Die englische Frauenfußballnationalmannschaft setzt vor dem Halbfinalspiel der Europameisterschaft in der Schweiz erstmals nicht mehr die bekannte Knie-Geste gegen Rassismus ein. Die Spielerinnen wollen damit auf die anhaltenden Probleme mit Online-Hass und rassistischen Angriffen aufmerksam machen.
Protest gegen rassismus im fußball: hintergründe zur knie-geste und aktuelle entscheidung
Die Geste, vor einem Spiel niederzuknien, gilt seit einigen Jahren als Zeichen des Protests gegen Rassismus im Sport. Ursprünglich von NFL-Spieler Colin Kaepernick initiiert, wurde das Niederknien auch im Fußball übernommen, um Solidarität mit Betroffenen von Diskriminierung zu zeigen. Das englische Frauen-EM-Team hat diese Praxis bisher genutzt, um ein gemeinsames Zeichen zu setzen. Nun verzichten die Spielerinnen erstmals darauf – aus Protest gegen den aus ihrer Sicht nachlassenden Effekt dieser Geste.
Georgia Stanway vom FC Bayern München erklärt: „Diese Geste hat nicht den Erfolg gebracht, den wir uns davon erhofft haben. Darum wollen wir stehen bleiben.“ Mit diesem Schritt will das Team eine neue Aufmerksamkeit für das Thema Rassismus schaffen und verdeutlichen, dass symbolische Handlungen allein nicht ausreichen.
In Großbritannien wird die Diskussion über das sogenannte „Knee-Taking“ kontrovers geführt. Kritiker sehen darin routinierten Symbolismus oder gar „woken Quatsch“, während Befürworter betonen, dass es zumindest Bewusstsein geschaffen habe. Im Radiosender LBC zeigte sich Moderator Nick Ferrari über die Meinungen der Hörerschaft überrascht: „Viele respektieren zwar die Entscheidung der Lionesses, finden die Geste an sich aber stark. Die andere Hälfte sagt, das hatte nie eine Bedeutung.“
Der Verzicht auf das Niederknien ist somit kein Rückzug vom Kampf gegen Rassismus – vielmehr soll durch diese Veränderung eine neue Debatte angestoßen werden.
Online-hass und rassistische angriffe: erfahrungen von jess carter und unterstützung durch teamkolleginnen
Die 27-jährige Verteidigerin Jess Carter ist eine zentrale Figur in dieser Debatte geworden. Nach kritischen Kommentaren zu ihrer Leistung bei der EM sah sie sich massiven rassistischen Angriffen in sozialen Netzwerken ausgesetzt – insbesondere wegen ihres Aussehens und ihrer Herkunft als Person of Colour.
Carter zog sich daraufhin von sozialen Plattformen zurück und veröffentlichte eine Erklärung: „Auch wenn ich überzeugt bin, dass jeder Fan das Recht auf eine Meinung zu Leistung und Ergebnis hat, halte ich es nicht für akzeptabel, jemanden wegen seines Aussehens oder seiner Herkunft ins Visier zu nehmen.“ Diese Worte unterstreichen ihre klare Haltung gegenüber Diskriminierung jeglicher Art.
Der englische Fußballverband FA arbeitet inzwischen eng mit der Polizei zusammen, um Täter solcher Hassnachrichten strafrechtlich verfolgen zu lassen. Die Unterstützung innerhalb des Teams ist groß; Georgia Stanway betont: „Es sieht aus als stehe Jess alleine da – aber so viele stehen hinter ihr.“ Der Zusammenhalt unter den Spielerinnen zeigt sich auch darin, wie sie gemeinsam öffentlich Stellung beziehen.
Diese Vorfälle spiegeln ein größeres Problem wider: Mit dem wachsenden Interesse am Frauenfußball steigen leider auch Angriffe im Netz sowie Online-Hetze gegenüber Athletinnen insbesondere People of Colour betreffend.
Forderungen an social-media-plattformen zur bekämpfung toxischer inhalte
Neben individuellen Reaktionen richtet sich Kritik zunehmend an Betreiber sozialer Medienplattformen wie Twitter oder Instagram. Sanjay Bhandari von der Anti-Rassismus-Kampagne Kick it out beobachtet einen Rückschritt bei deren Maßnahmen zum Schutz vor Hasskommentaren:
„Die Social-Media-Unternehmen haben in den letzten vier oder fünf Jahren tatsächlich Rückschritte gemacht; die Situation ist schlimmer geworden“, so Bhandari weiter. „Sie müssen uns Tools zur Verfügung stellen, die uns schützen und toxische Einflüsse reduzieren. Sie tun einfach nicht genug.“
Diese Einschätzung verdeutlicht Defizite bei automatisierten Filtermechanismen sowie mangelnde Konsequenzen für Täter online-hasserfüllter Kommentare gegenüber Sportlerinnen aller Ebenen.
Das Thema bleibt hochaktuell angesichts steigender Popularität des Frauenfußballs weltweit sowie wachsender gesellschaftlicher Sensibilität für Diskriminierungsthemen rund um Herkunft oder Hautfarbe im Sportumfeld insgesamt.
Perspektive jess carter und aussichten fürs halbfinale bei frauen-em 2025
Trotz belastender Erfahrungen zeigt Jess Carter Stärke für bevorstehende Aufgaben beim Turnier 2025 in der Schweiz. Ihre Lebensgefährtin ist Torhüterin Ann-Katrin Berger aus Deutschland; beide sind prominente Figuren im internationalen Frauenfußballnetzwerk.
Englands Bundestrainerin Sarina Wiegman äußerte dazu optimistisch: „Jess möchte nach vorne blicken; sie ist stark; sie ist bereit; das Team auch – sie alle wollen kämpfen.“ Diese Aussage spiegelt sowohl Carters persönliche Resilienz als auch den kollektiven Willen des Teams wider.
Das Halbfinalspiel stellt somit neben sportlichem Wettbewerb zugleich einen weiteren Moment dar für Engagement gegen Rassismus sowie öffentliche Wahrnehmung dieses Themas durch aktive Beteiligung einer international beachteten Mannschaft wie England beim wichtigsten europäischen Turnier des Jahres 2025.