Der Pharmakonzern Eli Lilly nutzt erstmals ein neues Gesetz, um mit den gesetzlichen Krankenkassen einen geheimen Rabatt für das Diabetes- und Adipositas-Medikament Mounjaro zu vereinbaren. Diese Entwicklung folgt auf eine Gesetzesänderung, die der Konzern maßgeblich beeinflusst hat.
Neues medizinforschungsgesetz ermöglicht geheime Preisverhandlungen
Im Rahmen des Medizinforschungsgesetzes, das vor neun Monaten in Kraft trat und wegen des Einflusses von Eli Lilly auch als „Lex Lilly“ bezeichnet wird, dürfen Arzneimittelhersteller künftig Preise für neue Medikamente gegenüber den Krankenkassen vertraulich behandeln. Das Unternehmen hat nun als erstes diesen Passus genutzt und nach eigenen Angaben einen wirtschaftlichen Preis ausgehandelt, der nicht veröffentlicht wird. Ein internes Schreiben von Anfang Juli an deutsche Ärztinnen und Ärzte bestätigt diese Verhandlung.
Das Medikament im Fokus ist Mounjaro, eine Spritze zur Behandlung von Typ-2-Diabetes sowie Fettleibigkeit . Die Vereinbarung betrifft die Rahmenbedingungen zum Erstattungsbetrag mit den gesetzlichen Kassen. Auch ein Vertreter des Interessenverbands der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen bestätigt laufende Verhandlungen; ein Vertragsabschluss könnte in Kürze erfolgen.
Die Arzneimittelpreisgestaltung in Deutschland ist komplex: Neue Präparate können zunächst frei bepreist werden, was schnelle Markteinführungen begünstigt. Anschließend bewertet das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen den Zusatznutzen im Vergleich zu bestehenden Therapien. Auf Basis dieser Bewertung verhandeln Krankenkassen mit Herstellern über Erstattungspreise – je höher der Zusatznutzen, desto höher darf der Preis sein.
Bewertung von mounjaro durch IQWiG zeigt nur geringen Zusatznutzen
Die Analyse des IQWiG fiel bei Mounjaro überwiegend negativ aus: Nur bei einer von acht Indikationen wurde ein geringer Zusatznutzen festgestellt; bei sieben weiteren Patientengruppen fehlten Nachweise dafür vollständig. Der Diabetologe Andreas Klinge vom Vorstand der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft kommentiert: „Logisch wäre es nun, dass der Preis von Mounjaro deutlich abgesenkt wird in die Nähe eines Vergleichspräparats.“ Als Referenz nennt er das Konkurrenzprodukt Ozempic.
In seinem Schreiben an Ärzte hebt Eli Lilly hingegen hervor, dass ihre Abnehmspritze gegenüber Ozempic überlegen sei – insbesondere hinsichtlich Gewichtsreduktion und Blutzuckerspiegelabsenkung. Allerdings gebe es bislang keine Studienergebnisse dazu, ob Patienten unter dem Präparat seltener Schlaganfälle oder Herzinfarkte erleiden oder länger leben würden. Weitere Langzeitdaten erwartet man laut Hersteller erst im Verlauf des Jahres.
Andreas Klinge weist darauf hin: „Gewichts- und Blutzuckerreduktion sind wichtige Therapieziele bei Typ-2-Diabetes“, doch ohne belegte klinische Endpunkte bleibe die Wirksamkeit unvollständig bewertet.
Unbekannter rabatt erschwert wirtschaftliche verordnung durch ärzte
Der Listenpreis einer Drei-Monats-Packung Mounjaro liegt bei 1 126 Euro – deutlich über dem vergleichbaren Produkt Ozempic mit einem Listenpreis von 291 Euro pro Packung gleicher Dauer und Dosierung. Die genauen Rabatte zwischen Krankenkasse und Hersteller bleiben künftig geheim; weder Apotheker noch Ärztinnen kennen sie offiziell.
Andreas Klinge kritisiert diese Intransparenz: „Ich weiß nicht, ob Mounjaro für die Krankenkassen teurer oder billiger als zum Beispiel Ozempic ist.“ Dabei schreibt das Sozialgesetzbuch vor, dass Therapien ausreichend wirksam sowie zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen – eine Einschätzung ohne Kenntnis tatsächlicher Kosten aber kaum möglich ist.
Das interne Schreiben betont zudem Vorteile geheimer Erstattungsbeträge wie mehr Verhandlungsspielraum ohne Auswirkungen auf internationale Preise anderer Länder Europas – denn Deutschland gilt als Referenzmarkt für viele europäische Staaten beim Festlegen eigener Arzneimittelpreise.
Folgen geheimer preise für selbstzahler bei adipositas-behandlung
Für Menschen mit Adipositas bleibt jedoch nur die Selbstzahlung zum vollen Listenpreis möglich; gesetzliche Krankenversicherungen übernehmen Medikamente zur Gewichtsreduktion grundsätzlich nicht gemäß Sozialgesetzbuch. Somit zahlen Betroffene etwa 1 126 Euro pro drei Monate selbst – während andere EU-Länder nur den Listenpreis sehen können ohne Kenntnis über mögliche Rabatte zugunsten gesetzlicher Kassenpatienten mit Diabetesindikation.
Auch beim Konkurrenzpräparat Wegovy zahlen Selbstzahler deutlich mehr als gesetzlich Versicherte; dennoch kostet Wegovy etwa halb so viel wie Mounjaro’s Abnehmspritze auf dem freien Markt trotz ähnlicher Wirkstoffeigenschaften.
Diese Preisdifferenzen werfen Fragen nach sozialer Gerechtigkeit sowie Transparenz auf angesichts steigender Nachfrage nach effektiven Adipositas-Therapien außerhalb regulärer Kostenerstattungssysteme in Deutschland.
Kritik an geheimpreisen aus sicht von krankenkassenverband und politik
Der Spitzenverband Bund der gesetzlichen Krankenversicherung lehnt geheime Rabattvereinbarungen ab: Sprecher Jens Ofiera erklärt dazu ausdrücklich: „Geheimpreise verteuern die Versorgung zugunsten höherer Gewinne der Pharmaindustrie ohne Verbesserung der Versorgung.“ Seiner Ansicht nach ermögliche diese Regelung Gewinnsteigerungen zulasten aller Beitragszahler durch Mehrkosten in Milliardenhöhe jährlich ohne messbaren Nutzen für Patientinnen oder Patienten im Gesundheitssystem Deutschlands.
Das Bundesgesundheitsministerium verteidigte zuvor mehrfach solche Regelungen unter Hinweis darauf, dass befürchtete Mehrkosten auf unsicheren Annahmen beruhten. Auf aktuelle Anfragen reagierte das Ministerium jedoch nicht mehr öffentlich.
Diese Entwicklungen markieren einen Wendepunkt in deutschen Arzneimittelverträgen zwischen Industrie sowie Kostenträgern hinsichtlich Transparenzpflichten gegenüber Ärzteschaft wie Versicherten gleichermaßen — insbesondere angesichts wachsender Bedeutung innovativer Therapien gegen chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 beziehungsweise Adipositas weltweit.