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Urteil des sozialgerichts Magdeburg zu jobcenter-sanktionen bei gesundheitlichen einschränkungen

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Ein aktuelles Urteil des Sozialgerichts Magdeburg klärt die Voraussetzungen für Sanktionen durch das Jobcenter bei Leistungsberechtigten mit gesundheitlichen Einschränkungen. Entscheidend ist, dass das Jobcenter zweifelsfrei nachweisen muss, dass eine angebotene Stelle für den Betroffenen trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen zumutbar ist.

Rechtliche grundlagen und beurteilung der zumutbarkeit von arbeitsangeboten

Das Sozialgericht Magdeburg beschäftigte sich mit der Frage, unter welchen Bedingungen ein Jobcenter Sanktionen gegen Leistungsberechtigte verhängen darf. Im Kern geht es um die Zumutbarkeit einer angebotenen Arbeitsstelle im Kontext bestehender gesundheitlicher Einschränkungen. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten nur dann, wenn sie trotz Belehrung eine zumutbare Arbeit nicht aufnehmen oder deren Anbahnung verhindern.

Das Gericht stellte klar heraus, dass die Beweislast für die Zumutbarkeit einer Tätigkeit beim Jobcenter liegt. Dieses muss alle erforderlichen Tatsachen ermitteln und beweisen – insbesondere wenn gesundheitliche Einschränkungen vorliegen, welche die Aufnahme oder Ausübung der Arbeit beeinträchtigen könnten. Die Behörde kann demnach keine Sanktionen verhängen, ohne den Nachweis zu führen, dass das Angebot tatsächlich geeignet und zumutbar war.

Im vorliegenden Fall war unklar geblieben, welche konkreten gesundheitlichen Einschränkungen dem Jobcenter bekannt waren und ob diese in der Eingliederungsvereinbarung ausreichend dokumentiert wurden. Trotz Aufforderung reagierte das Jobcenter nicht auf entsprechende Nachfragen des Gerichts zur Klärung dieses Sachverhalts.

Diese fehlende Reaktion führte dazu, dass keine Grundlage für eine Leistungskürzung bestand – denn ohne eindeutigen Beleg zur Zumutbarkeit darf keine Sanktion erfolgen.

Fallbeschreibung: streit um arbeit in schokoladenherstellung mit arthrose und impingement

Der Fall betraf einen Leistungsberechtigten mit diagnostizierter Arthrose sowie einem Impingement-Syndrom an der Schulter – Erkrankungen mit deutlicher Bewegungseinschränkung und Schmerzen durch eingeklemmte Muskeln oder Nervenstrukturen sowie entzündete Sehnen- beziehungsweise Schleimbeutelbereiche.

Der Betroffene hatte sich auf ein vom Jobcenter vermitteltes Stellenangebot bei einer Zeitarbeitsfirma beworben; diese Tätigkeit umfasste Arbeiten in der Schokoladenherstellung inklusive Verpackung im Schichtsystem. Er nahm am Vorstellungsgespräch teil; über dessen Verlauf gab es jedoch widersprüchliche Darstellungen zwischen Bewerberseite und Arbeitgeberseite.

Nach Ablehnung erhielt der Mann vom Jobcenter eine Kürzung seines Regelsatzes um 30 Prozent über drei Monate hinweg wegen angeblicher Pflichtverletzung beim Nichtantritt einer zumutbaren Arbeit.

Gegen diesen Bescheid legte er Widerspruch ein mit Verweis auf seine körperlichen Beschwerden als Grund für Unzumutbarkeit des Arbeitsplatzes – dieser wurde jedoch abgelehnt.

Daraufhin erhob er Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg zur Rücknahme der Leistungskürzung.

Entscheidung des sozialgerichts magdeburg: sanktionen nur bei nachweisbarer zumutbarkeit

Das Sozialgericht prüfte ausführlich den Sachverhalt hinsichtlich vorhandener Gesundheitsdaten sowie Dokumentation in der Eingliederungsvereinbarung zwischen Betroffenem und Jobcenter. Es forderte das Amt mehrfach auf mitzuteilen, welche konkreten Einschränkungen bekannt waren beziehungsweise vermerkt wurden – blieb aber unbeantwortet trotz Fristsetzung von einem Monat.

Aufgrund dieser fehlenden Informationen konnte das Gericht nicht feststellen, ob die angebotene Stelle tatsächlich körperlich geeignet gewesen wäre oder nicht – somit lag kein hinreichender Nachweis seitens des Jobcenters vor.

Die Richter zitierten gesetzliche Vorschriften aus dem SGB II sowie einschlägige Rechtsprechung zur Mitwirkungspflicht von Behörden als Leistungsträgern: Diese müssen alle relevanten Tatsachen vollständig erfassen und belegen können; auch Ausnahmetatbestände ändern daran nichts bezüglich Beweispflichtverteilung zugunsten des Betroffenen .

Da Angaben über Art und Umfang der Gesundheitsprobleme weder widerlegt noch ausreichend geprüft werden konnten bzw. Unterlagen fehlten bzw. nicht bereitgestellt wurden, sahen sie keinen Anlass für eine Kürzung von Leistungen aufgrund verweigerter Arbeitsaufnahme aus medizinischen Gründen.

Folglich hob das Gericht die Entscheidung zur Regelsatzkürzung auf; damit bestätigte es den Grundsatz „Keine Sanktion ohne eindeutigen Nachweis“.

Diese Entscheidung stärkt Rechte von Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen gegenüber Behördenentscheidungen im Bereich Arbeitsmarktintegration deutlich.

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