Der Druck auf die Bundesregierung wächst, eine härtere Haltung gegenüber Israel einzunehmen. Ehemalige deutsche Diplomaten wenden sich mit deutlicher Kritik an Außenminister Johann Wadephul und fordern ein stärkeres Engagement angesichts der humanitären Krise im Gazastreifen.
Ehemalige diplomaten kritisieren deutsche israel-politik und appellieren an außenminister wadephul
Eine Gruppe pensionierter deutscher Botschafterinnen und Botschafter hat sich mit einem offenen Brief an Außenminister Johann Wadephul gewandt. Das Schreiben, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, zeigt die tiefe Besorgnis der ehemaligen Diplomatinnen und Diplomaten über die aktuelle Lage im Gazastreifen. Viele von ihnen verfügen über langjährige Erfahrung in Nahost-Regionen, da sie zuvor an deutschen Auslandsvertretungen im Nahen Osten tätig waren. In ihrem Brief äußern sie sich „entsetzt und verständnislos“ über die bisherige Politik der Bundesregierung gegenüber Israel.
Die Unterzeichner kritisieren insbesondere, dass Deutschland sich nicht dem jüngsten internationalen Appell für ein sofortiges Ende des Gaza-Kriegs angeschlossen habe. Dies sei eine verpasste Gelegenheit gewesen, Solidarität mit 28 anderen Staats- und Regierungschefs zu zeigen – was den Druck auf Israel erhöht hätte, das Völkerrecht einzuhalten. Der frühere Botschafter Martin Kobler, der unter anderem in Ägypten und Irak tätig war, betont: „Ich finde, es wäre wichtig gewesen, Solidarität mit den 28 anderen Staats- und Regierungschefs zu zeigen.“ Die Stimme Deutschlands sei aufgrund seiner historischen Verantwortung besonders gewichtig.
Besondere verpflichtung der bundesregierung
Im Brief wird zudem hervorgehoben: Die Bundesregierung müsse ihre besondere Verpflichtung wahrnehmen – sowohl zur Sicherheit Israels als auch zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts. Kobler erklärt dazu im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio: „Staatsräson verpflichtet. Sie verpflichtet die Sicherheit Israels zu gewährleisten, aber dann auch Israel zu sagen: bis hierher und nicht weiter.“ Dabei wolle er keinesfalls den Terror der Hamas relativieren.
Diese Forderungen spiegeln eine klare Erwartung wider: Deutschland soll seine Rolle als verantwortungsbewusster Akteur in Nahost ernster nehmen und durch stärkeren politischen Druck auf Israel Einfluss nehmen.
Interne kritik bei aktiven diplomaten sowie politische reaktionen aus csu und bundeskabinett
Nicht nur pensionierte Diplomatinnen und Diplomaten äußern Kritik am Kurs der Bundesregierung; auch innerhalb des Auswärtigen Amts formiert sich Widerstand gegen die derzeitige Politik gegenüber Israel. Laut Berichten des Magazins Der Spiegel haben etwa 130 aktive Beamte eine interne Gruppe gegründet, um Veränderungen in der deutschen Nahostpolitik anzustoßen.
Demgegenüber verteidigt CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann ausdrücklich die Linie von Bundeskanzler Friedrich Merz sowie Außenminister Johann Wadephul. Hoffmann warnt vor einer einseitigen Debatte rund um Gaza zugunsten Israels Gegner: „Wir erleben im Moment eine einseitige Debatte rund um die Situation in Gaza […] Und wir erleben einseitigen Druck auf Israel.“ Er sieht darin genau das Ziel der Hamas-Terrororganisation.
Bundeskanzler Merz sowie Außenminister Wadephul setzen weiterhin auf direkte Gespräche mit Vertretern Israels statt auf internationale Appelle oder öffentliche Verurteilungen. Sie wollen so versuchen, Einfluss zu gewinnen beziehungsweise Verbesserungen für Menschen im Gazastreifen herbeizuführen – ohne dabei öffentlich harschen Druck aufzubauen oder Positionen klarer zu benennen.
Skeptische reaktionen aus hilfsorganisationen
Diese Strategie stößt jedoch bei Hilfsorganisationen wie der Welthungerhilfe auf Skepsis: Generalsekretär Mathias Mogge fordert konkrete Ergebnisse statt bloßer Absichtserklärungen von Seiten Deutschlands. Er beschreibt die humanitäre Lage vor Ort als „zum Schlimmsten gehörend“, was er während seiner dreißigjährigen Tätigkeit erlebt habe – insbesondere hinsichtlich Versorgungssicherheit für Lebensmittel in Gaza.
Die unterschiedlichen Positionen innerhalb deutscher Institutionen verdeutlichen einen tiefgreifenden Konflikt darüber, wie Deutschland seine Verantwortung gegenüber beiden Seiten gerecht werden kann – zwischen politischem Dialog ohne Eskalation einerseits sowie öffentlichem Druck zum Schutz von Menschenrechten andererseits.