Die Deutsche Fußball-Liga und der Deutsche Fußball-Bund haben eine umfassende Änderung bei den Nachspielzeiten in den drei deutschen Profiligen sowie im DFB-Pokal beschlossen. Ziel ist mehr Einheitlichkeit und Transparenz bei der Spielzeitverlängerung.
Einheitliche nachspielzeiten als reaktion auf kritik und internationale vorbilder
In Deutschland wurde die Nachspielzeit bisher weitgehend vom Ermessen des Schiedsrichters bestimmt. Üblicherweise wurden meist pauschal zwei Minuten zusätzlich gespielt, nur in Ausnahmefällen fiel die Verlängerung länger aus. Dieses Vorgehen entsprach einer langjährigen Tradition, die sich an Sepp Herbergers berühmtem Satz orientierte: „Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten plus Nachspielzeit“, wobei diese meist knapp bemessen war.
Mit dem Vorbild der englischen Premier League und internationalen Turnieren wie der FIFA-Weltmeisterschaft 2022 in Katar kam es zu einem Umdenken. Dort gab es beispielsweise im Vorrundenspiel England gegen Iran insgesamt 24 Minuten Nachspielzeit – eine deutliche Abweichung von bisherigen Gepflogenheiten. Die FIFA begründete dies mit dem Ziel, Zeitspiele zu unterbinden und den Spielfluss zu verbessern. Denn anders als bei vielen anderen Mannschaftssportarten wird beim Fußball die Uhr nicht angehalten.
Der Wunsch nach mehr Nettospielzeit – aktuell beträgt sie weniger als 60 Minuten pro regulärem Spiel – spielte laut Knut Kircher, Chef der DFB-Schiedsrichter GmbH, jedoch keine entscheidende Rolle für die Reform. Vielmehr sollte ein Vorwurf vermieden werden: „Wir wollten nicht den Eindruck erwecken, dass es keine Einheitlichkeit gibt“, erklärte Kircher gemeinsam mit Ansgar Schwenken von der DFL am Dienstag in Frankfurt.
Das neue System sieht vor, dass für jedes erzielte Tor sowie jeden genutzten Wechselslot pauschal jeweils 30 Sekunden zur Nachspielzeit addiert werden. Zusätzlich stoppt ein Assistent des Video Assistant Referees Unterbrechungen wie Videochecks, Verletzungsbehandlungen oder Trinkpausen zeitlich ab. Am Ende jeder Halbzeit gibt dieser AVAR dann eine Mindestnachspielzeit an den Feldschiedsrichter weiter.
Bereits an den ersten beiden Spieltagen der zweiten und dritten Liga wurde das Verfahren angewandt: Beim Duell zwischen Kaiserslautern und Schalke kamen so zwölf zusätzliche Minuten in Halbzeit zwei zustande – ein deutlich längerer Zeitraum als bisher üblich.
Auswirkungen auf spielverlauf und medienübertragung
Die neuen Leitlinien gelten unabhängig vom Spielstand auch bei klaren Ergebnissen; dies ist relevant für Ligen wie die zweite Bundesliga, wo Tordifferenzen oft entscheidend sind. So sorgte beim Match zwischen Düsseldorf und Bielefeld eine Anzeige von zehn zusätzlichen Minuten bei einem Stand von 4:1 für Irritationen unter Zuschauern sowie Medienvertretern.
Unklar bleibt derzeit noch die Reaktion des Streamingdienstes DAZN auf längere Nachspielzeiten während der ersten Halbzeit in Bundesliga-Samstagskonferenzen ab dieser Saison. Kürzere Pausen verkürzen potenziell Werbeblöcke während der Halbzeiteinblendungen einer Konferenzübertragung.
Technische unterstützungen für schiedsrichter
Neben Änderungen bei Zeitregelungen erhalten Schiedsrichter vermehrt technische Hilfsmittel zur Unterstützung ihrer Arbeit: Die sogenannte „Refcam“ ist eine kleine Kamera am Headset des Unparteiischen mit Livebildern aus dessen Perspektive. Diese Technik wurde bereits beim DFB-Pokalfinale eingesetzt; künftig sollen solche Bilder auch während laufender Spiele verfügbar sein.
Zudem wird erstmals im deutschen Profifußball halbautomatische Abseitstechnologie eingeführt – bekannt von internationalen Turnieren –, um VAR-Entscheidungen zu erleichtern beziehungsweise zu beschleunigen. Das kamerabasierte System ermittelt automatisch Positionen auf dem Spielfeld sowie Zeitpunkt eines Passes ohne Ball-Chip-Technik; dennoch überprüft am Ende immer noch ein Schiedsrichter das Ergebnis visuell . Dies soll Fehler durch falsche Zuordnung etwa von Armen oder Beinen vermeiden helfen.
Eine weitere Neuerung betrifft einen institutionellen Austausch vor Spielen: Der sogenannte „Handshake-Dialog“ findet etwa 70 Minuten vor Anpfiff statt zwischen dem Schiedsrichterteam sowie Trainern beider Mannschaften inklusive deren Kommunikationsbeauftragten gemäß Kapitänsregelung. Dieser Termin dient dazu, offene Fragen sachlich zu klären ohne emotionale Belastung unmittelbar vor Beginn eines Spiels — so Kircher wörtlich „ein guter nicht-emotionalisierter Zeitpunkt“.
Regelanpassungen zur spielbeschleunigung und konsequenterer ahndung
Sportlich bleiben viele Regeln unverändert; einige Anpassungen zielen jedoch darauf ab, das Tempo weiter anzukurbeln oder Fairness sicherzustellen. Beispielsweise dürfen Torhüter nun bis zu acht Sekunden lang den Ball halten, bevor sie ihn weiterspielen müssen. Bei Überschreitung folgt künftig ein Eckball für das gegnerische Team; zuvor waren sechs Sekunden erlaubt, gefolgt von einem indirekten Freistoß.
Schiedsrichter Florian Badstübner erläuterte zudem neue Auslegungen bestehender Regeln mit Blick auf mögliche Diskussionen: Besonders streng sollen künftig Halteaktionen im Strafraum geahndet werden – selbst wenn diese abseits des Balls stattfinden. Dabei geht es konkret um sogenannte „Umarmungen“, also festhaltende Körperkontakte, welche bislang teilweise toleriert wurden.
Insgesamt zieht Knut Kircher trotz fortwährender Debatten über Handspiele oder häufige VAR-Eingriffe eine positive Bilanz seines ersten Jahres als Leiter der DFB-Schiedsrichter GmbH: Laut seinen Angaben griff das Video-Assistent-System vergangene Saison rund 30 Prozent seltener ein. Dies sei Folge einer Direktive gewesen, Eingriffsschwellen höher anzusetzen statt jede Szene ausführlich am Bildschirm auszuwerten.
Diese Maßnahmen zeigen einen klaren Trend hin zu mehr Transparenz, Einheitlichkeit sowie flüssigerem Ablauf im deutschen Profifußball – sowohl was Zeitmanagement betrifft als auch technologische Unterstützung durch moderne Systeme.