Der Sommerurlaub in kühleren Regionen gewinnt angesichts steigender Temperaturen zunehmend Aufmerksamkeit. Ob sich der Trend „Coolcation“ bereits deutlich im Reiseverhalten deutscher Urlauberinnen und Urlauber manifestiert, untersuchen Reiseveranstalter und Wissenschaftler.
Das phänomen coolcation und seine bedeutung für den tourismus
Der Begriff Coolcation beschreibt die bewusste Entscheidung, den Sommerurlaub nicht wie üblich in südlichen, heißen Destinationen zu verbringen, sondern stattdessen kühlere Breitengrade anzusteuern. Diese Entwicklung wird vor allem durch die zunehmenden Hitzewellen in Südeuropa begünstigt. Viele Reisende bevorzugen Wanderungen oder Outdoor-Aktivitäten an Orten mit gemäßigten Temperaturen statt des klassischen Badeurlaubs bei 40 Grad Celsius.
Trotz dieser Beobachtungen fällt es großen deutschen Reiseveranstaltern schwer, einen klaren Trend zu bestätigen. Die Buchungszahlen für klassische Urlaubsziele wie Spanien, Türkei oder Griechenland bleiben stabil auf hohem Niveau – auch höhere Preise scheinen die Nachfrage kaum zu dämpfen. So erklärt ein Sprecher von TUI, dem größten deutschen Veranstalter: „’Coolcation‘ ist zwar als Begriff bekannt geworden, aber die Umsätze sind im Vergleich zum Badeurlaub weiterhin gering.“
Nordische lage beliebt, aber ergänzend
Auch Wettbewerber wie DERTOUR bestätigen eine gewisse Beliebtheit nordischer Länder: „Die nordischen Länder liegen tatsächlich im Trend“, heißt es dort. Allerdings verdrängen diese Destinationen nicht die warmen Baderegionen; vielmehr handelt es sich um eine ergänzende Option für Individualreisende.
Ein wesentlicher Unterschied liegt zudem in der Infrastruktur: Nordeuropäische Länder bieten weniger Pauschalangebote und verfügen über eine andere Hotelstruktur als Mittelmeerregionen. Viele Besucher reisen individuell an – oft mit dem eigenen Auto – und buchen ohne Vermittlung durch Veranstalter.
Wissenschaftliche perspektiven auf veränderungen im reiseverhalten
Tourismusforscher analysieren das Phänomen aus langfristiger Sicht. Harald Zeiss von der Hochschule Harz betont, dass Touristen traditionell sehr standorttreu seien: „Selbst nach Katastrophen besuchen viele ihre gewohnten Urlaubsziele weiterhin.“ Dennoch beobachtet er Veränderungen beim Buchungsverhalten aufgrund politischer Krisen oder klimatischer Bedingungen.
Insbesondere ältere Menschen zeigen laut Zeiss eine Tendenz zur Verlagerung ihrer Reisen weg von den heißesten Sommermonaten hin zur Nebensaison mit milderen Temperaturen. Ein eindeutiger wissenschaftlich belegter Wandel sei bisher jedoch nicht feststellbar: „Ich gehe aber davon aus, dass sich das Reise- und Buchungsverhalten angesichts weiter steigender Temperaturen verändern wird.“
Bisherige Umfragen liefern kein klares Bild über das Ausmaß des Coolcation-Trends; Veränderungen vollziehen sich meist schrittweise über Jahre hinweg.
Prognosen europäischer studien zum tourismus unter klimawandelbedingungen
Mehrere Studien der Europäischen Union beschäftigen sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf Tourismusströme innerhalb Europas. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2023 basiert vor allem auf Verhaltensannahmen statt repräsentativer Umfragen und prognostiziert deutliche Verschiebungen bei der Nachfrage nach Reisezielen.
Demnach profitieren nördliche Regionen vom Klimawandel durch steigende Attraktivität während südliche Gebiete erhebliche Rückgänge erleben könnten: „Die nördlichen Regionen profitieren vom Klimawandel, während die südlichen Regionen mit erheblichen Rückgängen konfrontiert sind“, so EU-Forscher.
Wintertourismus als saisonale entlastung
Eine weitere Studie aus Dezember 2024 hebt hervor, dass wärmere südliche Küstenregionen verstärkt Wintertouristen anziehen könnten – was eine saisonale Entlastung während der heißen Sommermonate bewirken würde. Diese Entwicklung wäre unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten positiv zu bewerten.
Insgesamt deuten diese Prognosen darauf hin, dass deutsche Urlauberinnen und Urlauber künftig häufiger kühlere Destinationen ins Auge fassen könnten – zumindest außerhalb der Hauptsaison.
Regionale beispiele für veränderte besucherströme aufgrund hitzeextremen
Konkrete Hinweise auf veränderte Reisemuster zeigen sich auch regional innerhalb Deutschlands selbst sowie bei internationalen Gästen hierzulande. So verzeichnet etwa die Region Hochschwarzwald seit einigen Jahren einen Anstieg von Besuchern aus Südeuropa wie Spanien.
Diese Gäste suchen Schutz vor extremer Hitze in ihren Heimatländern und nutzen kühlere Berg- oder Waldgebiete als Alternative zum traditionellen Strandurlaub am Mittelmeerstrand bei hohen Temperaturen über 35 Grad Celsius im Sommermonat Juli oder August.
Solche Entwicklungen illustrieren anschaulich den Einfluss klimatischer Veränderungen auf touristische Entscheidungen sowohl national als auch international – ein Faktor mit wachsender Bedeutung für zukünftige Planungen von Destinationen sowie Reiseveranstaltern gleichermaßen.