Ein Leistungsbezieher aus Wernigerode, dessen Altersrente kurz bevorstand, musste sich nicht zu einem Umzug verpflichten, um die Kosten der Unterkunft zu senken. Das Sozialgericht Magdeburg entschied zugunsten des Betroffenen gegen das zuständige Jobcenter.
Hintergrund und mietkosten im fall Wernigerode
Der Kläger und seine Ehefrau wohnten in einer Mietwohnung in Wernigerode. Die monatliche Grundmiete betrug 305,97 Euro. Hinzu kamen kalte Betriebskosten von 65,80 Euro sowie Heizkosten ebenfalls in Höhe von 65,80 Euro. Zusätzlich wurde ein Modernisierungszuschlag von 13,42 Euro monatlich fällig. Insgesamt lagen die tatsächlichen Wohnkosten somit deutlich über den vom Jobcenter anerkannten Beträgen.
Das zuständige Jobcenter bewertete die Bruttokaltmiete mit 371,77 Euro – zusammengesetzt aus der Kaltmiete von 305,97 Euro plus den Betriebskosten von 65,80 Euro – als angemessen gemäß der örtlichen Unterkunftsrichtlinie. Es forderte den Leistungsbezieher auf, innerhalb von sechs Monaten eine Kostensenkung um knapp 70 Euro vorzunehmen und verwies dabei auf die geltenden Richtlinien für angemessene Unterkunftskosten.
Nach Ablauf dieser Frist bewilligte das Jobcenter lediglich monatliche Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 301,80 Euro sowie Heizkosten unverändert mit 65,80 Euro. Der Betroffene legte gegen diese Entscheidung Widerspruch ein; dieser wurde jedoch abgelehnt.
Bürgergeldanspruch und übergang zur altersrente
Mit dem Eintritt in die Altersrente endet grundsätzlich der Anspruch auf Bürgergeld . Das Bürgergeld setzt Erwerbsfähigkeit und Vermittlungsfähigkeit voraus; im Rentenalter ist stattdessen bei Hilfebedürftigkeit eine Grundsicherung im Alter möglich.
Im vorliegenden Fall hätte der Kläger nur noch wenige Monate Bürgergeld bezogen bis zum Beginn seiner Altersrente fünf Monate nach Ablehnung des Widerspruchsbescheids durch das Jobcenter.
Diese zeitliche Nähe spielte eine zentrale Rolle bei der Beurteilung des Zumutbarkeitsmaßstabs hinsichtlich eines erforderlichen Umzugs zur Senkung der Unterkunftskosten.
Klage vor dem sozialgericht magdeburg
Der Leistungsbezieher reichte Klage beim Sozialgericht Magdeburg ein mit dem Ziel einer Nachzahlung weiterer Kosten für seine Unterkunft zwischen Juli und Dezember desselben Jahres. Er verlangte monatlich zusätzlich einen Betrag von 34,98 Euro für seinen Anteil an den nicht erstatteten Mietkosten oberhalb des anerkannten Rahmens.
Das Gericht prüfte insbesondere § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II: Demnach sind Bedarfe für Unterkunft und Heizung grundsätzlich bis zur Höhe tatsächlicher Aufwendungen anzuerkennen – sofern diese angemessen sind.
Im konkreten Fall hatte das Jobcenter zwar alle Heizkosten übernommen; jedoch wurden nur Teile der tatsächlichen Kaltmiete berücksichtigt. Der Kläger machte ausschließlich seinen kopfteiligen Anteil an einer Differenz zwischen tatsächlicher Kaltmiete und berücksichtigter Kaltmiete geltend – abzüglich bereits gewährter zusätzlicher Leistungen für seine Ehefrau .
Urteil: Zumutbarkeit eines umzugs kurz vor renteneintritt
Die Richter befanden die Klage als begründet und bestätigten einen Anspruch auf Zahlung weiterer Kostenanteile durch das Jobcenter:
Um eine Kostensenkung zu erreichen hätte ein Wohnungswechsel erfolgen müssen; andere Möglichkeiten bestanden laut Gerichtsbeschluss nicht. Ein solcher Umzug sei dem Betroffenen jedoch wenige Monate vor Erlöschen seines Anspruchs auf Bürgergeld wegen Renteneintritt nicht zumutbar gewesen.
Daher müsse das Jobcenter auch jene Kosten übernehmen dürfen beziehungsweise müssen, welche über die Grenze der Angemessenheit hinausgingen – zumindest solange keine realistische Alternative bestehe oder keine längere Bezugsdauer mehr verbleibe.
Dieses Urteil verdeutlicht praxisnah Grenzen behördlicher Forderungen gegenüber Leistungsempfängern kurz vor einem Wechsel in den Ruhestand sowie deren Schutz bei unverhältnismäßigen Belastungen durch kurzfristige Kostensenkungsmaßnahmen seitens öffentlicher Stellen.