Die Abschiebung einer jesidischen Familie aus Lychen in den Irak trotz eines erfolgreichen Eilantrags vor dem Verwaltungsgericht Potsdam hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. Nun plant der Brandenburger Innenminister René Wilke die zügige Rückführung der Familie, sofern die gerichtliche Entscheidung Bestand hat.
Abschiebung trotz gerichtsbeschluss und reaktionen von politik und flüchtlingsrat
Am 22. Juli 2025 wurde eine jesidische Familie mit vier minderjährigen Kindern aus Lychen in der Uckermark in den Irak abgeschoben. Dies geschah, obwohl das Verwaltungsgericht Potsdam am selben Tag einem Eilantrag gegen die Ausreisepflicht stattgegeben hatte. Nach Angaben des Brandenburger Innenministers René Wilke erfuhren die Behörden erst, als sich die Familie bereits im Flugzeug befand, von dem positiven Gerichtsbeschluss. Das schriftliche Urteil lag erst vor, als das Flugzeug bereits in Bagdad gelandet war.
Diese Umstände führten zu heftiger Kritik seitens verschiedener politischer Akteure sowie des Flüchtlingsrats Brandenburg. Politikerinnen und Politiker von SPD, Grünen und Linken forderten umgehend eine Rückholung der abgeschobenen Familie nach Deutschland. Der Flüchtlingsrat bezeichnete die Abschiebung als „skandalös“ und kritisierte eine „von Rechts getriebene Abschiebe-Agenda“. Die Organisation verwies auf den Völkermord an Jesiden durch den Islamischen Staat im Jahr 2014 sowie auf die gute Integration der Familie in der Uckermark.
Der Fall verdeutlicht Spannungen zwischen gerichtlichen Entscheidungen und behördlichem Handeln bei Abschiebungen sowie unterschiedliche Einschätzungen zum Schutzbedarf von Jesiden aus dem Irak.
Stellungnahmen des innenministers René Wilke zur verantwortung und weiteren schritten
Der Brandenburger Innenminister René Wilke äußerte sich am Freitag zu dem Vorfall: Er zeigte Verständnis für das Schicksal der betroffenen jesidischen Familie, nahm jedoch zugleich die Landesbehörden ausdrücklich in Schutz. Nach seiner Darstellung treffe diese keine Schuld an dem Ablauf; vielmehr müssten interne Abläufe kritisch überprüft werden, um ähnliche Fälle künftig zu vermeiden.
Wilke beauftragte alle zuständigen Stellen mit einer schnellen Koordination zur Rückführung der abgeschobenen Personen nach Brandenburg – vorausgesetzt, dass das positive Urteil des Verwaltungsgerichts weiterhin gilt. Dabei sei es zwingend erforderlich, dass Bundesbehörden zeitnah gültige Reisepapiere für die Betroffenen bereitstellen.
Die Situation zeigt komplexe Herausforderungen bei Asylverfahren: Einerseits müssen Gerichtsentscheidungen strikt beachtet werden; andererseits sind schnelle behördliche Reaktionen nötig, um rechtswidrige Maßnahmen zu verhindern oder rückgängig zu machen.
Rechtlicher hintergrund: anerkennung des völkermords an jesiden durch bundestag
Die juristische Bewertung dieses Falls steht auch im Kontext politischer Entscheidungen auf Bundesebene: Im Jahr 2023 erkannte der Deutsche Bundestag offiziell den Völkermord an Jesiden durch den Islamischen Staat im Jahr 2014 an. Diese Anerkennung unterstreicht besondere Schutzbedürfnisse dieser Bevölkerungsgruppe angesichts ihrer Verfolgungsgeschichte im Irak.
Trotz dieser politischen Rahmenbedingungen lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag auf internationalen Schutz durch diese jesidische Familie ab – was letztlich zur drohenden Ausreise führte. Die Ablehnung basierte offenbar nicht nur auf rechtlichen Kriterien sondern auch auf Einschätzungen zum individuellen Gefährdungsrisiko vor Ort.
Flüchtlingshilfsorganisationen wie Pro Asyl kritisieren diese Praxis scharf und fordern einen generellen Stopp von Abschiebungen irakischer Jesiden nach Deutschland wegen ihrer besonderen Gefährdungslage sowie humanitärer Gründe.
Dieser Fall illustriert somit grundlegende Fragen zum Umgang mit besonders schutzbedürftigen Minderheiten innerhalb deutscher Asylverfahren sowie Spannungsfelder zwischen Rechtsprechung, Verwaltungshandeln und menschenrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands gegenüber verfolgten Gruppen weltweit.