Die kulinarischen Differenzen zwischen dem italienischsprachigen und dem englischsprachigen Raum sorgen immer wieder für hitzige Diskussionen. Besonders ein Nudelgericht, das klassische römische „Cacio e pepe“, steht aktuell im Zentrum eines Streits zwischen Großbritannien und Italien.
Die entstehung des streits um cacio e pepe in großbritannien
Der jüngste Konflikt begann mit der Veröffentlichung eines Rezeptes für „Cacio e pepe“ auf einer Webseite, die bis vor Kurzem zur BBC gehörte. Das Gericht wurde dort als „easy, speedy lunch“ beworben – eine Beschreibung, die in Italien auf Unverständnis stieß. Für viele italienische Kenner ist eine gute Zubereitung von Cacio-e-pepe-Gerichten zeitintensiv und erfordert Sorgfalt bei der Auswahl der Zutaten sowie bei der Kochtechnik.
Der eigentliche Streitpunkt war jedoch die vorgeschlagene Verwendung von Parmesan anstelle des traditionellen Pecorino-Käses sowie das Hinzufügen von Butter. Diese Abweichungen vom Originalrezept wurden von italienischen Medien wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Rai scharf kritisiert. Laut Rai habe das Gericht dadurch nichts mehr mit dem römischen Original zu tun; vielmehr erinnere es an Pasta Alfredo – ein völlig anderes Gericht mit einer eigenen Geschichte.
Die Debatte erreichte sogar diplomatische Ebenen: Der Präsident des Branchenverbandes Federazione italiana degli esercenti pubblici e turistici Confesercenti Roma soll ein Protestschreiben an den britischen Botschafter geschickt haben. Dieses Vorgehen verdeutlicht, wie emotional und ernsthaft manche Italiener ihre kulinarische Tradition verteidigen.
Tradition versus moderne küchenpraxis in italien und england
Die Diskussion um Cacio e pepe ist kein Einzelfall: Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen über vermeintliche Verfälschungen klassischer Gerichte durch internationale Interpretationen oder Anpassungen an lokale Geschmäcker. Dabei wird oft die Frage nach Authentizität gestellt – was gehört wirklich zum traditionellen Rezept?
In Italien selbst gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie streng man Traditionen folgen sollte. So hatte etwa der Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida vor zwei Jahren eine Taskforce vorgeschlagen, welche die traditionelle Zubereitung italienischer Speisen überwachen sollte – dieser Vorschlag fand jedoch keine Mehrheit.
Historiker weisen zudem darauf hin, dass viele heute als typisch italienisch geltende Gerichte erst durch äußere Einflüsse populär wurden: Der Wirtschaftswissenschaftler Alberto Grandi zeigt in seinem Buch Mythos Nationalgericht, dass Spaghetti Carbonara erst durch US-amerikanische Soldaten im Zweiten Weltkrieg weite Verbreitung fanden.
Im Vereinigten Königreich wiederum gibt es zahlreiche Beispiele für kreative Fusionen aus britischer und mediterraner Küche. So bot das inzwischen geschlossene Café „Britaly“ in London zum Full British Breakfast auch ungewöhnliche Kombinationen wie Fenchelwurst aus Italien oder frittierte Pizzateigstücke an – ein Zeichen dafür, dass kulinarische Grenzen fließend sind.
Aktuelle situation der italienischen gastronomie im vereinigten königreich
Trotz einiger Rückschläge existiert weiterhin eine lebendige Szene exzellenter italienischer Köche im Vereinigten Königreich. Die Schließung bekannter Lokale wie „Jamie’s Italian“ zeigt zwar wirtschaftliche Herausforderungen auf; dennoch bleibt London ein Zentrum vielfältiger gastronomischer Angebote mit starkem Bezug zur mediterranen Küche.
Das Erbe römischer Kultur spiegelt sich auch heute noch wider: Die Stadt Londinium wurde vor rund 2 000 Jahren von den Römern gegründet und verbindet somit historische Wurzeln mit moderner Vielfalt.
In diesem Kontext erscheint das Festhalten an strengen Rezeptvorgaben weniger praktikabel als vielmehr Ausdruck kultureller Identitätssicherung seitens Italiens gegenüber internationalen Adaptionen ihrer Küche. Viele Köche und Genießer sehen darin keinen Widerspruch zur kreativen Weiterentwicklung klassischer Gerichte.
Wer möchte, kann seine Carbonara also durchaus mit Sahne zubereiten oder Butter hinzufügen – sei es aus Geschmacksvorliebe oder als bewusster Bruch mit vermeintlicher Supremacy-Debatte rund um authentisches Essen. Kulinarik bleibt so stets wandelbar zwischen Traditionserhalt und Innovation zugleich.