Die zunehmende Trockenheit und Wasserknappheit führen weltweit zu einem steigenden Interesse an der Entsalzung von Meerwasser. Länder wie Israel, Spanien oder Saudi-Arabien setzen diese Technologie bereits erfolgreich ein. Auch in Deutschland wird diskutiert, ob die Ostsee als strategischer Standort für Entsalzungsanlagen dienen kann.
Wasserknappheit durch klimawandel und globale entwicklung
Der Klimawandel verursacht in vielen Regionen eine zunehmende Wasserverknappung trotz der Tatsache, dass rund zwei Drittel der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt sind. Allerdings handelt es sich bei nur 2,5 Prozent um Süßwasser, das überwiegend in Gletschern oder tiefen Grundwasserschichten gebunden ist. Für den Menschen steht weniger als ein Prozent des gesamten Wasservorkommens als Trink- und Brauchwasser zur Verfügung.
Das Bundesministerium für Zusammenarbeit schätzt, dass bis zum Jahr 2050 etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung in wasserarmen Gebieten leben werden. Gleichzeitig soll der weltweite Wasserbedarf aufgrund von Bevölkerungswachstum und Klimawandel um bis zu 30 Prozent steigen. Diese Entwicklung erhöht den Druck auf bestehende Wasserversorgungssysteme erheblich.
In Deutschland sinken auch in bislang wasserreichen Regionen die Grundwasserspiegel kontinuierlich. Die Versorgung erfolgt derzeit noch über Grundwasserentnahmen sowie Fernwasserleitungen aus anderen Regionen. Angesichts häufiger auftretender Hitzeperioden wächst jedoch das Interesse an alternativen Lösungen wie Meerwasserentsalzung.
Technologien zur entsalzung: verfahren und energieverbrauch
Zur Gewinnung von Trink- oder Brauchwasser aus Meer- beziehungsweise Brackwasser kommen hauptsächlich zwei Verfahren zum Einsatz: Umkehrosmose und thermische Destillation.
Bei der thermischen Methode wird Meerwasser erhitzt, verdampft anschließend und kondensiert zu Süßwasser zurück. Dieses Verfahren benötigt sehr viel Energie wegen des hohen Erhitzungsaufwands und wird vor allem dort eingesetzt, wo fossile Energieträger günstig verfügbar sind – beispielsweise im Nahen Osten oder Nordafrika. Der CO2-Ausstoß ist dabei besonders hoch.
Die Umkehrosmose funktioniert durch Hochdruckpressung des Wassers durch eine semipermeable Membran, welche Salze zurückhält aber Wassermoleküle passieren lässt. Dieses Verfahren verbraucht deutlich weniger Energie als die thermische Variante – teilweise bis zu zehnmal weniger – weshalb mehr als 90 Prozent aller Entsalzungsanlagen weltweit nach diesem Prinzip arbeiten.
Die International Water Association prognostiziert einen starken Rückgang von Kosten sowie Energieverbrauch innerhalb der nächsten zwanzig Jahre dank technologischer Fortschritte sowie verstärktem Einsatz erneuerbarer Energien wie Wind- oder Solarenergie.
Beispielsweise entsteht aktuell im marokkanischen Dakhla eine neue Anlage zur Meerwasserentsalzung mit Windkraftversorgung zur nachhaltigen Energieerzeugung.
Ostsee bietet vorteile für deutsche entsalzungsprojekte
Deutschland könnte laut Claus Mertes, Geschäftsführer der Gesellschaft Deutsche MeerwassserEntsalzung in Duisburg, einen strategischen Vorteil durch seine Lage an der Ostsee haben:
„Die Windparks liefern stetig grüne Energie,“ erklärt er weiter; „das Brackwasser hat zudem einen geringeren Salzgehalt als andere Meere.“
Dadurch sinkt sowohl der Energiebedarf bei Produktion als auch die Kosten erheblich im Vergleich zu Anlagen am offenen Ozean mit höherem Salzgehalt im Wasser. Mertes schätzt den Preis pro Kubikmeter Trinkwassers auf etwa 2,25 Euro für Endverbraucher – vergleichbar mit dem aktuellen Durchschnittspreis von rund zwei Euro pro Kubikmeter aus Grund- oder Seewasserquellen in Deutschland.
Das entsalzte Ostseewasser könnte über bestehende Kanäle beispielsweise das Ruhrgebiet oder Berlin teilweise versorgen – was insbesondere angesichts regionaler Trockenphasen interessant erscheint.
In Rostock wurde deshalb bereits eine Machbarkeitsstudie gestartet: Der Wirtschaftsstandort leidet unter begrenzter Verfügbarkeit von Industrie-Wasserressourcen; neue Investorenanfragen können nicht vollständig bedient werden. Michael Fengler vom Planungsverband Rostock sieht Potenzial darin:
„Meerwasserentsalzung ist kostengünstig und kann umweltfreundlich unsere Region stärken.“
Herausforderungen bei kostenstruktur und sole-entstehung
Trotz positiver Aussichten bestehen weiterhin Herausforderungen bei Wirtschaftlichkeit sowie Umweltverträglichkeit dieser Technik:
Derzeit sind Entsalzungsverfahren oft noch energieintensiv beziehungsweise teuer – insbesondere wenn keine erneuerbaren Energien genutzt werden können –, was sich vor allem auf großflächige Anwendungen wie Landwirtschaft negativ auswirkt. Die Landwirtschaft verbraucht weltweit rund siebzig Prozent des verfügbaren Süßwassers; ihr Bedarf steigt bis 2050 voraussichtlich nochmals um neunzehn Prozent aufgrund wachsender Bewässerungenutzung bei Nahrungsmittelproduktion auf bewässerten Flächen .
Zudem enthält entsalztes Wasser meist nicht ausreichend Nährstoffe für Pflanzenwachstum; es müsste daher entweder gedüngt oder mit natürlichem Süßwasser gemischt werden – was zusätzliche Kosten verursacht.
Ein weiteres Problem stellt die sogenannte Sole dar: Das Nebenprodukt nach Entfernung von Salz besteht aus hochkonzentriertem Salzwasser inklusive Metallen wie Lithium oder Bor sowie Chemikalien aus Reinigungsverfahren.
Diese Sole wird meist wieder ins Meer geleitet; dabei muss sie gut verdünnt werden um ökologische Schäden möglichst gering zu halten.
Julio Barea von Greenpeace Spanien warnt vor negativen Folgen solcher Ableitungen entlang spanischer Küstenregionen:
„Studien zeigen Auswirkungen wie erhöhte Wassertemperaturen sowie reduzierten Sauerstoffgehalt – beides führt zu schweren Schäden an Gewässern.“
Auch Jörg Rechenberg vom Umweltbundesamt äußert Bedenken bezüglich möglicher Belastungen sensibler Ökosysteme speziell im Ostseeraum:
„Rückleitung könnte massive Auswirkungen auf Flora und Fauna haben.“
Dennoch hält er weitere Prüfungen unter Berücksichtigung erneuerbarer Energien angesichts fortschreitender Trockenheit künftig für notwendig.
Claus Mertes verweist daraufhin auf Vorteile beim Einsatz von Brack statt Salzwasser:
„Bei Produktion eines Kubikmeters Trink wassers bleiben durchschnittlich sechshundert Liter Sole übrig – beim Brack wasser nur hundert Liter.“
Innovative ansätze zur energiesparenden entwicklung
Forschungseinrichtungen arbeiten intensiv daran neue Technologien effizienter umzusetzen:
Sebastian Seiffert vom Institut Mainz entwickelt gemeinsam mit seinem Team ein Verfahren basierend auf Vorwärtsosmose , welches ohne künstlichen Druck arbeitet.
Dabei nutzen sie Hydrogelpolymere ähnlich denen in Hygieneprodukten , welche selektiv Wasser aufnehmen aber Salz abstoßen.
Durch Temperaturwechsel zwischen Tag & Nacht lässt sich das gespeicherte Wasser ohne zusätzlichen Energieaufwand wieder freisetzen.
Dieses Konzept richtet sich zunächst an kleine Haushalte einkommensschwacher Regionen im Mittleren Osten bzw Nahost; perspektivisch könnten auch Hotelanlagen am Mittelmeer davon profitieren.
Seiffert betont jedoch:
„Diese Technologie ersetzt keine großen Anlagen sondern ergänzt diese sinnvoll.“
Eine ganzheitliche Lösung muss allerdings weiterhin Wege finden Umgang mit Sole ökologisch verträglich sicherzustellen.
Aktuelle Forschungsprojekte untersuchen Möglichkeiten Rohstoffe wie Lithium wirtschaftlicher zurückzugewinnen bzw Baumaterial daraus herzustellen – bisher jedoch ohne marktreife Umsetzung.
Das Bundesministerium für Forschung startete Anfang 2025 Förderprogramme speziell zum Thema Verbindung zwischen Wassergewinnung & nachhaltiger Energiesysteme.
Ganzheitliches wassermanagement gegen klimafolgen erforderlich
Angesichts extremer Wetterlagen zeigt sich immer deutlicher Bedarf nach umfassendem Management aller verfügbaren Ressourcen:
Längere Dürrephasen wechseln sich ab mit heftigen Niederschlägen wodurch klassische Versorgungsmethoden allein nicht mehr genügen.
Neben Regenwassernutzung & Abfallaufbereitung kann Entsalzung ein wichtiger Baustein sein.
Chemiker Seiffert fasst zusammen:
„Es ist paradox: Durch Klimawandel wird es trockener aber auch nasser zugleich.“
„Deshalb brauchen wir integrierte Systeme – Mehr-wasserentsalzung gehört dazu.“