Die Bekämpfung von Schwarzarbeit bleibt eine zentrale Herausforderung für Bund und Länder. Finanzminister Lars Klingbeil und Arbeitsministerin Bärbel Bas besuchten eine Baustelle in Berlin, um sich vor Ort einen Eindruck von den Kontrollen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zu verschaffen.
Einsatz der finanzkontrolle schwarzarbeit auf berliner baustelle
Am 06.08.2025 rückten rund 100 Kontrolleure der Finanzkontrolle Schwarzarbeit mit Blaulicht und fast zwei Dutzend weiß-blauen Fahrzeugen zu einer Baustellenprüfung in Berlin aus. Die Einsatzkräfte trugen stichsichere Westen sowie grellgelbe Überzieher mit dem Schriftzug „Zoll“. Die Kontrolle erfolgte verdachtsunabhängig, was bedeutet, dass sie ohne konkreten Hinweis stattfand – ein überraschender Schritt für die dort tätigen Arbeiter.
Begleitet wurden die Zollbeamten von zahlreichen Journalisten sowie den beiden SPD-Bundesministern Lars Klingbeil und Bärbel Bas . Diese wollten sich persönlich über den Ablauf einer solchen Baustellenkontrolle informieren. Der Einsatzleiter, Ronny Tillmann, erläuterte zunächst die Schwerpunkte der Prüfung: Es wird kontrolliert, ob alle Beschäftigten Sozialversicherungsbeiträge zahlen, ob Personen arbeitslos gemeldet sind und dennoch arbeiten oder ob illegale Beschäftigungsverhältnisse bestehen. Auch wird überprüft, ob Mindestlöhne eingehalten werden – diese variieren je nach Berufsgruppe wie Elektriker oder Gerüstbauer.
Ministerin Bas zeigte sich aufmerksam gegenüber diesen Details. Nach dem Briefing begaben sich beide Minister direkt auf das Gelände zur praktischen Begleitung des Kontrollvorgangs.
Schutzfunktion für arbeitnehmer
Tillmann betonte dabei auch die Schutzfunktion der Kontrollen für Arbeitnehmer: „Wir wollen ja, dass die ihren Lohn bekommen, auf den sie einen Anspruch haben.“ Auf dieser Baustelle gab es keine Hinweise auf Verstöße; es handelte sich um eine Zufallsprüfung ohne vorherige Verdachtsmomente.
Finanzielle folgen von schwarzarbeit für staat und sozialversicherungen
Schwarzarbeit verursacht jährlich erhebliche Einnahmeverluste beim Fiskus sowie bei Sozialversicherungsträgern. Im Jahr 2024 stellte der Zoll bundesweit Schäden in Höhe von rund 766 Millionen Euro fest; davon entfielen allein 369 Millionen Euro auf das Baugewerbe – eine Branche mit besonders hoher Dunkelziffer.
Die verhängten Strafgelder lagen deutlich niedriger bei etwa 30 Millionen Euro im gleichen Zeitraum. Experten gehen jedoch davon aus, dass diese Zahlen nur einen Bruchteil des tatsächlichen Ausmaßes abbilden.
Der Wirtschafts- und Sozialforscher Dominik Enste vom Institut der deutschen Wirtschaft beschäftigt sich seit zwanzig Jahren mit dem Thema Schwarzarbeit in Deutschland. Er schätzt anhand anonymer Befragungen sowie Hochrechnungen die Zahl nicht gemeldeter Erwerbstätiger auf mehr als 3,3 Millionen Menschen im Land.
Enste beziffert den Umsatzverlust durch Schwarzarbeitspraktiken für Unternehmen hierzulande jährlich auf bis zu 500 Milliarden Euro; dem Staat entgehen dadurch etwa 16 Milliarden Euro an Steuern und Sozialabgaben pro Jahr – enorme Summen also.
Gleichzeitig weist er darauf hin: „Ein Land ganz ohne Schattenwirtschaft gibt es nicht.“ Eine vollständige Eliminierung sei unrealistisch; vielmehr gehe es darum, das Problem einzudämmen und kontrollierbar zu machen.
Gesetzliche maßnahmen zur eindämmung von schwarzarbeit ab 2028
Das geplante Gesetz zur Bekämpfung von Schwarzarbeit soll ab dem Jahr 2028 Mehreinnahmen des Bundes in Höhe von rund zwei Milliarden Euro generieren. Dies ist Teil eines umfassenden Maßnahmenpakets zur Stärkung behördlicher Kontrollbefugnisse sowie verbesserter Datenanalysen zwischen Behörden wie Zollämtern oder Jobcentern.
Im Rahmen des Besuchs erklärte Einsatzleiter Tillmann abschließend das Vorgehen vor Ort: Nach theoretischer Einführung begleiteten Minister Klingbeil und Ministerin Bas persönlich einzelne Prüfungen am Bauobjekt in Berlin über etwa fünfzehn Minuten hinweg bevor sie wieder abreisten.
Tillmann berichtete zudem über positive Erfahrungen hinsichtlich Kooperationsbereitschaft vieler Arbeiter während solcher Kontrollen: „Viele wollen gar nicht entziehen.“ Die Prüfungen dienen auch dazu sicherzustellen, dass Arbeitnehmer ihre Ansprüche durchsetzen können ohne ausgebeutet zu werden – ein wichtiger Aspekt neben reiner Rechtsdurchsetzung gegen Arbeitgeberverstöße. Er warnt zugleich davor, voreilige Schlüsse zu ziehen angesichts fehlender Hinweise vor Ort an diesem Tag; es handelt sich um Stichprobenprüfungen im Rahmen routinemäßiger Überwachungstätigkeiten des Zolls.
Eine wesentliche Neuerung sieht das Gesetz darin vor, weitere Branchen verpflichtend unter Personalausweispflicht bei Arbeitseinsätzen zu stellen. Neben klassischen Bereichen wie Baugewerbe sollen künftig auch Barbershops, Kosmetik- oder Nagelstudios verstärkt kontrolliert werden. Dort müssen Beschäftigte dann stets ihren Ausweis bereithalten, um Identitätsprüfungen unkompliziert durchführen zu können.
Zur Unterstützung dieser Maßnahmen plant das Bundesfinanzministerium Investitionen fast einer halben Milliarde Euro innerhalb vier Jahren. Damit sollen Personalaufstockung, technische Modernisierung insbesondere Digitalisierung bestehender Abläufe gefördert werden.
Die Zollgewerkschaft kritisiert allerdings noch vorhandene Defizite: Viele Prozesse liefen weiterhin papiergebunden ab. Sie fordert dringend bessere digitale Vernetzung aller beteiligten Stellen, damit neue Befugnisse effektiv genutzt werden könnten.
Auf der Berliner Baustelle waren tatsächlich einige Kontrolleure noch mit Klemmbrettern unterwegs, während andere bereits elektronische Geräte nutzten. Ergebnisse einzelner Prüfungen liegen meist erst nach Tagen vor, da umfangreiche Datenabgleiche notwendig sind.
Herausforderungen bei bekämpfung illegaler beschäftigung trotz gesetzesreformen
Trotz neuer Gesetze bleibt die vollständige Beseitigung illegaler Beschäftigung schwierig. Forscher Enste verweist darauf, dass private Haushalte oft schwer zugänglich seien: Rund 90 Prozent aller Haushaltshilfen seien nicht angemeldet; Behörden könnten kaum Wohnungen durchsuchen um Verstöße aufzudecken.
Auch Kleinunternehmer oder private Handwerker würden häufig nur teilweise offiziell abrechnen, was behördliche Ermittlungen erschwere. Dennoch gelte Deutschland insgesamt als vergleichsweise steuermoralisch gut ausgestattetes Land; dies helfe dabei, großflächige Schattenwirtschaft einzudämmen:
„Man muss vermeiden, dass man italienische Verhältnisse bekommt, wo Bürger Staat als Gegner sehen“, so Enste wörtlich.
Vor Ort berichteten Beamte zudem über häufige Fälschungsversuche polnischer Dokumente zwecks Vortäuschens legaler EU-Arbeitserlaubnis. Auf Nachfrage bestätigte ein Mitarbeiter: „Es gibt sehr gute Fälschungen, aber auch schlechte für wenige hundert Euro.“
Nach Verabschiedung durch das Kabinett am selben Tag befindet sich nun der Entwurf zum sogenannten Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz im parlamentarischen Verfahren; bis zum endgültigen Beschluss durch den Bundestag kann es mehrere Monate dauern.