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Lepra heute: verbreitung, geschichte und irrtümer zu einer chronischen bakterienerkrankung

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Die Lepra gilt als eine der ältesten bekannten Infektionskrankheiten und ist bis heute mit zahlreichen Mythen behaftet. Trotz moderner Behandlungsmethoden treten jährlich weltweit über 200 000 Neuerkrankungen auf, vor allem in Brasilien, Indien und Indonesien. Die Krankheit wird oft fälschlich als Relikt vergangener Zeiten angesehen, was die Bekämpfung erschwert und Betroffene stigmatisiert.

Weltweite verbreitung der lepra und aktuelle zahlen

Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation werden jährlich mehr als 200 000 neue Fälle von Lepra diagnostiziert. Die meisten Erkrankungen konzentrieren sich auf die Länder Brasilien, Indien und Indonesien, wo jeweils über 10 000 Fälle pro Jahr gemeldet werden. Darüber hinaus verzeichnen mindestens 13 weitere Länder in Afrika sowie Süd- und Südostasien mehr als 1 000 Neuerkrankungen jährlich. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus, da viele Fälle nicht erfasst oder gemeldet werden.

In der WHO-Region Europa wurden im Jahr 2023 lediglich 37 Fälle registriert, die überwiegend auf eingeschleppte Infektionen zurückzuführen sind. Dies verdeutlicht den regionalen Unterschied bei der Verbreitung: Lepra tritt vor allem in Ländern mit hoher Armut auf. Der Immunologe John Spencer von der Colorado State University erklärt diesen Zusammenhang damit, dass Faktoren wie Mangelernährung oder unbehandelte Infektionen das Risiko für Ansteckung sowie einen schweren Krankheitsverlauf erhöhen.

Die Krankheit ist somit eng mit schlechten hygienischen Bedingungen verbunden sowie einem eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung – typische Merkmale vieler ärmerer Regionen weltweit. Neben den sozialen Umständen beeinflussen auch individuelle Faktoren wie das Immunsystem maßgeblich den Verlauf nach einer Ansteckung.

Ursachen der lepra und symptombeschreibung

Lepra wird durch Bakterien des Typs Mycobacterium leprae verursacht; seltener kommt M. lepromatosis vor. Es handelt sich um eine chronische Infektionskrankheit mit unklaren Übertragungswegen; Hinweise deuten jedoch darauf hin, dass Tröpfcheninfektion über die Nasenschleimhaut möglich ist.

Typisch für Lepra sind sichtbare Hautveränderungen: Auf dunkler Haut erscheinen diese heller als das umliegende Gewebe; bei hellerer Haut zeigen sie sich rötlich gefärbt. Zusätzlich schädigt die Erkrankung Nervenbahnen so stark, dass Berührungs-, Schmerz- sowie Temperaturempfindlichkeit beeinträchtigt sein können. Auch Schleimhäute in Atemwegen oder Augen können betroffen sein.

Ein besonderes Merkmal ist das Fehlen von Schmerzen während des Krankheitsverlaufs – ein Umstand, den die Infektionsbiologin Christa Kasang vom Deutschen Aussätzigen Hilfswerk hervorhebt: „Veränderungen im Körper finden statt ohne Schmerzsignal.“ Dadurch entstehen häufig erst spät erkennbare Lähmungserscheinungen wie Verkrümmungen an Händen oder unvollständiges Schließen der Augenlider – Zeichen bereits fortgeschrittener Nervenschäden.

Behandlung und therapieansätze bei lepra

Die Behandlung erfolgt mittels Multi-Drug-Therapie mit Antibiotika wie Rifampicin, Clofazimin und Dapson über sechs bis zwölf Monate; diese Therapie heilt meist vollständig aus und verhindert dauerhafte Behinderungen bei frühzeitigem Beginn.

Lepra gilt als wenig ansteckend: Nur längerer enger Kontakt führt zur Übertragung; etwa fünf Prozent aller Kontaktpersonen entwickeln Symptome nach Inkubationszeit zwischen drei Monaten bis zu vier Jahrzehnten . Neben Umweltfaktoren spielen genetische Dispositionen eine Rolle beim Ausbruch der Krankheit – rund neunzig Prozent aller Menschen weisen natürliche Resistenz gegen Lepra auf.

Historische fehlurteile prägen heutige wahrnehmung

Das Bild von Lepra wurde im Laufe seiner Geschichte vielfach verzerrt durch kulturelle Missverständnisse sowie soziale Vorurteile gegenüber Erkrankten geprägt – insbesondere seit dem 19. Jahrhundert entstand ein negatives Narrativ um Rückständigkeit und Ausgrenzung betroffener Personen.

Der Wissenschaftshistoriker Magnus Vollset von der Universität Bergen beschreibt dies folgendermaßen: Während Europas Bevölkerung damals immer weniger an Lepra erkrankte – interpretiert man dies als Erfolg westlicher Zivilisation –, breitete sich die Krankheit gleichzeitig in kolonialisierten Gebieten aus; dort galt sie als Zeichen mangelnder Zivilisation beziehungsweise Fortschrittsrückstandes unter Einheimischen .

1873 entdeckte der Norweger Gerhard Armauer Hansen den Erreger Mycobacterium leprae. Diese Entdeckung führte allmählich zum Verständnis eines biologischen Ursprungs statt göttlicher Strafe oder moralischer Schuld für Betroffene. Dennoch blieb lange Zeit bestehen, dass Leprakranke isoliert wurden – etwa in Norwegen durch Absonderung in sogenannten Leprakolonien –, was man damals für human hielt gegenüber mittelalterlichen Praktiken grausamer Ausgrenzung darstellte.

Diese Darstellung diente dazu, moderne Segregation zu legitimieren, indem frühere Zeiten bewusst negativer bewertet wurden — obwohl historische Forschungen andere Realitäten zeigen:

Mittelalterliche realitäten versus mythen zur lepraegeschichte

Entgegen populärer Annahmen waren Aussätzige im Mittelalter nicht grundsätzlich rigoros ausgegrenzt oder gesellschaftlich geächtet aufgrund ihrer Erkrankung allein wegen Ansteckungsängsten:

Historische Untersuchungen britischer Forscherinnen legen nahe, dass sogenannte Leprosarien häufig nahe Burgen oder Siedlungen lagen — ein sichtbares Zeichen gesellschaftlicher Fürsorge gegenüber Kranken . Zudem fanden archäologische Studien unter Leitung von Professorin Charlotte Roberts heraus: Leprakranke wurden gewöhnlich bestattet wie andere Verstorbene auch ohne besondere Stigmatisierung ihrer Gräber anzunehmen — Hinweise darauf liefern Skelettanalysen aus Großbritannien ebenso wie anderen Regionen weltweit.

Auch während ihres Lebens erfuhren viele Betroffene keine zwangsweise Isolation, sondern lebten teils relativ angenehm innerhalb dieser Einrichtungen bzw. konnten frei bleiben, wenn ihr Zustand es erlaubte.

Diese Erkenntnisse widersprechen dem Bild vom mittelalterlichen „lebendig Begrabenen“ oder „Aussätzigen“, welche angeblich nur noch am Rande existierten bzw. komplett ausgeschlossen waren.

Dennoch halten sich solche Vorstellungen hartnäckig weiter fort – sowohl kulturell bedingt durch biblische Interpretationen – aber auch wegen sozialer Ängste vor Ansteckung. Noch heute führen sie zur Diskriminierung vieler Patienten weltweit.

In einigen Ländern wurde deshalb vorgeschlagen, Krankheiten umzubenennen: So heißt beispielsweise Lepra offiziell nur noch Hansen-Krankheit um negative Assoziationen abzubauen.

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