Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass das blinde Unterschreiben eines von Dritten ausgefüllten Bürgergeld-Antrags ohne vorherige Prüfung der Angaben eine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung darstellt. Diese Handlung wird als grob fahrlässig eingestuft, auch wenn die Antragsteller über keine ausreichenden Deutschkenntnisse verfügen.
Rechtliche bewertung des blinden unterschreibens bei bürgergeld-anträgen
Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 16. Juli 2025 stellt klar, dass das blinde Unterschreiben eines Antragsformulars durch den Antragsteller eine grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X darstellt. Dabei ist es unerheblich, ob der Antragsteller die Angaben selbst gemacht oder diese von einer dritten Person ausgefüllt wurden.
Die Kläger hatten vorgebracht, ihre Anträge seien aufgrund fehlender eigener Deutschkenntnisse von ihrer Tochter ausgefüllt worden und sie hätten darauf vertraut, dass alle Angaben korrekt seien. Das Gericht stellte fest: Sollte diese Darstellung zutreffen, schließe dies allenfalls Vorsatz aus – nicht jedoch die Grobfahrlässigkeit.
Grob fahrlässig handelt demnach, wer „schon einfachste und ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt“ und somit nicht beachtet, was jedem in der Situation einleuchten müsse . Das bedeutet konkret: Wer einen Leistungsantrag „blind“ unterschreibt und keine Prüfung vornimmt, verletzt seine Sorgfaltspflicht in besonders schwerem Maße.
Auch frühere Urteile des Bundessozialgerichts bestätigen diesen Grundsatz . Die Rechtsprechung unterstreicht damit die Verantwortung jedes Antragstellers für die Richtigkeit seiner Angaben trotz möglicher sprachlicher Barrieren.
Pflichten von bürgergeld-beziehern mit mangelnden deutschkenntnissen
Der Experte für Bürgergeldrecht Detlef Brock weist darauf hin: Bezieher mit ausländischen Wurzeln sind verpflichtet sicherzustellen, dass sie den Inhalt ihres Antrags verstehen können. Dies kann durch Hinzuziehung einer ausreichend sprachkundigen Person erfolgen oder durch Nutzung der Aufklärungs- und Beratungsverpflichtungen der Behörde gemäß §§ 13 und 14 SGB I.
Fehlende Sprachkenntnisse entschuldigen kein blindes Unterschreiben entscheidungserheblicher Formulare oder Angaben im Leistungsantrag. Die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestätigt dies mehrfach .
Das Gericht betonte zudem ausdrücklich: Es liegen keine Hinweise darauf vor, dass Kläger aufgrund eingeschränkter Urteils- oder Kritikfähigkeit nicht in der Lage gewesen wären zu erkennen, welche Tragweite ihr Handeln hat.
Diese Vorgaben verdeutlichen den hohen Stellenwert einer sorgfältigen Prüfung aller Antragsinhalte auch bei Sprachbarrieren sowie die Bedeutung professioneller Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen zur Sicherstellung korrekter Leistungsansprüche.
Geplante einschränkungen bei fremdsprachigen informationsangeboten zum bürgergeld ab 2026
Die Bundesagentur für Arbeit plant ab dem Jahr 2026 Änderungen bei ihren Informationsangeboten zum Bürgergeld für Menschen mit Migrationshintergrund oder geringen Deutschkenntnissen vorzunehmen.
Bisher stellte die Arbeitsagentur Merkblätter zum Bürgergeld in verschiedenen Fremdsprachen bereit; künftig sollen solche Informationen nur noch auf Deutsch sowie in leichter Sprache verfügbar sein. Eine Sprecherin der Bundesagentur bestätigte gegenüber der „Bild“-Zeitung diese Umstellung auf eine „Kurzinformation zum Bürgergeld“ ausschließlich in deutscher Sprache beziehungsweise leichter Sprache.
Diese Entscheidung könnte Auswirkungen auf Menschen haben, deren Verständnisschwierigkeiten bislang durch mehrsprachige Materialien gemindert wurden und erhöht damit möglicherweise den Bedarf an externer Beratungshilfe beim Ausfüllen von Anträgen oder beim Verstehen behördlicher Bescheide rund um das Thema Bürgergeld ab dem kommenden Jahrgangswechsel im Januar 2026.