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völkerrechtliche pflichten zum klimawandel: IGH in Den Haag bestätigt verbindlichkeit des 1,5-grad-ziels für staaten

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Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat im Rechtsgutachten auf Antrag von Vanuatu die völkerrechtliche Verbindlichkeit des 1,5-Grad-Ziels aus dem Pariser Abkommen bekräftigt. Das Gutachten formuliert einen Pflichtenkatalog für Staaten zur Emissionsreduktion und Zusammenarbeit im Klimaschutz.

Der weg zum rechtsgutachten und seine grundlagen

Der Kampf gegen den Klimawandel wird zunehmend vor internationalen Gerichtshöfen ausgetragen. Am 12.06.2024 erzielte der kleine Inselstaat Vanuatu einen bedeutenden Erfolg vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Ausgelöst wurde das Verfahren durch die Initiative „Pacific Islands Students Fighting Climate Change“, deren Anliegen von Vanuatu an die Vereinten Nationen herangetragen wurde. Die UN-Generalversammlung beantragte daraufhin im März 2023 eine sogenannte „Advisory Opinion“ – ein nicht bindendes Rechtsgutachten zu zwei zentralen Fragen: Welche völkerrechtlichen Pflichten haben Staaten, um das Klima vor Treibhausgasemissionen zu schützen? Und welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich aus klimabedingten Schäden bei Individuen sowie kleinen Inselstaaten?

Im Dezember 2023 fand eine mehrtägige Anhörung am IGH statt, an der rund 90 Staaten teilnahmen und ihre Positionen darlegten. Das Gutachten stützt sich maßgeblich auf drei internationale Vertragswerke: das Pariser Abkommen von 2015, die UN-Klimarahmenkonvention sowie das Kyoto-Protokoll von 1997. Diese Dokumente bilden den Kern globaler Klimaschutzbemühungen und enthalten bereits Verpflichtungen zur Emissionsminderung.

Die Aufgabe des IGH bestand darin, diese Vereinbarungen zusammenzuführen und juristisch zu bewerten – insbesondere hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit für einzelne Staaten und deren Pflichten zur Einhaltung des Ziels einer maximalen Erderwärmung von 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau.

Verbindlichkeiten der staatengemeinschaft laut igH-gutachten

Das Ergebnis ist ein ausführliches Rechtsgutachten mit klarer Aussage: Die genannten internationalen Verträge enthalten harte rechtliche Verpflichtungen für alle Vertragsparteien. Insbesondere folgt aus der UN-Klimarahmenkonvention eine „rechtlich bindende“ Sorgfaltspflicht aller Industrieländer zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen – dies gilt ausdrücklich auch für Länder wie die USA.

Die Höhe der jeweiligen Beiträge bemisst sich nach wissenschaftlichen Standards wie etwa Berichten des Weltklimarats IPCC; sie kann nicht willkürlich oder eigenmächtig festgelegt werden. Für alle Unterzeichnerstaaten ist es verpflichtend, nationale Maßnahmen umzusetzen, um den Pfad Richtung Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze einzuhalten.

Darüber hinaus besteht eine Pflicht zur internationalen Zusammenarbeit beim Klimaschutz – denn niemand könne dieses globale Problem allein lösen oder ignorieren ohne Folgen für andere Länder oder künftige Generationen.

Völkergewohnheitsrecht als grundlage

Der IGH geht sogar über vertragliche Regelungen hinaus: Er begründet diese Pflichten auch mit Völkergewohnheitsrecht als ungeschriebene Norm innerhalb der Staatengemeinschaft. Dies bedeutet laut Anwältin Roda Verheyen, Expertin für Klimarecht: „Ein Rückzug aus dem Vertrag nützt also nichts.“ Der Schutz vor klimaschädlichem Verhalten sei damit Teil allgemeiner internationaler Sorgfaltspflichten geworden.

Folgen des gutachtens für klimaschutzklagen weltweit

Das Gutachten fordert nicht nur abstrakte Verpflichtungen ein; es eröffnet auch konkrete rechtliche Handlungsoptionen bei Verletzungen dieser Pflichten durch einzelne Staaten. Nach Regeln der sogenannten Staatenverantwortlichkeit können betroffene Länder Schadenersatzklagen gegen säumige Regierungen erheben.

Dies betrifft insbesondere Fälle unzureichender Maßnahmen gegen fossile Energiequellen oder fehlende Emissionsreduktionen trotz bekannter Risiken durch den Klimawandel – häufig sind davon kleine Inselstaaten besonders stark betroffen.

Vishal Prasad, Direktor der Studentengruppe hinter dem Verfahren erklärte dazu: „Heute haben die kleinsten Staaten der Welt Geschichte geschrieben.“ Auch Umweltorganisationen wie Greenpeace bewerten das Gutachten als historischen Meilenstein mit weitreichenden Folgen etwa für Industrieländer wie Deutschland:

Martin Kaiser vom Vorstand bezeichnete es als Paukenschlag mit Auswirkungen auf geplante Gasbohrungen sowie EU-Klimaziele bis über das Jahr 2035 hinaus. Ähnlich äußerte sich Christoph Bals von Germanwatch: „Zum ersten Mal legt das höchste Gericht dar, dass Staaten verpflichtet sind, global Schäden zu verhindern und Verantwortung dafür tragen.“

Das Urteil reiht sich ein in weitere internationale Entscheidungen zum Klima­schutzrecht wie Urteile europäischer Menschenrechtsgerichte oder Seegerichte kleiner Inselnationen seit April letzten Jahres bis hin zum Interamerikanischen Gerichtshof in Costa Rica Anfang dieses Jahres.

Bedeutung des igH-gutachtens im völkerrechtsgefüge

Obwohl das Gutachten keine vollstreckbare Entscheidung darstellt und kein eigener Vollzugsapparat existiert, besitzt es große Autorität als höchstes internationales Zivilgericht mit mehr als siebzig Unterwerfungserklärungen verschiedener Länder weltweit.

Seine Rechtssätze gelten umfassend als Quelle modernen Völkerrechts; nationale Gerichte können sie übernehmen und daraus verbindliche Verpflichtungen ableiten beziehungsweise Verstöße ahnden lassen.

Damit entsteht ein mächtiges Instrumentarium zugunsten eines effektiven global koordinierten Klimaschutzes auf juristischer Ebene – gerade angesichts zunehmender Klagen kleiner gegen große Nationen wegen unterlassener Schutzmaßnahmen oder verursachter Umweltschäden infolge fossiler Energienutzung.

Die pazifische Studentengruppe kommentierte abschließend selbstbewusst: „Dieses Gutachten wird eine Kettenreaktion auslösen und weltweite Klagewellen beschleunigen.“ Es markiert einen Wendepunkt im Kampf um rechtsverbindlichen Umweltschutz zwischen Staatengemeinschaftsinteressen sowie individuellen Betroffenheiten angesichts fortschreitender Erderwärmung weltweit.

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