Das Landessozialgericht Sachsen hat in einem wegweisenden Urteil entschieden, dass Privatdarlehen zwischen Familienangehörigen kein Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II darstellen. Die Entscheidung betrifft insbesondere die Berücksichtigung von finanziellen Unterstützungen bei der Berechnung von Sozialleistungen.
Ernsthaftigkeit und formfreiheit von darlehensabreden zwischen familienangehörigen
Das Gericht stellte fest, dass eine ernsthafte Vereinbarung über die finanzielle Unterstützung der Klägerin durch ihre Mutter bestand und diese Zahlungen auch tatsächlich geleistet wurden. Obwohl keine schriftliche Vereinbarung vorlag, ist dies für die Wirksamkeit eines Darlehensvertrags unerheblich. Ein Darlehensvertrag kann grundsätzlich formfrei zustande kommen, also auch mündlich oder konkludent geschlossen werden.
In dem Verfahren gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass es keine ernsthafte Abmachung über monatliche Zahlungen in Höhe von 300 Euro gegeben habe. Zwar fehlten schriftliche Belege wie Quittungen oder Kontoauszüge als Nachweis für die Barzahlungen der Mutter an die Klägerin. Das Gericht berücksichtigte jedoch den Umstand, dass solche Unterstützungsleistungen innerhalb der Familie häufig bar und ohne Zahlungsnachweise erfolgen.
Die Dauer der Unterstützung war auf etwa neun Monate begrenzt, was ebenfalls für eine echte Darlehensvereinbarung spricht. Zudem standen die finanziellen Verhältnisse der Mutter einer solchen Hilfeleistung nicht entgegen. Das Gericht betonte damit das Verständnis sozialer Realitäten bei familiären Geldtransfers im Kontext des SGB II.
Rückzahlungsvereinbarungen sind entscheidend für einkommensbewertung
Entscheidend für das Urteil war vor allem das Fehlen einer Rückzahlungsvereinbarung bezüglich des Privatdarlehens zwischen Klägerin und ihrer Mutter. Nach Auffassung des Gerichts wurde weder eine Rückzahlungspflicht noch deren Höhe oder Modalitäten vereinbart oder beabsichtigt.
Nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG a.F., verbunden mit § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II müssen Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen nur dann als Einkommen berücksichtigt werden, wenn sie dem Lebensunterhalt dienen und nicht zurückgezahlt werden müssen.
Daraus folgt umgekehrt: Ein Privatdarlehen stellt kein Einkommen dar, wenn es zurückzuzahlen ist – da es sich um eine lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung handelt .
Diese Unterscheidung ist zentral bei Anträgen auf Kinderzuschlag oder Leistungen nach dem SGB II sowie bei sonstigen Sozialleistungen mit Einkommensprüfung.
Unkenntnis über anrechnung von darlehen führte zu rückforderung beim kinderzuschlag
Das Ehepaar war sich offenbar nicht bewusst darüber, dass ein Privatdarlehen eines Familienangehörigen nicht als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzurechnen ist – dies führte zu Fehlern bei der Antragstellung beziehungsweise Meldung gegenüber dem Jobcenter.
Aufgrund dieser Unkenntnis erfolgte später eine teilweise Rückforderung des Kinderzuschlags durch die Behörde; das Landessozialgericht bestätigte diese Maßnahme jedoch als rechtmäßig unter Berücksichtigung aller Umstände im Fall.
Die Entscheidung verdeutlicht den hohen Stellenwert korrekter Angaben zu Einnahmen aus privaten Geldtransfers innerhalb sozialrechtlicher Verfahren und weist auf mögliche Konsequenzen hin.
Sozialrechtliche empfehlungen zum umgang mit privatdarlehen unter verwandten
Der Sozialrechtsexperte Detlef Brock fasst wichtige Punkte zusammen:
- Privatdarlehen stellen beim Kindergeldzuschlag kein Einkommen dar, sofern eine klare Rückzahlungsvereinbarung besteht; diese kann auch mündlich getroffen sein.
- Ein Darlehensvertrag unter Verwandten muss nicht zwingend schriftlich fixiert sein; formfreie Vereinbarungen sind rechtswirksam.
- Zuwendungen Dritter zur Überbrückung rechtswidrig abgelehnter Bürgergeld-Leistungen gelten ebenfalls nicht als Einkommen.
- Bei Erhalt eines Geldbetrags von Verwandten sollte stets eine Rückzahlungsvereinbarung bestehen – selbst kleine Zinsen sind üblich und können relevant sein.
- Im Falle eines Anspruchs auf ALG II erfolgt oft eine Nachzahlung inklusive Zinsen; gegebenenfalls muss das Jobcenter auch Zinskosten übernehmen .
Diese Hinweise bieten Orientierung für Betroffene beim Umgang mit privaten Finanzhilfen innerhalb familienrechtlicher Konstellationen im Rahmen sozialer Sicherungssysteme.