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Sozialgericht Berlin kippt krankengeldablehnung wegen unzureichender MDK-Gutachten bei depression

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Die Krankenkasse verweigerte einer Patientin mit schwerer Depression das Krankengeld und stützte sich dabei auf Stellungnahmen ihres Medizinischen Dienstes. Das Sozialgericht Berlin hob diese Entscheidung auf und kritisierte die Gutachten als unzureichend.

Arbeitsunfähigkeit wegen schwerer depression und ärztliche bescheinigung

Eine Frau begann eine neue Tätigkeit als Büroangestellte in einem Reiseunternehmen, musste diese jedoch bereits am ersten Arbeitstag nach sechs Stunden abbrechen. Ihr behandelnder Arzt stellte eine Arbeitsunfähigkeit fest, die von Juni bis Januar des folgenden Jahres andauerte. Die Diagnose lautete „schwere Depressionen“. Die Patientin befand sich während dieser Zeit in psychotherapeutischer Behandlung.

Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gilt im Sozialrecht grundsätzlich als Beweismittel für den Gesundheitszustand des Versicherten. In diesem Fall bestätigte der Facharzt für Psychotherapie weiterhin die bestehende Arbeitsunfähigkeit der Patientin trotz der Ablehnung durch die Krankenkasse.

Persönliche untersuchung fehlt beim MDK

Im Juli ließ die Krankenkasse ihre Versicherte vom Medizinischen Dienst untersuchen. Der Gutachter äußerte gegenüber dem behandelnden Arzt, er gehe davon aus, dass die Frau Ende Juli wieder arbeitsfähig sein werde. Diese Einschätzung basierte jedoch nicht auf einer persönlichen Befragung oder umfassenden Untersuchung der Patientin.

Der behandelnde Facharzt wies darauf hin, dass sich seine Patientin weiterhin in Psychotherapie befinde und aus seiner Sicht keine Rückkehr an den Arbeitsplatz möglich sei. „Trotz dieses Widerspruchs holte die Krankenkasse keine erneute persönliche Begutachtung ein,“ sondern beschränkte sich lediglich auf eine weitere schriftliche Stellungnahme des MDK.

Kritik des sozialgerichts an fehlender begründung und mangelnder sachverhaltsaufklärung

Das Sozialgericht Berlin erklärte, dass Stellungnahmen des MDK ohne persönliche Untersuchung weder ein ausreichendes Beweismittel noch ein verbindliches Gutachten darstellen können. Ein echtes medizinisches Gutachten müsse gesetzlichen Mindestanforderungen genügen – dazu gehört insbesondere eine umfassende Befragung zur Ermittlung von Grund und Dauer der Arbeitsunfähigkeit.

Laut Gericht habe es keine solche Befragung gegeben; stattdessen enthielten beide MDK-Stellungnahmen weder nachvollziehbare Begründungen noch Erläuterungen zu den wesentlichen Gründen ihrer Einschätzung. Die erste Stellungnahme verzichtete vollständig auf eine Erklärung ihrer Bewertung; auch blieb unklar, welche Datenbasis zugrunde lag.

Die zweite Stellungnahme wiederholte lediglich den nicht ausreichend ermittelten Sachverhalt ohne neue Erkenntnisse oder persönliche Begutachtung der Klägerin einzubeziehen.

Widerspruch und fehlendes facharztgutachten

Im Widerspruchsverfahren hätte die Krankenkasse bei Meinungsverschiedenheiten zwischen behandelndem Arzt und MDK ein zusätzliches fachärztliches Gutachten beauftragen müssen – dies unterblieb ebenfalls. Das Gericht bezeichnete dieses Vorgehen als rechtswidrig.

Beide schriftlichen Bewertungen erfüllten nicht einmal Mindestanforderungen an medizinische Gutachten im sozialrechtlichen Kontext: Sie enthielten keine nachvollziehbaren Gründe für ihre Aussagen zur angeblichen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit.

Das Verhalten der Kasse führte somit zu einem Zirkelschluss: Ohne erneute Untersuchung wurden nur frühere Behauptungen bestätigt – gegen welche sich bereits Widersprüche richteten –, wodurch kein belastbares Ergebnis erzielt wurde.

Urteil stärkt ärztliche bescheinigungen gegenüber unzureichenden MDK-stellungnahmen

Das Sozialgericht stützte seine Entscheidung maßgeblich auf das fachärztliche Urteil des behandelnden Psychiaters/Psychotherapeuten als seriöse Quelle zur Beurteilung einer schweren Depression mit fortbestehender Arbeitsunfähigkeit.

Es verurteilte die Krankenkasse, das rückständige Krankengeld für den Zeitraum von Juli bis Januar auszuzahlen und hob damit deren ablehnenden Bescheid sowie das Vorgehen gegen gesetzliche Anforderungen außer Kraft.

Diese Entscheidung verdeutlicht klar: Für Ablehnungen von Leistungen wie dem Krankengeld müssen medizinische Dienste verbindliche Gutachten erstellen, welche alle rechtlichen Vorgaben erfüllen sowie gründlich begründet sind – bloße schriftliche Stellungnahmen reichen dafür nicht aus.

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