchungen sollen hier Klarheit schaffen.
Zusätzlich fanden die Forscher zwei große metallene Schiffsrümpfe vor Ort vor – diese könnten womöglich zu bekannten Schaufelraddampfern gehören: dem „SD Baden“ sowie der „SD Friedrichshafen II“. Beide Schiffe stammen aus der Zeit um Ende des neunzehnten beziehungsweise Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts; ihre endgültige Identifikation steht allerdings noch aus.
Diese vielfältigen Funde zeigen eindrucksvoll die Bedeutung des Bodensees als Verkehrsweg über Jahrhunderte hinweg sowie seine Rolle als Zeitkapsel vergangener Epochen mit zahlreichen Spuren menschlicher Aktivitäten unter Wasser.
Historische bedeutung der wracks für schifffahrt und kulturgeschichte am bodensee
Die dokumentierten Wracks bieten nicht nur einen faszinierenden Blick unter Wasser sondern auch wichtige Hinweise zum historischen Schiffsverkehr auf dem Bodensee sowie zur Lebensweise früherer Generationen entlang seiner Uferregionen. Sie fungieren gewissermaßen als Zeitkapseln vergangener Zeiten mit hohem kulturhistorischem Wert.
Durch detaillierte Analysen können Wissenschaftler Rückschlüsse ziehen etwa über Bauweisen historischer Boote oder Segelschiffe ebenso wie über Handelsgüter oder Transporttechniken jener Epoche. So tragen diese Funde wesentlich zum besseren Verständnis regionaler Geschichte bei – sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich betrachtet.
Das Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg hebt hervor: „Wracks sind weit mehr als nur verlorene Fahrzeuge – sie sind echte Zeitkapseln.“ Ihre Erhaltung ermöglicht es zudem künftigen Generationen einen direkten Zugang zur Vergangenheit ohne Umwege durch schriftliche Quellen allein bieten zu müssen.
Neben archäologischen Aspekten helfen moderne Methoden wie Sonarvermessung oder ferngesteuerte Tauchroboter dabei festzustellen, welchen Zustand einzelne Wrackteile haben bzw. ob Maßnahmen zum Schutz notwendig erscheinen könnten angesichts natürlicher Verfallsprozesse unter Wasserbedingungen im Süßwassersee wie dem Bodensee selbst.
Das laufende Forschungsprojekt wird daher weiterhin Daten sammeln, analysieren, dokumentieren. Es leistet damit einen wichtigen Beitrag sowohl zum Denkmalschutz, zur maritimen Archäologie, aber auch zum kulturellen Gedächtnis rund um diesen bedeutenden europäischen Binnensee.