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Grundsicherndes bedingungsloses grundeinkommen in deutschland: finanzierbarkeit und soziale wirkungen laut marcel fratzscher

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Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat eine Studie vorgelegt, die zeigt, dass ein existenzsicherndes bedingungsloses Grundeinkommen in Deutschland finanzierbar ist und die Einkommensgerechtigkeit deutlich verbessern würde. Marcel Fratzscher, Präsident des DIW, erläutert die wichtigsten Ergebnisse und Auswirkungen dieses Modells.

Finanzierungsmöglichkeiten eines bedingungslosen grundeinkommens

Die Studie des DIW Berlin basiert auf einem Modell mit einem Grundeinkommen von 1 200 Euro pro erwachsenem Menschen sowie 600 Euro für jedes minderjährige Kind. Die jährlichen Gesamtkosten würden sich auf etwa 1 100 Milliarden Euro belaufen. Allerdings entfallen im Gegenzug sämtliche bisherigen Sozialleistungen wie Sozialhilfe, Bürgergeld, Bafög, Wohngeld oder Kinderzuschlag vollständig. Dadurch verbleibt eine effektive Finanzierungssumme von rund einer Billion Euro.

Zur Deckung dieser Kosten schlägt Fratzscher eine einheitliche Steuer von 50 Prozent auf alle Einkommen aus Arbeit und Kapital vor – ohne Freibeträge oder Ausnahmen. Das bedeutet konkret: Jeder Bürger erhält das Grundeinkommen ausgezahlt; zusätzlich versteuert er jeden darüber hinaus verdienten Euro mit der halben Summe an den Staat zurück. Dieses Modell soll sicherstellen, dass die Finanzierung sozial gerecht erfolgt und keine zusätzlichen Belastungen für den Großteil der Bevölkerung entstehen.

Fratzscher betont dabei ausdrücklich: „Ein solches System belastet die meisten Menschen nicht zusätzlich.“ Die Steuerlast wird gleichmäßig verteilt und berücksichtigt sowohl Arbeitseinkommen als auch Kapitaleinnahmen umfassend.

Auswirkungen auf die einkommensgerechtigkeit

Laut der Analyse des DIW würde das vorgeschlagene Grundeinkommensmodell zu einer drastischen Reduzierung der Einkommensungleichheit führen – um etwa ein Drittel gegenüber dem aktuellen Stand. Besonders profitieren würden Familien mit Kindern durch den Zuschlag von 600 Euro pro minderjährigem Kind; Singles erhalten ebenfalls Vorteile, allerdings in geringerem Maße.

Die Armutsgefährdung sinkt nach Angaben Fratzschers noch deutlicher als die Ungleichheit bei Einkommen insgesamt: Statt derzeit rund 13 Millionen Menschen wären nur noch etwa vier Millionen Personen in Deutschland armutsbedroht. Dies stellt einen erheblichen sozialen Fortschritt dar.

Fratzscher bewertet zudem das Risiko negativer wirtschaftlicher Effekte als gering einzuschätzen. Zwar müssten Spitzenverdiener mit einem Einkommensrückgang von circa 15 Prozent rechnen – dies sei jedoch vergleichbar mit früheren Zeiten hoher Spitzensteuersätze wie unter Helmut Kohl . Die wirtschaftliche Entwicklung in den Achtziger- sowie frühen Neunzigerjahren war damals sehr positiv trotz dieser Belastungen.

Entlastungen für breite bevölkerungsschichten und schließung der finanzierungslücke

Das Modell sieht vor allem Entlastungen für rund 70 bis 80 Prozent aller Erwerbstätigen vor – also insbesondere für Geringverdiener sowie breite Teile der Mittelschicht. Diese Bevölkerungsgruppen würden finanziell spürbar profitieren statt nur diejenigen am unteren Ende des Einkommensspektrums.

Eine verbleibende Finanzierungslücke von circa 200 Milliarden Euro könnte durch vermögensbezogene Steuern geschlossen werden – beispielsweise höhere Immobilien- oder Erbschaftsteuern. Deutschland besteuere Vermögen im internationalen Vergleich relativ niedrig; Anpassungen an Niveaus wie in Frankreich oder den USA könnten zusätzliche Einnahmen generieren.

Fratzscher weist darauf hin: „Kaum ein Land besteuert Arbeit so hoch wie Deutschland bei gleichzeitig niedriger Vermögensbesteuerung.“ Würden Grundbesitz sowie Immobilien ähnlich stark besteuert wie dort üblich, ergäben sich Mehreinnahmen von etwa 120 Milliarden Euro jährlich zur Finanzierung eines solchen Grundeinkommensmodells.

Gesellschaftliche wirkungen eines bedingungslosen grundeinkommens

Neben finanziellen Aspekten könnte ein bedingungsloses Grundeinkommen laut Fratzscher positive Effekte auf Arbeitsmotivation und Produktivität haben. Viele Bürgerinnen und Bürger seien heute durch komplexe Steuersysteme sowie hohe Transferentzüge bei geringem Einkommen belastet; diese Hemmnisse könnten abgebaut werden.

Darüber hinaus ließen sich erhebliche Einsparpotenziale bei bürokratischen Verwaltungsaufgaben realisieren: Fachkräfte könnten statt Sozialbürokratie künftig produktivere Tätigkeiten übernehmen und so Mehrwert schaffen – sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich relevant.

Fratzscher beschreibt diesen Wandel folgendermaßen: „Das bedingungslose Grundeinkommen verändert grundlegend die Logik unserer Sozialsysteme.“ Statt lediglich reaktiv Hilfe zu leisten wenn bereits Schäden entstanden sind, ermögliche es präventive Befähigung einzelner Menschen zur eigenständigen Lebensgestaltung ohne existenzielle Sorgen im Hintergrund zu haben.

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