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Aufhebung von bürgergeld durch jobcenter ist bei bloßen zweifeln rechtswidrig

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Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass die Aufhebung von Bürgergeld durch das Jobcenter nicht auf bloßen Zweifeln oder Vermutungen beruhen darf. Vielmehr muss das Jobcenter umfassende Ermittlungen durchführen, bevor es eine solche Entscheidung trifft.

Rechtslage zur aufhebung von bürgergeld bei zweifeln des jobcenters

Die Aufhebung eines Bürgergeldbescheids durch das Jobcenter ist nur dann rechtmäßig, wenn die Behörde ihre Amtsermittlungspflicht nach § 20 SGB X erfüllt hat. Das bedeutet, dass sie alle erforderlichen Tatsachen ermitteln muss, bevor sie den Bescheid ändert oder aufhebt. Bloße Zweifel oder Vermutungen reichen hierfür nicht aus. Dies bestätigte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen im Fall einer Klägerin, deren Bürgergeld aufgrund angeblicher Zweifel an ihrer Hilfebedürftigkeit und einer vermuteten Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Vermieter aufgehoben wurde .

Das Gericht bemängelte insbesondere fehlende Feststellungen zum Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft sowie zur Höhe des Einkommen und Vermögens der Beteiligten. Ohne diese konkreten Erkenntnisse könne keine rechtmäßige Entscheidung getroffen werden. Zudem hatte das Jobcenter entgegen seiner Amtsermittlungspflicht kein Auskunftsverlangen gegenüber dem Vermieter eingeleitet , um entscheidungserhebliche Tatsachen zu klären.

Bereits in einem Urteil vom 25.06.2015 wurde festgehalten, dass es für die Aufhebung eines Leistungsbescheids nicht darauf ankommt, ob Antragstellerinnen ihre Hilfebedürftigkeit darlegen können; vielmehr liegt die Pflicht beim Jobcenter selbst, erforderliche Ermittlungen vorzunehmen.

Pflichten des jobcenters bei der ermittlung von bedarfsgemeinschaften und einkommen

Für eine Verneinung der Hilfebedürftigkeit reicht nicht allein die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft aus; innerhalb dieser Gemeinschaft muss auch ausreichend Einkommen erzielt werden, um den Anspruch auszuschließen. Das Gericht stellte klar heraus: „Es fehlen jegliche Feststellungen dazu, ob tatsächlich eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrem Vermieter besteht.“

Eine Wirtschaftsgemeinschaft setzt mehr voraus als gelegentliche gemeinsame Einkäufe oder geteilte Nutzung von Räumen wie Wohnzimmer oder Küche – etwa gemeinsames Kochen oder Reinigungsarbeiten müssen festgestellt werden. Solche objektiven Anhaltspunkte waren im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben.

Das Jobcenter trägt zudem die Beweislast für seine belastenden Entscheidungen zur Aufhebung des Bürgergeldes und muss bereits im Vorverfahren alle Tatbestandsvoraussetzungen sorgfältig ermitteln sowie dokumentieren. Nur so kann sich der Leistungsberechtigte angemessen gegen den Bescheid verteidigen.

Wenn ein Partner Auskünfte verweigert, darf sich das Jobcenter gemäß § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II direkt an Dritte wenden – etwa den vermeintlichen Partner selbst –, um notwendige Informationen einzuholen beziehungsweise Bußgelder verhängen bzw. Schadensersatz fordern .

Ein Nachschieben neuer Gründe seitens der Behörde in späteren Verfahrensstadien ist unzulässig; dies würde umfangreiche Gerichts-Ermittlungen erforderlich machen und dem Verwaltungsakt einen anderen Wesenskern verleihen.

Gerichtliche maßnahmen gegen rechtswidrige aufhebungsbescheide

Im aktuellen Verfahren ordnete das Landessozialgericht NRW ausdrücklich die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Aufhebungsbescheid in Form eines Widerspruchsbescheides an . Damit bleibt die Leistung bis zu einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung bestehen.

Das Gericht betonte mit deutlichen Worten gegenüber dem Jobcenter: „Erst wenn sämtliche relevanten Umstände wie Existenz einer Wirtschaftsgemeinschaft sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend geklärt sind – idealerweise durch eigene Ermittlungen – , kann über Rechtmäßigkeit des Bescheids entschieden werden.“

Solange diese Voraussetzungen fehlen beziehungsweise ungeklärt bleiben, gilt ein solcher Aufhebungsbescheid als offensichtlich rechtswidrig.

Der Sozialrechtsexperte Detlef Brock weist darauf hin: „Eine Wirtschaftsgemeinschaft ist nicht bereits deswegen anzunehmen, wenn lediglich gelegentlich gemeinsame Einkäufe getätigt werden oder einzelne Gegenstände gemeinsam genutzt werden – etwa Milch für Kaffee –, ohne weitere objektive Anhaltspunkte dafür zu haben.“

Die Mitbenutzung gemeinsamer Räume reicht ebenfalls nicht aus; konkrete Feststellungen zum gemeinsamen Haushaltsführungshandeln sind notwendig aber wurden hier unterlassen beziehungsweise konnten wegen fehlender Beweise auch gar nicht getroffen werden.

Praxishinweise für sozialleistungsträger bei leistungsverweigerung aufgrund mutmaßungen

Sozialleistungsträger dürfen existenzsichernde Leistungen grundsätzlich nicht allein aufgrund bloßer Mutmaßungen verweigern oder einstellen – insbesondere dann nicht, wenn diese Spekulationen vergangene Umstände betreffen, ohne eindeutige Erkenntnisse über aktuelle Lebenslagen des Hilfebedürftigen zu liefern .

Gesetzlich sind Behörden verpflichtet, aktiv Sachverhalte vollständig zu erforschen . Hierzu stehen ihnen zahlreiche Befugnisse offen wie Einholung von Auskünften Dritter einschließlich Arbeitgebern oder Partnern gemäß §§60 ff., SGB II/SGB XII.

Diese Rechtsprechung stärkt somit den Schutz hilfebedürftiger Personen vor willkürlichen Entscheidungen basierend auf unbelegten Verdachtsmomenten seitens der Behörden.

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