Die Diskussion um die Entfernung der Granitfigur „Store Havfrue“ vor der Festung Dragør bei Kopenhagen hat eine breite Debatte über Kunst, Kultur und die Darstellung weiblicher Körper ausgelöst. Die Skulptur wurde 2006 als größere Schwester der berühmten „Kleinen Meerjungfrau“ errichtet und steht seit 2018 nicht mehr an ihrem ursprünglichen Standort.
Geschichte und bedeutung weiblicher figuren in der kunst
Seit Jahrtausenden beschäftigen sich Menschen mit der Darstellung des weiblichen Körpers in Kunstwerken. Ein frühes Beispiel ist die sogenannte Venus von Willendorf, eine etwa 30 000 Jahre alte Kalksteinfigur mit betonten Brüsten und Schenkeln sowie einem Kopf, der von einer Art Strickmütze bedeckt ist. Diese Figur symbolisiert vermutlich Fruchtbarkeit oder Weiblichkeit, doch ob sie alle Frauen jener Zeit repräsentierte, bleibt unklar.
Die angemessene Wiedergabe weiblicher Anatomie war schon immer ein kontroverses Thema. Schönheit wird oft als subjektiv angesehen, doch diese Sichtweise konnte Debatten über Skulpturen verhindern, die als missraten oder respektlos empfunden wurden. Solche Werke lösen regelmäßig Diskussionen aus – sei es wegen ihrer Proportionen oder ihrer Wirkung auf gesellschaftliche Vorstellungen von Weiblichkeit.
Im Laufe der Geschichte spiegeln Frauenskulpturen häufig kulturelle Werte wider oder provozieren durch ihre Gestaltung unterschiedliche Reaktionen. Dabei reicht das Spektrum von Verehrung bis zu Kritik an Übersexualisierung oder Stereotypisierung des weiblichen Körpers. Die Frage nach dem Einfluss solcher Darstellungen auf das Selbstbild von Frauen bleibt zentral für viele künstlerische und gesellschaftliche Diskurse.
Entstehung und kontroverse um die skulptur „Store Havfrue“
Die Store Havfrue entstand im Jahr 2006 auf Initiative von Peter Bech, Marketingdirektor der Kopenhagener Langelinie-Promenade. Sie wurde bei einer chinesischen Firma gefertigt und sollte als größere Schwester zur bekannten Statue Kleine Meerjungfrau dienen – letztere gilt vielen Touristen als zu klein für Fotos oder Besichtigungen.
Mit einem Gewicht von 14 Tonnen besteht die Figur aus Granit und war ursprünglich vor der Seefestung Dragør im Südosten Kopenhagens platziert worden. Dort stand sie bis zum Jahr 2018; danach wurde sie rund 15 Kilometer entfernt aufgestellt.
Der Grund für ihre erneute Entfernung lautete offiziell: Die Skulptur passe nicht „in das kulturhistorische Umfeld“ dieser alten Festungsanlage. Diese Begründung führte zu intensiven öffentlichen Debatten zwischen Befürwortern sowie Gegnern des Werks in den dänischen Medien.
Der Kunstkritiker Mathias Kryger bezeichnete das Werk in Politiken als „hässlich und pornografisch“. Eine Pastorin namens Sørine Gotfredsen schrieb in Berlingske Tidende, dass eine solche Statue den feuchten Traum eines Mannes darstelle – womit sie bezweifelte, dass viele Frauen ihren eigenen Körper dadurch akzeptieren könnten.
Dem gegenüber verteidigte Aminata Thrane vom Meinungsressort derselben Zeitung die Proportionen: „Müssen nackte weibliche Brüste eine bestimmte akademische Form und Größe haben, um in der Öffentlichkeit gezeigt werden zu dürfen?“ fragte sie damit nach gesellschaftlichen Normen zur Darstellung des Körpers im öffentlichen Raum.
Bewertung des werks aus kunstkritischer sicht
Ein nüchterner Blick auf die Skulptur zeigt jedoch Gründe für ihre Entfernung jenseits politischer Überlagerungen auf. Das Werk wirkt klobig, grob gearbeitet sowie unfertig – Eigenschaften, welche Kritiker wie Mathias Kryger bestätigen können.
Pornografisch erscheint es nur insofern, als es ein seelenloses Industrieprodukt ohne künstlerische Tiefe ist; vielmehr handelt es sich um eine spekulative Tourismusmaßnahme ohne ästhetischen Anspruch oder kulturellen Wertigkeit im engeren Sinne.
Diese Einschätzung verdeutlicht auch den Unterschied zwischen authentischer Kunst mit Ausdruckskraft einerseits sowie kommerziell motivierten Objekten andererseits – letztere sind oft reine Massenware ohne nachhaltige Bedeutung für Kulturgeschichte oder Gesellschaftskritik.
Sollte jemand diese Figur dereinst ausgraben wie einst prähistorische Statuetten wie jene Venus-Figur von Willendorf wird er sich vermutlich wundern über damalige Schönheitsideale beziehungsweise deren Abwesenheit bei manchen Menschen unserer Zeitrechnung im frühen 21. Jahrhundert.