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Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen stärkt kostenübernahme für Gutachten bei GdB-Anträgen

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Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass die Landeskasse die Kosten für ein von der Klägerin beauftragtes Gutachten sowie ihre Beschwerdekosten übernehmen muss. Dieses Urteil betrifft Betroffene, die einen höheren Grad der Behinderung anstreben und dabei auf gerichtliche Unterstützung angewiesen sind.

Entscheidung des landessozialgerichts zur kostentragung bei gutachten nach § 109 sgg

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen entschied zugunsten einer Klägerin aus Duisburg, die einen höheren Grad der Behinderung geltend machte und hierfür ein drittes Gutachten in Auftrag gab. Die Klägerin hatte bereits zwei Gutachten vorgelegt bekommen, welche den GdB mit 40 bewerteten. Nach Einreichung eines unabhängigen dritten Gutachtens durch eine Fachärztin für Psychiatrie wurde ein höherer GdB von 50 vorgeschlagen. Das Gericht stellte klar, dass die Kosten für dieses zusätzliche Gutachten sowie die Beschwerdekosten von der Landeskasse zu tragen sind.

Die Entscheidung basiert auf § 109 Sozialgerichtsgesetz , wonach das Gericht im Ermessen entscheidet, ob Auslagen übernommen werden können. Das LSG betonte in seiner Begründung, dass das dritte Gutachten nicht nur eine spätere Verschlimmerung bestätigte, sondern wesentliche neue Erkenntnisse lieferte und damit maßgeblich zur Sachaufklärung beitrug. Diese Klarstellung stärkt Betroffene darin, notwendige fachärztliche Untersuchungen einzufordern ohne das volle finanzielle Risiko tragen zu müssen.

Die Übernahme der Kosten umfasst sowohl das Honorar des Sachverständigen als auch Anwalts- und Verfahrenskosten im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem Sozialgericht.

Hintergrund zum streitfall: gdb-antrag und unabhängiges gutachten

Die Klägerin aus Duisburg beantragte ursprünglich einen Gesamtgrad der Behinderung von mindestens 50 sowie das Merkzeichen „G“ für erhebliche Beeinträchtigung beim Sozialamt. Zwei vom Sozialgericht eingeholte medizinische Bewertungen ergaben jedoch jeweils nur einen GdB von 40 Punkten. Um ihre Ansprüche weiter zu untermauern, beantragte sie gemäß § 109 SGG ein drittes unabhängiges fachärztliches Gutachten.

Dieses dritte Gutachten bewertete insbesondere psychische Einschränkungen deutlich schwerwiegender als zuvor festgestellt wurde und schlug deshalb den höheren Gesamt-GdB von 50 vor. Der Beklagte akzeptierte daraufhin einen Vergleich mit Wirkung ab Januar 2022 – allerdings lehnte er zunächst ab, auch die Kosten des dritten Gutachtens zu übernehmen.

Das erstinstanzliche Sozialgericht wies den Antrag auf Kostenerstattung zurück mit der Begründung, dass das dritte Gutachten lediglich eine spätere Verschlimmerung bestätige und keine neuen Tatsachen liefere.

Mit seiner Entscheidung hob nun jedoch das Landessozialgericht diese Auffassung auf und erkannte an, dass durch das zusätzliche Sachverständigengutachten relevante Fakten aufgezeigt wurden – Fakten also schon seit Antragstellung im Jahr 2018 bestanden hatten –, welche zuvor falsch bewertet worden waren.

Rechtliche grundlagen zur übernahme von gutachter- und beschwerdekosten

Nach § 109 SGG kann ein Gericht einem Beteiligten erlauben oder anordnen lassen, weitere medizinische oder sonstige Sachverständigengutachten einzuholen oder erstellen zu lassen – wenn dies zur Aufklärung des Streitfalls erforderlich ist. Die Entscheidung über Kostentragung liegt im Ermessen des Gerichts; hier wird zwischen notwendigen Auslagen unterschieden sowie solchen ohne unmittelbaren Einfluss auf den Prozessverlauf.

Das LSG stellte klar: Ein notwendiges Zusatzgutachten gehört ebenso wie Papierkosten oder Dolmetscherhonorare zur sogenannten „Gerichtshaltung“. Dies bedeutet konkret: Wenn es dem Verfahren dient beziehungsweise dessen Klärung fördert oder beschleunigt wird es grundsätzlich bezahlt – in diesem Fall durch die öffentliche Hand bzw. Landeskasse Nordrhein-Westfalen.

Darüber hinaus griffen die Richter analog Regelungen aus Strafprozessordnung beziehungsweise Ordnungswidrigkeitenrecht zurück: Gewinnt eine Partei ihr Verfahren vollständig oder teilweise gilt dort üblicherweise Kostenerstattung inklusive Anwaltsgebühren durch den Staat als Gegenpartei auch dann wenn diese selbst nicht Partei ist – dieser Rechtsgedanke wurde hier ins Sozialrecht übertragen zugunsten einer fairen Prozessführung bei sozialrechtlichen Streitigkeiten um Behinderungsgrade etc.

Praktische folgen des urteils für behinderte menschen und verfahrensstrategien

Für Menschen mit Behinderungen bedeutet dieses Urteil eine deutliche Erleichterung beim Vorgehen gegen Ablehnungen höherer GdB-Bewertungen durch Behörden oder Gerichte: Wer frühzeitig erkennt, dass vorhandene Gerichtsgutachten lückenhaft sind oder Diagnosen unterschätzt wurden, kann nun eher bereit sein, eigenständig weitere fachärztliche Untersuchungen anzustoßen.

Diese Möglichkeit senkt erheblich finanzielle Risiken. Denn bislang mussten viele Betroffene hohe Honorare selbst tragen, was oft abschreckend wirkte. Nun übernimmt zumindest bei Erfolg zumindest teilweise staatlicherseits jemand diese Last.

Zudem erhöht sich dadurch indirekt auch das Druckmittel gegenüber Behörden: Abweichende Einschätzungen unabhängiger Expertinnen erhöhen Vergleichsbereitschaft. So können langwierige Instanzen vermieden werden.

Strategisch lässt sich so frühzeitig besser planen: Wer gezielt nachweist, wo bestehende Bewertungen fehlerhaft sind, kann gerichtliches Verfahren steuern. Dies spart Zeit, Nerven sowie Ressourcen.

Damit gewinnt nicht nur einzelne Person sondern letztlich gesamte Rechtsprechungslandschaft mehr Transparenz hinsichtlich korrekter Behindertenbewertung.

Empfehlungen vor beantragung eines weiteren gutachtens nach § 109 sgg

Vor Beantragung eines zusätzlichen Sachverständigengutachtens empfiehlt sich sorgfältige Prüfung vorhandener Unterlagen: Wo bestehen erkennbare Defizite? Fehlen wichtige Diagnosen? Werden bestimmte Einschränkungen möglicherweise unterschätzt?

Wichtig ist zudem Auswahl geeigneter Fachdisziplin: Das neue Experten-Gutachten sollte andere Perspektiven bieten als bisher verwendete; etwa psychiatrische Begutachtung statt rein somatischer Untersuchung wie im entschiedenen Fall aus NRW gezeigt wurde.

Unabhängigkeit spielt ebenfalls zentrale Rolle: Benennen Sie möglichst Expertinnen bzw. Experten ohne vorherige Tätigkeit für beteiligte Behörden / Gerichte um Interessenkonflikte auszuschließen.

Nur so lässt sich sicherstellen, dass neues medizinisches Ergebnis glaubwürdig ist; dies erhöht Chancen auf Anerkennung durch Gericht bzw. Gegenseite erheblich.

Diese Punkte helfen dabei, Antrag gemäß § 109 SGG erfolgreich vorzubereiten; unnötige Verzögerungen vermeiden; Prozesschancen verbessern.

Bedeutung des urteilsspruchs über schwerbehindertenrecht hinausgehend

Der Beschluss hat weitreichende Bedeutung über Schwerbehindertenrecht hinaus. Auch in anderen sozialrechtlichen Bereichen wie Renten-, Pflege- oder Erwerbsminderungsverfahren gewinnen ergänzende ärztliche Stellungnahmen zunehmend an Bedeutung. Hier können sie entscheidend sein um Leistungsansprüche korrekt festzustellen bzw. anzupassen.

Für Bürgergeld-Beziehende bringt jeder zusätzliche Punkt beim Grad der Behinderung konkrete Vorteile: Höhere Vermögensfreibeträge erleichtern finanziellen Spielraum; Mehrbedarfe wegen behinderungsbedingter Ernährung sichern angemessene Versorgung abseits regulärer Regelsätze usw.

Somit trägt dieses Urteil dazu bei, soziale Teilhabe behinderter Menschen nachhaltig zu verbessern indem bürokratische Hürden reduziert werden. Es schafft Rechtssicherheit bezüglich Finanzierung notwendiger medizinischer Expertise innerhalb sozialer Streitverfahren aller Art.

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