Das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschied am 9. Dezember 2021 über den Antrag eines Beschäftigten, dessen Grad der Behinderung von 40 auf 50 erhöht werden sollte. Trotz dauerhafter Schmerzen und weiterer gesundheitlicher Beschwerden sah das Gericht keine ausreichenden Veränderungen für eine Höherstufung.
Urteil des landessozialgerichts zur höherstufung des gdb
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg wies den Antrag eines Mannes Mitte 40 ab, der eine Erhöhung seines Grades der Behinderung von bisher 40 auf mindestens 50 beantragt hatte. Der Kläger leidet unter chronischen Rückenschmerzen, einer leichten Depression sowie weiteren Erkrankungen wie Asthma, Bluthochdruck und Nierensteinen. Ziel war die Anerkennung als schwerbehindert im Sinne des § 2 SGB IX, was einen GdB von mindestens 50 voraussetzt.
Das Gericht berücksichtigte die medizinischen Befunde und stellte fest, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers nicht in einem Maße verschlechtert habe, das eine Anhebung rechtfertigen würde. Bildgebende Verfahren zeigten zwar Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule, jedoch ohne relevante Bewegungseinschränkungen oder neurologische Ausfälle. Die Depression wurde als leicht bis mittelgradig eingestuft und erfüllte nicht die Kriterien für einen GdB von mindestens 50 gemäß den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen . Auch Asthma, Bluthochdruck und Nierensteine wurden jeweils nur als leicht ausgeprägt bewertet.
Ein wesentlicher Aspekt war die aktive Lebensführung des Klägers: Er arbeitet Vollzeit, betreibt regelmäßig Sportarten wie Fußball, Radfahren und Skifahren sowie führt seinen Haushalt selbstständig. Diese Faktoren wertete das Gericht als Hinweis darauf, dass seine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben kaum eingeschränkt ist.
Bereits zuvor hatte das Sozialgericht Reutlingen dem Antrag widersprochen . Beide Instanzen legten dem Kläger zudem seine außergerichtlichen Kosten auf.
Bedeutung aktiver lebensführung bei bewertung des gdb
Die Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung einer aktiven Lebensgestaltung bei der Bewertung eines Grades der Behinderung durch Gerichte in Deutschland. Ein Vollzeitjob sowie regelmäßige sportliche Betätigung können vor Gericht als Indizien dafür gewertet werden, dass keine gravierenden funktionellen Einschränkungen vorliegen – auch wenn subjektiv erhebliche Schmerzen oder psychische Belastungen bestehen.
Der Gesetzgeber verlangt für eine Neufeststellung eine Mindeständerung um zehn Punkte beim GdB gegenüber dem bisherigen Bescheid. In diesem Fall sahen die Richter keine „wesentliche Änderung“ im Gesamtzustand des Klägers gegeben.
Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze definieren klare Kriterien zur Einstufung psychischer Störungen: Für einen GdB von mindestens fünfzig müssen schwere psychische Erkrankungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsproblemen vorliegen – was hier nicht bestätigt wurde.
Diese Praxis führt dazu, dass subjektive Leiden oft nur dann anerkannt werden können, wenn sie durch objektive Befunde belegt sind oder zu deutlichen Einschränkungen in Alltag und Beruf führen. Das Urteil zeigt somit exemplarisch den hohen Nachweisdruck für Betroffene chronischer Krankheiten mit komplexen Symptomen wie Schmerzsyndromen oder psychosomatischen Begleiterkrankungen.
Empfehlungen zur verbesserung chancen bei gdb-anträgen
Betroffene sollten ihre Chancen auf Anerkennung einer höheren Schwerbehinderung systematisch verbessern: Ein genau geführtes Schmerz- und Aktivitätstagebuch dokumentiert Art sowie Intensität täglicher Beschwerden präzise über längere Zeiträume hinweg. Dies erleichtert späteren Gutachtern die Einschätzung objektiver Funktionsbeeinträchtigungen erheblich.
Fachärztliche Diagnosen sind unerlässlich; frühzeitig sollten Berichte aus Rehabilitationsmaßnahmen eingeholt werden ebenso wie psychiatrische Gutachten bei seelischen Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen – diese müssen fachärztlich diagnostiziert sein und idealerweise behandelt werden.
Darüber hinaus ist es wichtig zu zeigen beziehungsweise nachzuweisen, welche konkreten Teilhabeeinschränkungen bestehen: Fehlzeiten im Beruf aufgrund gesundheitlicher Probleme oder notwendige Unterstützung im Haushalt etwa durch Angehörige sind relevante Aspekte gegenüber Behörden beziehungsweise Gerichten.
Ein erneuter Antrag auf Höherstufung sollte erst gestellt werden nach Vorliegen aktueller medizinischer Befunde mit messbaren Verschlechterungen – beispielsweise MRT-Bildern oder Krankenhausberichten –, um Erfolgsaussichten zu erhöhen und unnötige Ablehnungsverfahren zu vermeiden.
Kritik an versorgungsmedizinischen grundsätzen bei komplexer belastungslage
Kritiker bemängeln seit Langem hohe Hürden für chronisch kranke Menschen trotz spürbarer Beeinträchtigungen im Alltag durch starre Vorgaben in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen . Diese bundesweit geltenden Tabellen sollen vergleichbare Entscheidungen gewährleisten; dennoch bilden sie häufig langwierige Leidensprozesse unzureichend ab – insbesondere schleichende Veränderungen etwa bei Schmerzsyndromen bleiben oft unberücksichtigt.
Dass sportliche Aktivitäten oder ein notwendiger Arbeitsplatz gegen eine höhere Einstufung sprechen können führt Betroffene in ein Dilemma: Wer trotz Schmerzen aktiv bleibt zum Erhalt seiner Beweglichkeit oder aus wirtschaftlichen Gründen arbeitet riskiert schlechtere Anerkennung seiner Einschränkungen vor Behörden beziehungsweise Gerichten.
Zudem fordern Fachverbände seit Jahren mehr Raum für psychosomatische Zusammenhänge innerhalb dieser Regelwerke sowie nachvollziehbare Kriterien speziell für Schmerzsyndrome mit Mehrfachbelastungslagen einzubeziehen statt ausschließlich organbezogene Defizite heranzuziehen.
Hilfeangebote zur sozialrechtlichen unterstützung betroffener
Für Menschen mit Behinderungsanträgen bieten unabhängige Sozialrechtsberatungsstellen wichtige Unterstützungsmöglichkeiten an: Verbände wie VdK sowie SoVD beraten umfassend zu Ansprüchen rund um Schwerbehinderung inklusive Widerspruchsverfahren bis hin zur gerichtlichen Vertretung ihrer Mitglieder falls erforderlich.
Widersprüche gegen ablehnende Bescheide müssen innerhalb eines Monats schriftlich eingereicht werden; danach besteht noch einmal ein Monat Frist zum Gang vors Sozialgericht nach Eingang eines Widerspruchsbescheids.
Wer kein Mitglied solcher Verbände ist kann Prozesskostenhilfe beantragen sofern finanzielle Mittel begrenzt sind; dies ermöglicht Zugang zum gerichtlichen Verfahren ohne hohe eigene Kostenrisiken.
Eine sorgfältige Dokumentation aller Beschwerden kombiniert mit professioneller Beratung erhöht deutlich Chancen auf erfolgreiche Durchsetzung berechtigter Ansprüche beim Grad der Behinderung auch unter schwierigen Voraussetzungen.