Die Frage, ob eine volle Erwerbsminderungsrente automatisch zum Schwerbehindertenausweis berechtigt, betrifft viele Betroffene in Deutschland. Dabei handelt es sich um zwei unterschiedliche Rechtsbereiche mit verschiedenen Voraussetzungen und Zuständigkeiten.
Erwerbsminderung bei der gesetzlichen rentenversicherung
Die Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung wird im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt. Voraussetzung ist, dass die Betroffenen zuvor Beiträge in die Rentenkasse eingezahlt haben. Die gesetzliche Rentenversicherung prüft dabei den Grad der Erwerbsfähigkeit und entscheidet über den Anspruch auf eine entsprechende Rente.
Eine volle Erwerbsminderungsrente erhalten Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nur noch weniger als drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten können. Bei einer teilweisen Erwerbsminderung liegt diese Grenze zwischen drei und sechs Stunden täglicher Arbeitsfähigkeit.
Wichtig ist: Der Bezug einer vollen oder teilweisen Erwerbsminderungsrente führt nicht automatisch zu einem festgestellten Grad der Behinderung oder zur Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises. Diese beiden Leistungen sind voneinander unabhängig und werden von unterschiedlichen Behörden bearbeitet.
Unterschied zwischen erwerbsminderung und schwerbehinderung
Die Deutsche Rentenversicherung stellt klar: „Schwerbehinderte Menschen sind nicht unbedingt auch erwerbsgemindert.“ Der nach dem Schwerbehindertenrecht festgestellte Grad der Behinderung gibt keine Auskunft über das tatsächliche Leistungsvermögen des Betroffenen im Berufsleben.
Beispielhafte erklärung
Ein GdB von 50 bedeutet nicht automatisch einen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Umgekehrt kann jemand trotz erheblicher Einschränkungen am Arbeitsplatz keinen hohen GdB erhalten, da dieser nach anderen Kriterien bemessen wird.
Der Begriff Schwerbehinderung bezieht sich vor allem auf gesundheitliche Beeinträchtigungen, die das Leben außerhalb des Berufs beeinflussen können – etwa Mobilitätseinschränkungen oder Sinnesbeeinträchtigungen –, während die Erwerbsminderungsrente ausschließlich an die Fähigkeit zur Ausübung einer Arbeit gekoppelt ist.
Zuständigkeit von versorgungsamt und rentenversicherung
Für den Antrag auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ist ausschließlich die gesetzliche Rentenversicherung zuständig. Versicherte müssen dort ihren Antrag stellen; Voraussetzung für einen Anspruch sind ausreichende Beitragszeiten in der Rentenkasse sowie medizinische Gutachten zur Leistungsfähigkeit am Arbeitsmarkt.
Das Versorgungsamt hingegen beurteilt den Grad der Behinderung nach dem Sozialgesetzbuch IX und stellt bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen den Schwerbehindertenausweis aus. Dieses Verfahren läuft unabhängig vom Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente ab.
Betroffene müssen daher zwei getrennte Anträge stellen: Einen bei der Deutschen Rentenversicherung für die Rente wegen Erwerbsminderung sowie einen beim Versorgungsamt für Feststellung des Grades der Behinderung beziehungsweise Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises.
Verletztenrente versus erwerbminderungsrente
Neben der regulären gesetzlichen Rente gibt es auch spezielle Leistungen wie die Verletztenrente, welche durch Unfallversicherungen gezahlt wird. Diese kommt infrage bei Spätschäden infolge eines Arbeitsunfalls oder Berufskrankheit mit mindestens 20 Prozent Verlust an Erwerbsfähigkeit aufgrund dieser Ursache.
Die Verletztenrenten sollen Einkommensverluste durch berufsbedingte Gesundheitsschäden ausgleichen. Im Gegensatz dazu orientiert sich die gesetzliche Erwerbsminderungsrente an allgemeinen gesundheitlichen Einschränkungen ohne ursächlichen Bezug zu einem Unfallereignis am Arbeitsplatz.
Beide Leistungen – Verletzten- sowie Erwerbsminderungsrenten – können gleichzeitig bezogen werden; allerdings erfolgt dabei häufig eine Anrechnung zugunsten des Leistungsträgers, sodass keine doppelte Zahlung entsteht. Auch hier gilt jedoch: Eine Verletzten- oder Erwerbsminderungsrente begründet keinen automatischen Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis beziehungsweise einen bestimmten GdB-Wert beim Versorgungsamt.
Schwerbehinderung und arbeitsentgeltanrechnung
Arbeitgeber dürfen Zahlungen wie Erwerbsminderungs- oder Verletztenrentenzahlungen nicht ganz oder teilweise als Teil des Arbeitsentgelts anrechnen lassen, wenn diese aufgrund derselben Erkrankung erfolgen wie jene schwere Behinderung begründende Krankheit bzw. Beeinträchtigung vorliegt.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund weist darauf hin: „Das Anrechnungsverbot können Arbeitgeber weder durch entsprechende Regelungen im Arbeitsvertrag noch etwa durch Betriebsvereinbarungen außer Kraft setzen.“ Werden solche Zahlungen dennoch angerechnet, so gelten diese Regelungen als unwirksam.
Diese Vorschrift schützt Arbeitnehmer mit schweren gesundheitlichen Einschränkungen davor, dass ihnen finanzielle Nachteile entstehen, wenn sie neben ihrem regulären Gehalt zusätzliche staatlich zugesicherte Leistungen beziehen. Sie unterstreicht zudem, dass Schwerbehinderung rechtlich eigenständig gegenüber anderen Sozialleistungen behandelt wird.