Die politische Lage in Thailand ist nach dem Sturz von Premierministerin Paetongtarn Shinawatra angespannt. Die Eskalation des Grenzkonflikts mit Kambodscha verschärft die Krise, während das Land weiterhin unter strukturellen Machtkämpfen zwischen Militär, Monarchie und demokratischen Kräften leidet.
Eskalation des grenzkonflikts zwischen thailand und kambodscha
Der jüngste Konflikt zwischen Thailand und Kambodscha begann Mitte Juni 2025 mit einem Telefonat zwischen der thailändischen Premierministerin Paetongtarn Shinawatra und dem ehemaligen kambodschanischen Regierungschef Hun Sen. Beide Länder streiten seit über 100 Jahren um den Verlauf ihrer rund 800 Kilometer langen Grenze. Dieser alte Grenzstreit hatte sich zuletzt wieder zugespitzt und führte zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.
Am Donnerstag kam es zu Schusswechseln an der Grenze, woraufhin das thailändische Militär Kampfjets gegen die kambodschanische Armee einsetzte. Die Reaktion aus Kambodscha erfolgte mit Artilleriefeuer, das auch Wohngebiete traf. Zahlreiche Todesopfer wurden gemeldet, was die Lage weiter verschärfte.
Das Telefonat wurde später geleakt: In der Aufnahme bezeichnete Paetongtarn ihren politischen Gegner Hun Sen als „Onkel“ – eine ungewöhnliche Vertraulichkeit –, während sie ihren eigenen regionalen Armeechef als „Gegner“ titulierte. Diese Äußerungen führten zu einem politischen Skandal in Thailand, da das Militär traditionell eine bedeutende Rolle im Land spielt.
Infolge der Veröffentlichung forderten Tausende Demonstrierende in Bangkok den Rücktritt von Paetongtarn Shinawatra. Eine Koalitionspartei verließ daraufhin die Regierung, zudem suspendierte das Verfassungsgericht die Premierministerin vorläufig bis zum Abschluss eines Ermittlungsverfahrens im Herbst 2025.
Nach weniger als einem Jahr Amtszeit gilt ihre Regierung als gescheitert; wie es politisch weitergeht bleibt offen.
Wiederkehrende politische instabilität in thailand
Die aktuelle Krise ist kein Einzelfall für Thailand: In den vergangenen fünf Jahrzehnten gab es bereits 35 verschiedene Premierminister oder Interimsregierungen – ein Zeichen für tiefgreifende strukturelle Probleme im politischen System des Landes. Der Politikwissenschaftler Pavin Chachavalpongpun, der am Zentrum für Südostasienstudien an der Universität Kyoto lehrt, beschreibt Thailand als ein Land ohne stabile Führungsspitze.
Er kritisiert insbesondere Paetongtarns Äußerungen im geleakten Gespräch als sorglos und unintelligent angesichts einer ohnehin fragilen Situation. Für ihn spiegelt sich darin auch wider, wie zerbrechlich demokratische Strukturen sind.
Pavin sieht Thailands Politik seit Jahrzehnten geprägt durch einen Kampf zweier Lager: Das gewählte Lager besteht aus demokratischen Kräften; dem gegenüber steht ein nicht gewähltes Lager aus Militär sowie Monarchie – Institutionen mit erheblichem Einfluss auf alle staatlichen Ebenen einschließlich Gerichte und Behörden.
Diese beiden Machtzentren arbeiten eng zusammen und sichern sich gegenseitig ab; ihr Ziel ist Machterhalt um jeden Preis. Immer wenn demokratisch gewählte Regierungen zu stark wurden oder Reformen anstrebten, seien sie durch Interventionen beseitigt worden – etwa durch zwei Militärputsche innerhalb von zwanzig Jahren .
Machtverteilung zwischen militär und monarchie
Seit dem Regierungsantritt von König Maha Vajiralongkorn im Jahr 2016 hat sich diese Machtstruktur weiter gefestigt. Der Monarch gilt international wegen seiner Exzentrik bekannt; Kritiker wie Pavin leben aufgrund strenger Majestätsbeleidigungsgesetze oft im Exil außerhalb Thailands.
Monarchie sowie Militär besetzen Schlüsselpositionen in Institutionen aller Art – vom Parlament bis zur Justiz –, wodurch sie erheblichen Einfluss auf politische Entscheidungen haben. Die Verfassung von 2017 stärkte diese Position zusätzlich: Ein Drittel aller Parlamentssitze wird direkt vom Militär besetzt, was demokratisch gewählten Mehrheiten entgegenwirkt.
Phil Robertson von der Menschenrechtsorganisation Asia Human Rights and Labor Advocates weist darauf hin, dass diese Verfassung zahlreiche Hürden enthält, welche effektive Regierungsarbeit erschweren oder verhindern können – besonders für oppositionelle Parteien oder reformorientierte Politikerinnen wie Paetongtarn Shinawatra war dies problematisch.
Mehrere Parteien wurden bereits aufgelöst; darunter auch die Move Forward-Partei , deren Versuch einer Reform bei Majestätsbeleidigungsgesetzen letztlich zum Verbotsverfahren führte.
Vertrauensverlust bei bevölkerung gegenüber shinawatra-familie
Neben institutionellen Hindernissen trägt auch Vertrauensverlust innerhalb großer Bevölkerungsschichten zur Instabilität bei: Vor allem ärmere ländliche Regionen hatten lange Zeit starke Bindungen zur Familie Shinawatra aufgebaut – beginnend mit Thaksins Amtszeit , dessen Sozialprogramme breite Unterstützung fanden.
Doch nach seinem Putsch-bedingten Exil kehrte er nur zurück unter Absprachen mit Militärapparat sowie Königshaus – dies schwächte seine Glaubwürdigkeit erheblich ab. Seine Tochter Paetongtarn sowie deren Tante Yingluck waren zwar erste weibliche Premierministerinnen Thailands, dennoch blieb ihr Vater weiterhin zentrale Figur hinter den Kulissen.
Politologe Pavin sieht darin einen Grund dafür, dass viele Menschen heute skeptisch gegenüber dieser Dynastie sind:
„Die Menschen haben das Vertrauen in die Familie verloren.“
Dieser Vertrauensverlust wirkt sich negativ auf jegliche Versuche aus Demokratisierung oder Stabilisierung des Landes aus.
Wirtschaftliche herausforderungen trotz politischer krise
Trotz langanhaltender politischer Unsicherheiten gilt Thailand wirtschaftlich weiterhin als wichtiger Stabilitätsanker Südostasiens. Das Land zählt zu den weltweit größten Volkswirtschaften – doch nun drohen neue Belastungen durch US-Zölle in Höhe von bis zu 36 Prozent auf Importe.
Diese Maßnahme würde fast ein Fünftel aller Exportgüter betreffen – insbesondere jene Waren, welche hauptsächlich in Richtung USA gehen. Phil Robertson warnt vor einem „wirtschaftlichen Tsunami“, dessen Folgen weitreichend sein könnten. Zusätzlich belastet eine Flaute im Tourismussektor die Wirtschaftskraft weiter.
Wie es politisch künftig weitergeht bleibt ungewiss: Politologe Pavin hält derzeit weder einen weiteren Putsch noch Neuwahlen für wahrscheinlich bzw. sinnvoll, da grundlegende Systemänderungen fehlen würden:
„Wir stecken in einem Teufelskreis.“