Frankreich zieht ein Jahr nach den Olympischen Spielen in Paris eine gemischte Bilanz zu Kosten, Infrastruktur und sozialer Wirkung. Besonders im Département Seine-Saint-Denis zeigt sich, wie das olympische Erbe die Region beeinflusst.
Das centre aquatique olympique als symbol für sportförderung und soziale integration
Das Centre Aquatique Olympique in Saint-Denis ist seit etwa zwei Monaten für die Öffentlichkeit geöffnet. Während der Olympischen Spiele 2024 kämpften hier Profis um Medaillen, nun können Anwohnerinnen und Anwohner das Schwimmbad als Freizeit- und Sportstätte nutzen. Viele Einwohner hatten lange auf ein solches Angebot gewartet, denn gerade im nördlichen Pariser Vorort fehlt es an geeigneten Sporteinrichtungen.
Der Vizedirektor des Schwimmbads, Grégorie Lartigot, bezeichnet die Öffnung als „echte öffentliche Mission“. Im Département Seine-Saint-Denis kann fast die Hälfte der Kinder nach der Grundschule nicht schwimmen – eine alarmierende Zahl angesichts der Bedeutung von Schwimmfähigkeiten für Sicherheit und Gesundheit. Deshalb haben sich Betreibergesellschaft, Bildungsministerium sowie lokale Organisationen zusammengeschlossen mit dem Ziel: „Bis 2032 soll jedes Kind im Département nach der Grundschule schwimmen können.“
Ab Mitte September sollen zudem rund 70 Schulklassen regelmäßig zum Schwimmunterricht ins Olympia-Schwimmbad kommen. Das Projekt steht exemplarisch für das sogenannte „héritage“, also das Erbe der Spiele, welches vor allem benachteiligten Regionen zugutekommen soll. Die Investitionen zielen darauf ab, soziale Ungleichheiten abzubauen und langfristig mehr Menschen Zugang zu Sportangeboten zu ermöglichen.
Neben dem reinen Freizeitwert hat das Centre Aquatique auch eine integrative Funktion: Es fördert Gemeinschaftsgefühl sowie Gesundheitsbewusstsein in einem Gebiet mit hoher Armutsquote – laut INSEE leben dort fast 30 Prozent unterhalb der Armutsgrenze. Damit ist es mehr als nur ein modernes Gebäude; es symbolisiert einen Schritt hin zu sozialer Teilhabe durch Sport.
Wohnraumentwicklung im ehemaligen athletendorf von Saint-Denis
Ein weiteres bedeutendes Projekt des olympischen Erbes befindet sich ebenfalls in Saint-Denis: Auf dem Gelände des ehemaligen Athletendorfs entstehen rund 1 000 neue Wohneinheiten. Etwa die Hälfte davon wird unter Marktpreis vermietet oder zählt zum Sozialwohnungsbestand – eine Maßnahme gegen den akuten Mangel an bezahlbarem Wohnraum vor Ort.
Trotzdem warten etwa 10 000 Bewohnerinnen und Bewohner weiterhin auf günstigen Wohnraum; damit deckt das neue Angebot bei Weitem nicht den Bedarf ab. Für Oriane Filhol, stellvertretende Bürgermeisterin von Saint-Denis, stellt diese Entwicklung dennoch einen wichtigen Fortschritt dar: „Für uns ist wichtig, dass wir alles haben: den freien Mietmarkt, Sozialwohnungen und staatlich gefördertes Wohneigentum.“ Sie betont zudem Unterschiede innerhalb der Stadtteile bezüglich Mietpreise – während Wohnungen im Athletendorf teurer sind wegen Neubauqualität und Lage, bleiben Preise anderswo niedriger.
Im Athletendorf waren während Olympia auch deutsche Athleten untergebracht; inzwischen läuft dort der Verkauf von Eigentumswohnungen über die Baufirma Vinci. Von insgesamt 174 frei verkäuflichen Wohnungen wurden bisher rund 60 Prozent verkauft – allerdings verläuft die Nachfrage schleppend.
Kritische stimmen zur wohnraumentwicklung
Kritiker wie Geografin Cécile Gintrac, aktiv im Comité de Vigilance JO gegen negative Folgen der Spiele engagiert sowie Mitarbeiterin am Institut La Boëtie , sehen darin Probleme: „Die Menschen von hier haben nicht das Geld, um sich eine Wohnung im Athletendorf zu kaufen.“ Zudem sei vielen potenziellen Käufern außerhalb wenig daran gelegen einzuziehen. Sollte dieses Vermarktungskonzept scheitern, müssen womöglich öffentliche Stellen eingreifen – was zusätzliche Kosten verursachen könnte.
Finanzielle bilanzen zeigen deutliche kostenüberschreitungen bei organisation
Ende Juni veröffentlichte die französische Cour des Comptes einen vorläufigen Bericht über Ausgaben rund um Olympia Paris 2024. Insgesamt flossen etwa sechs Milliarden Euro öffentlicher Gelder in Organisation sowie Infrastrukturprojekte – deutlich mehr als ursprünglich prognostizierte 2,4 Milliarden Euro bei Bewerbung um die Spiele.
Laut Präsident Pierre Moscovici seien dies zwar nicht „die teuersten Spiele aller Zeiten“, doch insbesondere beim Bereich Sicherheit lagen Kosten weit über Budgetvorgaben aufgrund unzureichender Kalkulationen bereits zu Beginn des Projekts. Einige Posten wie beispielsweise Maßnahmen zur Reinigung der Seine sind noch nicht vollständig erfasst worden; sie zählen ebenfalls zum olympischen Erbe.
Der endgültige Bericht wird am 1. Oktober dem Parlament vorgelegt werden müssen gemäß gesetzlicher Vorgaben; dann sollen detailliertere Zahlen zur Belastung einzelner Kommunen oder Départements bekanntgegeben werden können.
Diese finanziellen Mehrbelastungen werfen Fragen zur Nachhaltigkeit solcher Großveranstaltungen auf – besonders wenn erwartete wirtschaftliche Impulse geringer ausfallen oder soziale Verbesserungen nur begrenzten Umfang erreichen können.
Rückgang bei sportfördermitteln gefährdet nachhaltigkeit des olympischen geistes
Ein Jahr nach Ende der Olympischen Spiele zeichnet sich zunehmend abnehmende finanzielle Unterstützung für Sportprogramme ab – trotz gegenteiliger Versprechen während Vorbereitung auf Olympia Paris 2024 wurde seit September letzten Jahres kontinuierlich am Etat des französischen Sportministeriums gespart.
Für kommendes Jahr droht sogar ein weiterer Rückgang um fast zwanzig Prozent gegenüber bisherigen Mitteln – dies betrifft insbesondere Fördermaßnahmen wie den sogenannten „Pass Sport“. Diese Förderung ermöglicht Kindern aus weniger wohlhabenden Familien Zuschüsse bis fünfzig Euro zur Anmeldung in Vereinen; bislang galt sie für Altersgruppen zwischen sechs bis achtzehn Jahren, nun aber nur noch bis vierzehn Jahre alt zugelassen sind Kinder bzw. Jugendliche dafür berechtigt worden sind ausgeschlossen worden.
Sportministerin Marie Barsacq warnte gegenüber Libération eindringlich davor, dass weitere Kürzungen „das Erbe der Spiele“ gefährden könnten. Der Geist hinter solchen Großereignissen bestehe darin, langfristig gesellschaftlichen Zusammenhalt durch Bewegung, Integration sowie Nachwuchsförderung sicherzustellen.
Diese Entwicklung verdeutlicht Spannungsfelder zwischen ambitionierten Zielen großer Events einerseits, knappen öffentlichen Haushalten andererseits. Ob Frankreich gelingt, diesen Spagat auszubalancieren, bleibt offen; klar ist jedoch: Ohne ausreichende Mittel verliert selbst bestausgestattete Infrastruktur rasch an Wirkungskraft.