Discounter und Supermärkte bieten Kunden Rabatte an, wenn sie dafür ihre kostenfreie App nutzen. Dabei bezahlen Verbraucher nicht mit Geld, sondern geben persönliche Daten preis.
Rabattaktionen im einzelhandel und die rolle von kundenapps
Im Supermarkt oder Discounter fallen zahlreiche Rabattangebote ins Auge: 32 Prozent auf Cocktailtomaten, 18 Prozent auf Natur-Joghurt oder neun Prozent auf Kartoffelchips. Doch diese Nachlässe gelten oft nur für eine bestimmte Kundengruppe – jene, die die jeweilige Handy-App des Geschäfts verwenden. Wer keine App nutzt, zahlt den regulären Preis. Dieses Vorgehen ist inzwischen weit verbreitet und dient vor allem der Kundenbindung.
Die Apps sind in der Regel kostenfrei verfügbar und werben damit offensiv. Allerdings zahlen Verbraucher nicht mit Geld, sondern mit ihren persönlichen Daten. Beim Anmelden für das Bonusprogramm werden Informationen wie Vorname, Alter, Geschlecht sowie bevorzugte Filiale abgefragt. Weitere Angaben wie Adresse oder Nachname sind meist nur bei Onlinebestellungen verpflichtend.
Darüber hinaus erfassen die Apps sowohl beim Einkauf in der Filiale als auch online detaillierte Daten über gekaufte oder zurückgegebene Waren. Diese Informationen ermöglichen es den Händlern, ihr Angebot besser zu steuern und gezielte Werbung auszuspielen.
Datenerfassung bei lidl: kritik durch verbraucherzentrale
Der Lebensmittel-Discounter Lidl steht aktuell wegen seiner Bonus-App vor Gericht: Die Verbraucherzentrale hat eine Unterlassungsklage eingereicht und fordert mehr Transparenz bei der Datenerhebung durch Lidl. Heiko Dübel vom Bundesverband Verbraucherzentrale erklärt dazu: „Kostenfrei heißt aber aus unserer Sicht natürlich nicht kostenlos. Denn Verbraucher zahlen hier mit ihren Daten.“
Die Kritik richtet sich insbesondere darauf, dass Lidl seine Kunden beim Anmelden für das Bonusprogramm unzureichend darüber informiert, welche personenbezogenen Daten erhoben werden und wofür diese genutzt werden sollen.
Lidl selbst gibt an, die gesammelten Informationen zu verwenden, um beispielsweise den Ausbau des Filialnetzes zu planen sowie Prospekte zielgerichtet zu verteilen oder personalisierte Angebote in der App bereitzustellen. Laut eigenen Angaben nutzen rund 100 Millionen Menschen weltweit die Lidl-App.
Andere große Einzelhändler wie Rewe, Edeka oder Aldi verfolgen ähnliche Strategien zur Nutzung von Kundendaten aus ihren Apps zur Steigerung der Kundenbindung durch Personalisierung von Angeboten.
Rechtliche bewertung und gesellschaftliche debatte um datenwert
Für Experten im Einzelhandel ist das Sammeln von Kaufdaten längst gängige Praxis – doch es gibt unterschiedliche Auffassungen über deren Bedeutung für Verbraucherinnen und Verbraucher.
Stephan Rüschen von der Duale Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn erläutert dazu: „Die Frage ist, ob ich als Verbraucher wirklich ein Problem damit habe, dass der Händler weiß, welche Milch oder Nudeln ich kaufe.“ Er betont zudem: „Wenn ich damit ein Problem habe – dann sollte ich das nicht tun.“ Für ihn handelt es sich meist um vergleichsweise geringe Datenmengen; jeder müsse selbst entscheiden können ob er eine solche App nutzt.
Trotzdem hat die Klage gegen Lidl eine breitere Debatte über den Wert persönlicher Einkaufsdaten ausgelöst – auch juristisch gestaltet sich die Lage komplexer als zunächst angenommen:
Oliver Mosthaf vom Oberlandesgericht Stuttgart sagte am ersten Verhandlungstag: „Wir haben einen Sachverhalt, der relativ einfach ist; aber eine Rechtslage ,die ziemlich kompliziert‘.“ Es gehe unter anderem darum zu klären,
ob Händler verpflichtet seien,
einen Gesamtpreis anzugeben,
auch wenn dieser keine Geldzahlung enthalte,
sondern etwa eine Gegenleistung in Form persönlicher Daten fordere;
und ob man „kostenlos“ sagen dürfe,
wenn zwar kein Geld fließe,
aber andere Leistungen erbracht würden – hier eben persönliche Einkaufsinformationen.
Das Urteil wird am 23. September erwartet; allerdings könnte sich dieser Rechtsstreit noch deutlich länger hinziehen:
Das Oberlandesgericht kündigte bereits an,
eine Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen;
und falls nötig könnte sogar ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof folgen –
da es auch um Auslegungen einer EU-Richtlinie geht –
was weitere Verzögerungen bedeuten würde.