Die Wirtschaft Spaniens verzeichnet derzeit ein starkes Wachstum, das viele europäische Länder übertrifft. Besonders die Baleareninsel Ibiza profitiert vom Tourismus, steht aber auch vor erheblichen sozialen und infrastrukturellen Herausforderungen.
Wirtschaftlicher aufschwung in spanien übertrifft eu-durchschnitt
Spanien erlebt aktuell einen bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufschwung, der sich deutlich vom eher verhaltenen Wachstum anderer EU-Staaten abhebt. Im vergangenen Jahr wuchs die viertgrößte Volkswirtschaft Europas um 3,2 Prozent, während der EU-Durchschnitt lediglich bei 0,8 Prozent lag. Damit zählt Spanien zu den führenden Wachstumsregionen hinter Malta, Kroatien und Zypern.
Laut Ulrike Kastens, Ökonomin beim Vermögensverwalter DWS, ist dieses Wachstum nicht allein dem Tourismus geschuldet: „Das liegt auch am kräftigen Wachstum des privaten Konsums. Die Beschäftigung ist gestiegen, die Arbeitslosigkeit gesunken.“ Diese Faktoren sorgen für eine positive Konsumstimmung im Land. Fast alle Branchen profitieren von dieser Entwicklung; Investitionen nehmen zu und stärken die Wirtschaft zusätzlich.
Friedrich Henle, Spanienexperte bei Germany Trade & Invest , nennt günstige Energiepreise durch den Ausbau erneuerbarer Energien als wichtigen Standortvorteil: „Unternehmen schätzen zudem die niedrigeren Lohnkosten im Vergleich zu Zentraleuropa sowie den großen Markt mit vielfältigen Geschäftschancen.“ Trotz dieser positiven Rahmenbedingungen bestehen weiterhin strukturelle Herausforderungen wie langwierige behördliche Prozesse und eine vergleichsweise niedrige Produktivität.
Tourismus auf ibiza bringt milliarden-einnahmen aber verursacht soziale spannungen
Die Baleareninsel Ibiza gilt als eines der beliebtesten Urlaubsziele Europas mit mehr als drei Millionen Besuchern jährlich. Der Tourismus generiert Einnahmen von über vier Milliarden Euro pro Jahr und bildet für viele der rund 150 000 Einwohnerinnen und Einwohner die wichtigste Einkommensquelle. Ibiza steht weltweit für seine traumhaften Strände sowie eine lebendige Partyszene mit drei Clubs unter den angeblich zehn besten weltweit.
Diese Beliebtheit führt jedoch zu erheblichen Problemen vor Ort: Demonstrationen gegen ausufernden Massentourismus zeigen Unmut über Lärm- und Umweltbelastungen sowie Wasserknappheit in Sommermonaten. Ein besonders drängendes Thema sind steigende Mieten durch illegale Ferienvermietungen – durchschnittlich liegen sie inzwischen bei mehr als 20 Euro pro Quadratmeter, ähnlich hoch wie in Madrid oder Barcelona.
Die hohe Inflation auf den Balearen wird maßgeblich durch diese Mietsteigerungen beeinflusst. Um gegenzusteuern plant Ibiza verstärkt Sozialwohnungen zu errichten und verschärft Kontrollen gegen illegale Vermietungspraktiken. Gleichzeitig zieht der entspannte Lifestyle immer mehr Menschen an; sowohl Ausländer als auch Festlandsbewohner erwerben Ferienimmobilien oder bleiben saisonal arbeitend länger vor Ort.
Spaniens börse zeigt starke performance dank bankenbranche
Auch an der Börse präsentiert sich Spanien robust: Der Leitindex IBEX 35 hat im laufenden Jahr zeitweise besser abgeschnitten als Deutschlands DAX-Index – ein Zeichen für das Vertrauen internationaler Anleger in spanische Unternehmen. Kapitalmarktexperte Chris-Oliver Schickentanz von Capitell AG erklärt diesen Erfolg mit zwei Hauptfaktoren: „Spanische Banken wie Santander und BBVA haben hohes Gewicht im IBEX und sind sehr gut gelaufen.“
Zudem weist er darauf hin, dass es weniger Kursverluste gebe als beim DAX: Während dort fast 40 Prozent aller Unternehmen negative Entwicklungen zeigten, waren es beim IBEX nur etwa fünf Firmen von insgesamt 35 Mitgliedern mit fallenden Kursen.
Diese solide Börsenentwicklung spiegelt das insgesamt positive Bild einer wachsenden Wirtschaft wider – getragen von stabiler Beschäftigungslage sowie einem dynamischen privaten Konsumklima.
Herausforderungen bei strukturreformen bleiben bestehen trotz wachstumserfolgen
Trotz des aktuellen Aufschwungs sieht man Experten zufolge weiterhin dringenden Reformbedarf in Spanien – ähnlich wie in Deutschland gibt es Defizite bei unternehmensfreundlicher Politik sowie unzureichende Investitionen insbesondere im Bereich Risikokapitalfinanzierung.
Ulrike Kastens betont zudem die Notwendigkeit einer stärkeren Diversifizierung weg vom dominierenden Tourismussektor: „Strukturreformen sind notwendig; das Land muss unabhängiger vom Tourismus werden.“ Die Corona-Pandemie habe Schwächen dieses Geschäftsmodells offengelegt – langfristig seien zusätzliche Investitionen etwa in Forschung und Entwicklung erforderlich, wo Spanien noch erhebliches Nachholpotenzial besitze.
Auch bürokratische Hürden erschweren laut Friedrich Henle Unternehmensgründungen oder Expansionen aufgrund komplexer Verwaltungsstrukturen auf nationaler Ebene sowie innerhalb autonomer Regionen beziehungsweise Gemeinden weitergehend.
Migrationspolitik unterstützt arbeitsmarktbedarfe insbesondere im tourismusbereich
Ein wesentlicher Faktor des aktuellen Wirtschaftsmodells Spaniens ist die Integration zahlreicher Migrantinnen und Migranten aus Lateinamerika ins Arbeitsleben vor allem in Bau-, Pflege- oder Tourismussektoren. Die sprachliche Nähe erleichtert dabei ihre Eingliederung wesentlich gegenüber anderen europäischen Ländern.
Spanien verfolgt einen eigenen Weg zur Legalisierung bereits ansässiger Arbeitsmigrantinnen bzw. -migranten: Rund eine Million Personen sollen zügig Aufenthaltsgenehmigungen erhalten können – dies soll zugleich illegaler Beschäftigung entgegenwirken sowie fiskalische Einnahmen sichern.
Insgesamt haben sich seit der Finanzkrise zahlreiche Rahmenbedingungen verbessert; dennoch bleibt der Tourismus trotz Proteste weiterhin Spaniens wichtigster Wirtschaftsfaktor mit erwarteten Besucherzahlen erstmals über hundert Millionen Menschen allein für dieses Jahr.