Seit Wochen häufen sich Berichte über GPS-Störungen auf der Ostsee, die besonders für Freizeitboote eine erhebliche Gefahr darstellen. Die schwedische Schifffahrtsbehörde warnt vor großflächigen Ausfällen und Manipulationen, die vermutlich von Russland ausgehen.
Zunahme von GPS-störungen in der Ostsee und Auswirkungen auf die schifffahrt
Die Ostsee erlebt seit mehreren Monaten eine deutliche Zunahme von Störungen bei Satellitennavigationssystemen . Betroffen sind weite Teile des Meeresgebiets, darunter die südöstliche Ostsee, das Kattegat sowie der Finnische Meerbusen. Die schwedische Schifffahrtsbehörde veröffentlichte im Juni 2025 eine offizielle Warnung für alle Seefahrer in diesem Gebiet. Digitale Karten und Navigationshilfen zeigen falsche Positionen an oder verlieren das Signal vollständig. Dies erhöht das Risiko von Grundberührungen oder Kollisionen erheblich.
Besonders gefährdet sind Freizeitboote, da sie häufig nicht über redundante Navigationssysteme verfügen. Für professionelle Schiffe ist es zwar ebenfalls problematisch, doch sie können meist auf alternative Systeme zurückgreifen oder verfügen über erfahrene Besatzungen mit klassischer Navigationserfahrung. Die Störungen beeinträchtigen aber auch Rettungseinsätze: Johan Mårtensson von der Schwedischen Gesellschaft für Seenotrettung berichtet vom Ausfall des GPS-Signals während eines Einsatzes nahe Skillinge in Südschweden. „Als ich dann versuchte, die Position des Havaristen zu bestimmen, ging das nicht“, sagt Mårtensson.
Diese Vorfälle zeigen eindrücklich den Ernst der Lage: Ohne verlässliche Positionsdaten wird jede Navigation zur Herausforderung – insbesondere bei schlechten Sichtverhältnissen oder komplexem Seegebiet.
Ursachen für gps-störungen: spoofing, jamming und natürliche einflüsse
GPS-Ausfälle können verschiedene Ursachen haben. Neben natürlichen Faktoren wie Sonnenstürmen oder geophysikalischen Gegebenheiten spielen gezielte Störmaßnahmen eine immer größere Rolle. Jonas Franzen von der schwedischen Schifffahrtsbehörde erklärt den Unterschied zwischen Spoofing und Jamming: Beim Spoofing werden GNSS-Signale manipuliert, sodass dem Nutzer falsche Positionsinformationen angezeigt werden – er glaubt also an einem anderen Ort zu sein als tatsächlich vorhanden.
Jamming hingegen bedeutet das Überlagern des Signals durch starke Störsender bis zum völligen Ausfall des Empfangsgerätes. Beide Methoden führen dazu, dass Navigationsgeräte unbrauchbar werden oder falsche Daten liefern.
Natürliche Ursachen allein gelten angesichts der Häufung seit Frühjahr 2025 als unwahrscheinlich – denn solche Ereignisse treten normalerweise sporadisch auf und sind wetterabhängig messbar gewesen; aktuell jedoch nehmen die Störfälle unabhängig vom Wetter deutlich zu.
Vermutete verantwortlichkeit russlands im kontext geopolitischer spannungen
Die schwedische Behörde geht davon aus, dass jemand aktiv hinter den massiven Störungen steckt: „Im Normalfall stellen wir diese regelmäßig fest“, so Franzen weiter; „jetzt ist es plötzlich deutlich mehr geworden.“ Konkrete Spekulationen vermeidet man offiziell jedoch bewusst.
Der Verteidigungsexperte Hans Liwång von der Schwedischen Militärakademie ordnet diese Entwicklung klar als mögliche militärische Maßnahme ein: „Vieles deutet darauf hin, dass Russland dahintersteckt.“ Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben sich ähnliche Probleme auch in der Luftfahrtregion über der Ostsee gehäuft – täglich treten dort inzwischen GPS-Störungen auf.
Während 2018 noch weniger als 100 Fälle gemeldet wurden laut Europäischer Agentur für Flugsicherheit , stieg diese Zahl bis 2023 auf mehr als 10 000 an – mit weiter steigender Tendenz seither. Behörden aus Litauen und Estland bestätigten bereits Anfang 2024 gegenüber Medienanfragen entsprechende Aktivitäten aus dem russischen Kaliningrader Gebiet heraus.
Liwång betont zudem: „Die Ostsee ist direkt betroffen durch Spannungen zwischen Russland und dem Westen.“ Diese geopolitische Dimension macht klare Sicherheitsrisiken sichtbar – sowohl zivil wie militärisch relevant –, was internationale Aufmerksamkeit erfordert.
Empfehlungen zur sicheren navigation trotz gestörter satellitensignale
Angesichts dieser Situation appelliert die schwedische Schifffahrtsbehörde an alle Seefahrer zur erhöhten Wachsamkeit bei Navigation im gesamten Ostseeraum. Digitale Karten sollten niemals isoliert verwendet werden; stattdessen empfiehlt man ergänzende Methoden wie Radar-Navigation sowie klassische Instrumente wie Kompass oder visuelle Peilungen am Horizont beziehungsweise Landmarken entlang Küstenlinien einzusetzen.
Regelmäßige manuelle Kontrollen helfen dabei entscheidend mitzuhelfen sicherzustellen, dass angezeigte Positionen korrekt bleiben beziehungsweise Abweichungen frühzeitig erkannt werden können. Unverzichtbar bleibt zudem das Mitführen aktueller Papierseekarten zum Auffinden eigener Position ohne elektronische Hilfsmittel im Notfall sowie kontinuierliches Informieren über aktuelle Navigationswarnungen via UKW-Funkkanal oder offizielle Webseiten zuständiger Behörden vor Fahrtantritt bzw während längerer Aufenthalte unterwegs auf See.
Für viele Freizeitkapitäne stellt dies einen Paradigmenwechsel dar: Das Vertrauen ausschließlich digitaler Kartensysteme birgt derzeit ein hohes Risiko aufgrund möglicher Täuschungsmanöver durch Spoofing-Angriffe oder Signalunterbrechungen infolge Jamming-Techniken am Boden nahe Küstenregionen bzw Schiffsrouten innerhalb stark frequentierter Gewässerabschnitte rund um Skandinavien bis ins Baltikum hinein.
Ein Umdenken hin zu einer Kombination klassischer nautischer Fähigkeiten mit moderner Technik erscheint daher wichtiger denn je – um Sicherheit beim Befahren dieses sensiblen maritimen Raums gewährleisten zu können unter Bedingungen zunehmender elektronischer Bedrohungslagen in einem politisch angespannten Umfeld Europas nördlicher Meere.