Die AfD verfolgt eine interne Strategie, um im kommenden Jahr in mehreren Bundesländern stärkste Kraft zu werden und langfristig ins Kanzleramt einzuziehen. Das 53 Seiten umfassende Strategiepapier zeigt, wie die Partei mit gezieltem Kulturkampf und Spaltungsversuchen zwischen Union und SPD vorgeht.
Kulturkampf als erster schritt der afd-strategie
Das zentrale Element der AfD-Strategie ist ein sogenannter „Kulturkampf“, mit dem die Partei eine starke Polarisierung zwischen sich selbst und linken Parteien erzeugen will. Im internen Papier wird dieser Schritt als essenziell beschrieben, um lagerübergreifende Koalitionen zu verhindern. Die AfD setzt dabei darauf, dass sich SPD und Grüne weiter nach links bewegen – was wiederum die Distanz zur Union vergrößert.
Der Kulturkampf richtet sich insbesondere gegen linke Themen sowie gegen die Partei Die Linke. Ein Symbol dafür ist das Bild von Heidi Reichinnek, der Linken-Fraktionschefin, das prominent über dem Kapitel steht. In den vergangenen Wochen zeigte sich diese Taktik exemplarisch bei der gescheiterten Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin am Verfassungsgericht.
Rechte bis extrem rechte Medienplattformen sowie zahlreiche AfD-Funktionäre verbreiteten falsche Behauptungen über Brosius-Gersdorf – etwa sie sei eine „Abtreibungsfanatikerin“, die „neun Monate alte Babys zermetzeln“ wolle. Diese Desinformation führte offenbar dazu, dass viele Unionsabgeordnete ihre Zustimmung verweigerten. Im Anschluss startete die AfD einen weiteren Angriff auf Ann-Katrin Kaufhold, ebenfalls Richterkandidatin; Stephan Brandner bezeichnete sie als „radikale Klimaaktivistin“.
Im ARD-Sommerinterview äußerte sich Alice Weidel zunächst scheinbar kritisch zur gesellschaftlichen Spaltung – verwies dann aber direkt auf Linke, Grüne und SPD als Verantwortliche für diese Entwicklung. Dieses Vorgehen entspricht exakt dem im Strategiepapier formulierten Ziel: durch Polarisierung politische Gegner schwächen.
Spaltung von union und spd als zweiter schritt
Der zweite Schritt in der AfD-Strategie zielt darauf ab, den Zusammenhalt zwischen Union und SPD zu zerstören. Das Papier fordert ausdrücklich: „Die Gegensätze zwischen Union und SPD unüberbrückbar machen.“ Ein Bild zeigt CDU-Kanzler Friedrich Merz neben SPD-Vizekanzler Lars Klingbeil, getrennt durch einen Blitz – Sinnbild für diesen Bruchwunsch.
Für den Einzug ins Kanzleramt sieht die AfD nur mit einem Koalitionspartner Chancen – aus ihrer Sicht wäre dies am ehesten die CDU/CSU-Fraktion ohne Beteiligung der SPD oder anderer linker Parteien. Politikwissenschaftlerin Anna-Sophie Heinze von der Universität Trier beobachtet ähnliche Strategien auch bei Rechtsaußenparteien in anderen europäischen Ländern: Sie versuchen systematisch anschlussfähig an konservative Kräfte zu werden.
Aussagen aus der afd und von gegnern
AfD-Bundestagsvizefraktionschef Markus Frohnmaier, Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, betont offen: Die Union brauche seine Partei „um glaubwürdig zu bleiben“. Er beschreibt seine Rolle so: Die AfD müsse nur ihre Positionen anbieten; den eigentlichen Kulturkampf führten andere Parteien bereits selbstständig aufgrund ihrer Gegensätze untereinander.
Vonseiten der SPD warnt Sprecherin Carmen Wegge vor einer solchen Spaltungspolitik: Eine enge Zusammenarbeit mit der Union sei notwendig; es dürfe kein Keil getrieben werden. Sie bezeichnet zudem das Scheitern bei der Verfassungsrichterwahl als Teilerfolg rechtsextremer Kräfte im Land.
Die Reaktionen aus Reihen der Union sind zurückhaltend bis uneinsinnig: Bundeskanzler Merz verurteilte zwar öffentlich Kampagnen gegen Brosius-Gersdorf; gleichzeitig signalisierte er jedoch Bereitschaft für alternative Kandidatenfindungen – was indirekt Raum für Einflussnahmen gemäß AfD-Strategie lässt.
Erhöhter druck auf union durch thematische konkurrenz
Im dritten Schritt will die AfD gezielt Wählergruppen ansprechen, welche mit aktuellen politischen Angeboten unzufrieden sind – insbesondere bei Wirtschafts-, Steuer- sowie Finanzpolitiksthemen soll ein Wettstreit mit der Union entstehen. Früher galt es kaum möglich, dass viele Bürger hier Vertrauen in die AfD setzen würden; Umfragen zeigen inzwischen jedoch steigendes Potenzial dieser Wahrnehmung.
Als Beispiel nennt das Strategiepapier eine geplante „Steuerreform 2025“. Diese sieht unter anderem einen einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent vor sowie steuerliche Entlastungen für Familien ab drei Kindern erst ab einem Einkommen von 70 000 Euro jährlich anfallend machtpflichtig sein sollen . Obwohl daraus laut Berechnungen ein jährliches Defizit von rund 150 Milliarden Euro resultiert, spielt dies keine Rolle solange keine Regierungsverantwortung besteht.
Politisch verfolgt damit die Partei zwei Ziele zugleich: Zum einen soll Druck auf Regierungspartner ausgeübt werden; zum anderen dient es dazu eigene Kompetenzansprüche gegenüber konservativen Wählern glaubhaft darzustellen beziehungsweise auszubauen.
Demokratiepolitische bewertung des afd-papiers
Die entschlossene Haltung innerhalb des rechten Flügels zeigt etwa Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch, welche den Kulturkampf klar verteidigt hat . Sie fordert zudem eindeutige Entscheidungen seitens CDU darüber ein , während sie gleichzeitig linke Parteien als Ausgangspunkt des Konflikts benennt .
Politikwissenschaftlerin Anna-Sophie Heinze bewertet diese Vorgehensweise kritisch aus demokratischer Perspektive: Der Umgangston gegenüber politischen Gegnern widerspreche Grundprinzipien repräsentativer Demokratie wie Kompromissfähigkeit oder gegenseitigem Respekt erheblich. Stattdessen werde permanent herabgewürdigt sowie Opferrollen konstruiert ohne ernsthafte Bemühungen um Koalitionsfähigkeit erkennen zu lassen.
Insgesamt verdeutlicht das interne Strategiepapier eindrücklich jene Mechanismen hinter dem Auftreten einer Oppositionspartei am rechten Rand des politischen Spektrums Deutschlands im Jahr 2025 — geprägt durch Polarisierungstaktiken ebenso wie strategische Versuche zur Destabilisierung traditioneller Bündnisse innerhalb etablierter Parteienlandschaften.