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Versagung von bürgergeld bei fehlender mitwirkung und erwerbsunfähigkeit vor dem sozialgericht berlin

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Die Versagung von Bürgergeld durch das Jobcenter ist nur unter bestimmten Voraussetzungen rechtmäßig. Das Sozialgericht Berlin hat in einem aktuellen Fall klargestellt, dass eine vollständige Leistungseinstellung bei vermuteter Erwerbsunfähigkeit einer sorgfältigen Ermessensausübung und Begründung bedarf.

Rechtliche Grundlagen zur versagung von leistungen wegen fehlender mitwirkung

Das Sozialgesetzbuch regelt im § 66 SGB I die Versagung oder den Entzug von Leistungen bei mangelnder Mitwirkung der Leistungsberechtigten. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen Mitwirkungshandlungen, die für die Berechnung des Anspruchs zwingend erforderlich sind – etwa Angaben zu Einkommen oder Vermögen – und solchen, deren Unterlassung nicht zwangsläufig zum Verlust der Leistung führen muss. Das Jobcenter darf Leistungen nur dann versagen, wenn es sein Ermessen ordnungsgemäß ausübt und dabei die Grenzen des Ermessensspielraums beachtet.

Im vorliegenden Fall hatte das Jobcenter den Verdacht geäußert, dass eine psychische Erkrankung vorliegt, welche die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt. Aufgrund dessen wurde das Bürgergeld vollständig versagt. Diese Entscheidung wirft Fragen auf: Kranken Menschen ohne weitere Prüfung Leistungen zu verweigern widerspricht dem Grundsatz eines menschenwürdigen Existenzminimums. Zudem besteht im Falle einer Erwerbsunfähigkeit ein Anspruch auf Sozialhilfe nach § 44a SGB II beziehungsweise SGB XII. Hier wäre es Aufgabe des Jobcenters gewesen, gegebenenfalls das zuständige Sozialamt einzuschalten.

Das Sozialgericht Berlin hob den Bescheid auf und betonte die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung durch das Jobcenter: Die Versagung kann erfolgen, muss aber nicht zwingend ausgesprochen werden.

Entscheidungsgründe des sozialgerichts berlin zur rechtswidrigkeit der leistungseinstellung

Die 128. Kammer des Sozialgerichts Berlin begründete ihre Entscheidung ausführlich: Zunächst sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig, da er keine zeitliche Begrenzung enthielt – ein wesentlicher Mangel angesichts der Schwere einer vollständigen Leistungseinstellung.

Weiterhin stellte das Gericht klar, dass es bei der Klärung der Erwerbsfähigkeit nach § 44a SGB II nicht um eine Verhinderung öffentlicher Mittelvergabe gehe; vielmehr diene sie dazu festzustellen, welche Behörde zuständig ist. Im Falle unbestrittener Erwerbsminderung bestünde Anspruch auf vergleichbare Leistungen aus dem Bereich der Sozialhilfe.

Besonders deutlich kritisierte die Kammer das Vorgehen des Jobcenters hinsichtlich seiner Ermessensausübung: Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I müsse geprüft werden „ob die Leistung insgesamt oder nur teilweise versagt wird“. Ein entsprechender Hinweis im Bescheid sei unerlässlich; ansonsten fehle es an einer hinreichenden Begründung für den Entzug ganzer Regelleistungen .

Darüber hinaus verwies das Gericht auf Entscheidungen höherer Instanzen wie dem Bundesverfassungsgericht , wonach Sanktionen gegen Leistungsbezieher teilweise verfassungswidrig sind und stets unter Berücksichtigung eines menschenwürdigen Existenzminimums getroffen werden müssen.

Auch drohende Folgen wie Obdachlosigkeit aufgrund längerfristiger Nichtzahlung von Unterkunftskosten seien in jede Ermessensentscheidung einzubeziehen.

Bedeutung für jobcenter-praxis und anspruchsinhaber beim bürgergeld

Diese Rechtsprechung stellt klar: Eine vollständige Einstellung des Bürgergeldes wegen fehlender Mitwirkung setzt immer eine sorgfältige Abwägungsentscheidung voraus sowie eine nachvollziehbare schriftliche Begründung seitens des Jobcenters voraus – insbesondere wenn Hilfebedürftigkeit unstrittig ist und lediglich Zweifel an der Erwerbsfähigkeit bestehen.

Der Experte für Sozialrecht Detlef Brock weist darauf hin: „Kein Bürgergeld-Entzug wegen verweigertem Arzt-Termin ist zulässig, sofern nicht konkret über Folgen aufgeklärt wurde oder keine besondere Begründung erfolgt ist.“ Die Rechtmäßigkeit solcher Entscheidungen hängt maßgeblich davon ab, ob Entscheidungs- und Auswahlermessen korrekt angewandt wurden sowie ob Grenzen dieses Spielraums eingehalten wurden.

Für Betroffene empfiehlt sich daher stets eine genaue Prüfung ihrer Bescheide durch Fachleute oder Beratungsstellen mit Expertise im Bereich Arbeits- und Sozialrecht sowie gegebenenfalls juristische Schritte gegen unzureichend begründete Leistungsverweigerungen einzuleiten.

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