Das Bundessozialgericht in Kassel hat entschieden, dass Arbeitnehmer während des Bezugs von Krankengeld das Recht auf Urlaub im EU-Ausland haben, ohne den Anspruch auf Leistungen zu verlieren. Die Entscheidung betrifft insbesondere Fälle, in denen Krankenkassen Reisen aus Sorge vor einer Verschlechterung des Gesundheitszustands ablehnen.
Urlaubsrecht und krankengeldanspruch bei krankheit
Arbeitnehmer, die länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sind, erhalten in der Regel Krankengeld von ihrer Krankenkasse. Dieses wird auch während eines Aufenthalts im EU-Ausland weitergezahlt, sofern kein Missbrauchsverdacht besteht. Das sogenannte Geldleistungsprinzip sichert die Fortzahlung der Leistung innerhalb der Europäischen Union. Eine Kürzung oder Einstellung des Krankengeldes allein aufgrund einer Reise ins EU-Ausland ist demnach nicht zulässig.
Die Genehmigungspflicht für Auslandsreisen während des Bezugs von Krankengeld bleibt bestehen: Versicherte müssen ihre Krankenkasse vor Antritt informieren und ein ärztliches Attest vorlegen, das bestätigt, dass die Reise medizinisch unbedenklich ist. Ohne diese Genehmigung riskieren Betroffene den Verlust ihres Anspruchs für die Dauer des Auslandsaufenthalts sowie negative Auswirkungen auf den weiteren Bezug von Leistungen.
Außerhalb der EU gelten andere Regelungen: Dort kann der Anspruch auf Krankengeld ruhen oder ganz entfallen. Deshalb sollten Versicherte besonders vorsichtig sein und sich frühzeitig über mögliche Konsequenzen informieren.
Neben dem Urlaubsrecht besteht eine Mitwirkungspflicht gegenüber der Krankenkasse: Versicherte müssen an angeordneten Untersuchungen teilnehmen und Behandlungen fortführen. Werden diese Pflichten verletzt, drohen Leistungskürzungen oder -einstellungen.
Fallbeispiel gerüstbauer mit rückenschmerzen
Der zugrundeliegende Fall betraf einen Gerüstbauer aus Deutschland mit Rückenschmerzen. Er war arbeitsunfähig geschrieben und beantragte bei seiner Krankenkasse eine Genehmigung für eine fünftägige Reise nach Dänemark zur Erholung.
Trotz eines positiven ärztlichen Attests verweigerte die Krankenkasse die Zustimmung mit der Begründung, dass durch die Reise eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands eintreten könnte. Die behandelnde Ärztin hatte jedoch keine Bedenken geäußert.
Das Bundessozialgericht stellte klar: Solange kein Verdacht auf Missbrauch bestehe – etwa um Arbeitsunfähigkeit zu verschleiern – dürfe das Krankengeld nicht eingestellt werden. Die Entscheidung stärkt damit das Recht erkrankter Arbeitnehmer auf Erholung auch außerhalb Deutschlands innerhalb Europas.
Diese Rechtsprechung schafft Klarheit für viele Versicherte in ähnlichen Situationen und begrenzt den Ermessensspielraum der Krankenkassen deutlich zugunsten der Versichertenrechte beim Urlaub im Ausland während Krankheit.
Genehmigungsverfahren und entscheidungskriterien bei reisen
Vor jeder geplanten Auslandsreise während eines laufenden Bezugs von Krankengeld muss ein Antrag bei der zuständigen Krankenkasse gestellt werden. Dabei prüft diese individuell verschiedene Aspekte:
- Besteht ein Verdacht auf Missbrauch? Zum Beispiel wenn vermutet wird, dass durch die Reise Krankheitssymptome verschleiert werden sollen.
- Ist eine angemessene medizinische Versorgung am Reiseziel gewährleistet?
- Könnte sich durch den Aufenthalt im Ausland eine Verzögerung oder Gefährdung des Heilungsprozesses ergeben?
Zur Einschätzung zieht die Krankenkasse häufig Gutachten vom Medizinischen Dienst hinzu; dies verlängert oft Bearbeitungszeiten erheblich. Daher empfiehlt es sich dringend, Anträge mindestens zwei bis drei Wochen vor Abreise einzureichen.
Die Entscheidung basiert somit nicht nur auf medizinischen Befunden sondern auch darauf abzuklären, ob alle Voraussetzungen zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Behandlung erfüllt sind sowie ob keine missbräuchliche Nutzung beabsichtigt ist.
Versicherte sollten daher sorgfältig dokumentieren können, warum sie reisen möchten und wie ihre gesundheitliche Situation dies erlaubt beziehungsweise fördert – etwa zur psychischen Stabilisierung oder Rehabilitation nach Operationen bzw. chronischer Erkrankungen innerhalb Europas.
Kommunikation mit arbeitgebern bei auslandsreisen im krankheitsfall
Auch wenn gesetzlich keine Pflicht besteht, dem Arbeitgeber Details zur Erkrankung mitzuteilen oder Reisen anzukündigen, gilt es als sinnvoll, diesen über geplante Urlaube zu informieren – insbesondere wenn sie während einer Krankschreibung stattfinden sollen.
Eine offene Kommunikation verhindert Spekulationen unter Kollegen sowie Unsicherheiten beim Arbeitgeber bezüglich Fehlzeiten oder möglicher Arbeitsverhinderungen nach Rückkehr vom Urlaubsort innerhalb Europas.
Dabei reicht es meist aus mitzuteilen, wann man verreist, ohne zwingend Diagnoseinformationen preiszugeben; so wahrt man seine Privatsphäre, dennoch transparent gegenüber dem Betrieb zu bleiben.
Das Bundessozialgericht hebt hervor, dass solche Informationen Konflikte vermeiden helfen können. Dies trägt zum vertrauensvollen Umgang zwischen Beschäftigten, Vorgesetzten sowie Personalabteilungen gerade in sensiblen Phasen wie längeren Krankheiten wesentlich bei.