Die Weltgesundheitsorganisation alarmiert angesichts der eskalierenden humanitären Lage im Gazastreifen vor einer tödlichen Hungerkrise. Während die WHO und internationale Hilfsorganisationen auf eine dramatische Verschlechterung der Ernährungssituation hinweisen, bestreitet Israel das Vorliegen einer Hungersnot und macht die Hamas sowie die Vereinten Nationen für Probleme bei der Lebensmittelversorgung verantwortlich.
Hungerkrise im gazastreifen: aktuelle situation und warnungen der who
Die Weltgesundheitsorganisation hat eindringlich vor einer sich zuspitzenden Hungerkrise im Gazastreifen gewarnt. Nach Angaben von Tedros Adhanom Ghebreyesus, dem Generaldirektor der WHO, sind die 2,1 Millionen Menschen in diesem Kriegsgebiet nicht nur durch anhaltende militärische Angriffe bedroht, sondern auch durch den Mangel an ausreichender Nahrung. „Die Menschen sehen sich neben Bomben und Kugeln mit einem weiteren Killer konfrontiert: dem Hungertod“, erklärte Ghebreyesus.
Seit Mitte Juli verzeichnen medizinische Einrichtungen einen deutlichen Anstieg von Todesfällen aufgrund von Unterernährung. Die Aufnahmekapazitäten in Zentren für akut unterernährte Kinder sind erschöpft, während gleichzeitig Spezialnahrung knapp ist. Die WHO dokumentierte seit Jahresbeginn mindestens 21 Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren infolge von Mangelernährung – eine Zahl, die nur einen Teil des tatsächlichen Ausmaßes widerspiegelt.
Viele Bewohner berichten davon, dass sie oft nur eine Mahlzeit pro Tag zu sich nehmen können. Die Preise für Lebensmittel auf den Märkten haben ein unerschwingliches Niveau erreicht; viele Produkte sind kaum noch erhältlich. Diese Situation zwingt zahlreiche Familien zur Abhängigkeit von Hilfslieferungen – deren Menge jedoch als unzureichend empfunden wird.
Zusätzlich erschwert Gewalt bei der Verteilung humanitärer Hilfe den Zugang zu lebenswichtigen Gütern erheblich. Das UN-Menschenrechtsbüro meldet mehr als 1 000 Tote allein durch Versuche, an Nahrungsmittel zu gelangen oder Hilfspakete abzuholen. Besonders gefährdet sind dabei Personen in unmittelbarer Nähe umstrittener Verteilzentren wie denen der Gaza Humanitarian Foundation . Sprecher Thameen Al-Kheetan berichtete über Angriffe auf Hilfskonvois sowie gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen verzweifelten Bedürftigen.
Schwierigkeiten bei verifikation und politische konflikte um hungersnotdefinition
Das Welternährungsprogramm schätzt aktuell etwa ein Viertel der Bevölkerung des Gazastreifens als „unter hungernotähnlichen Bedingungen“ lebend ein – eine dramatische Einschätzung angesichts des andauernden Konflikts und eingeschränkter Versorgungslage.
Für die offizielle Erklärung einer Hungersnot gelten strenge Kriterien seitens der Vereinten Nationen: Mindestens zwei Todesfälle pro 10 000 Menschen täglich aufgrund von Nahrungsmangel müssen nachgewiesen sein; zudem müssen mindestens 20 Prozent aller Haushalte extrem unterversorgt sein sowie mindestens 30 Prozent aller Kinder akute Unterernährung zeigen.
Datenlage und zugangsbeschränkungen erschweren bewertung
Im Kontext des Gazastreifens gestaltet sich das Sammeln belastbarer Daten äußerst schwierig: Anhaltende israelische Militärangriffe führen zu ständigen Vertreibungen innerhalb des Gebiets; dies erschwert systematische Erhebungen erheblich oder macht sie unmöglich. Die UN betonen daher ihre Herausforderungen bei einer objektiven Bewertung dieser Kriterien unter den gegebenen Umständen.
Israel bestreitet das Vorliegen einer Hungersnot offiziell vehement. Ein ranghoher Sicherheitsbeamter wurde jüngst mit den Worten zitiert, dass keine Hungersnot festgestellt worden sei – wenngleich man Maßnahmen zur Stabilisierung der humanitären Lage für notwendig halte.
Ein Sprecher der israelischen Regierung räumte zwar Hungerprobleme ein, machte jedoch ausschließlich die Hamas verantwortlich: Diese verhindere gezielt Verteilungen humanitärer Hilfe an Zivilisten durch Kapern von Liefertransporten sowie Weiterverkauf zu überhöhten Preisen zugunsten ihrer Kämpfergruppen. Zudem kritisierte er angeblich mangelnde Kooperation seitens einiger UN-Organisationen beim Transport bereits vorhandener Lastwagen innerhalb des Gazastreifens.
Dem widersprechen Vertreterinnen und Vertreter verschiedener UN-Organisationen entschieden: Sie beklagen seltene Genehmigungen zur Einreise ihrer Transporteure ins Gebiet trotz mehrfacher Anträge. Seit Mai dieses Jahres bis Mitte Juli wurden lediglich rund 1 600 Lastwagen mit Hilfsgütern genehmigt – durchschnittlich weniger als dreißig pro Tag –, während laut dem UN-Nothilfebüro täglich zwischen sechshundert bis sechshundertfünfzig Fahrzeuge nötig wären, um grundlegende Bedürfnisse ausreichend abzudecken.