Die Bürokratie in Deutschland führt zu erheblichen Verzögerungen und steigenden Kosten bei Infrastrukturprojekten sowie zu einer langsamen Digitalisierung der Verwaltung. Trotz Ankündigungen der Bundesregierung bleiben spürbare Verbesserungen bislang aus.
Bürokratische hürden verzögern brückenbau in brandenburg
Ein aktuelles Beispiel für die Auswirkungen komplexer Bürokratie zeigt sich an einer Brücke in der Gemeinde Wust bei Brandenburg an der Havel. Das Bauwerk steht seit 2023 fertig über den Bahngleisen, ist jedoch nicht nutzbar, da die Zufahrtsrampen erst 2026 fertiggestellt werden sollen. Grund dafür sind gesetzliche Vorgaben, nach denen Brücken und Zufahrten getrennt genehmigt sowie ausgeschrieben werden müssen. Während der eigentliche Brückenbau beschleunigt wurde, kam es bei den Zufahrtsrampen aufgrund langwieriger Ausschreibungsverfahren zu erheblichen Verzögerungen.
Die bisherigen Kosten für die Brücke ohne Zufahrten belaufen sich auf rund 17 Millionen Euro. Diese Situation führt dazu, dass sich vor dem Schrankübergang weiterhin lange Autoschlangen bilden – ein Zustand mit negativen Folgen für Anwohner und Pendler im Vorort von Brandenburg an der Havel. Dieses Beispiel verdeutlicht die weitreichenden Konsequenzen bürokratischer Abläufe im Straßen- und Infrastrukturwesen.
Nicht nur im Bereich des Straßenbaus entstehen durch solche Regelungen erhebliche Mehrkosten; auch andere öffentliche Bauprojekte leiden unter ähnlichen Problemen. Die Trennung von Genehmigungsverfahren erschwert eine effiziente Projektplanung und -durchführung erheblich. Die Folge sind nicht nur finanzielle Belastungen für Steuerzahler, sondern auch eine verlängerte Dauer bis zur Fertigstellung wichtiger Infrastrukturmaßnahmen.
Schleppende digitalisierung trotz neuer ministerien
Die Bundesregierung hat angekündigt, die Verwaltung durch Digitalisierung zu modernisieren und bürokratische Hürden abzubauen. Ein neu geschaffenes Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung unter Leitung von Karsten Wildberger soll diese Aufgabe vorantreiben. Ziel ist es unter anderem, das E-Mail-Verbot in Ämtern aufzuheben sowie zentrale digitale Dienste einzuführen.
Bislang sind jedoch erst etwa ein Drittel aller Verwaltungsleistungen digitalisiert – ein Tempo, das laut Wildberger noch fünf Jahre benötigen würde, um alle staatlichen Leistungen vollständig online anzubieten. Der erste Meilenstein wird frühestens Anfang 2026 erwartet; konkrete Umsetzungspläne bleiben vage.
Eine Mitarbeiterin eines Grundbuchamtes beschreibt den Status quo anschaulich: „Welche Rolle spielt die Digitalisierung im Grundbuchamt? Leider noch gar keine.“ Eingehende E-Mails werden zunächst ausgedruckt und dann per Post weitergeleitet – digitale Prozesse fehlen nahezu vollständig. Anschließend erfolgt eine manuelle Prüfung des Absenders anhand schriftlicher Unterlagen; erst danach kann mit dem Antrag begonnen werden.
Diese Praxis verdeutlicht den Nachholbedarf vieler Behörden beim Thema Digitalisierung trotz politischer Versprechen zur Modernisierung innerhalb kurzer Fristen wie etwa 70 Tagen nach Regierungsantritt.
Wirtschaftliche folgen hoher bürokratielasten
Auch mittelständische Unternehmen spüren die Last umfangreicher Bürokratievorgaben deutlich: Beim Klebstoffhersteller Delo übernehmen mehr als 400 Mitarbeiter neben ihrer Haupttätigkeit zusätzliche Aufgaben zur Erfüllung gesetzlicher Vorschriften – was einem Personalaufwand von zehn Vollzeitstellen entspricht.
Geschäftsführerin Sabine Herold nennt als Beispiel Brandschutzbeauftragte oder -helfer: Fünf Prozent aller Beschäftigten müssen diese Funktion innehaben; sie müssen benannt, geschult sowie dokumentiert werden – was jährlich Kosten von rund 600 000 Euro verursacht allein für Beauftragte bei Delo.
Herold betont zwar die Notwendigkeit solcher Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit; kritisiert aber gleichzeitig den Umfang an Dokumentation sowie Schulungspflichten: „Das Ziel muss vorgegeben sein, nicht der Weg.“ Unternehmer sollten mehr Entscheidungsspielraum erhalten statt detaillierter Vorgaben zum Vorgehen.
Der Wirtschaftsweise Martin Werding bestätigt diesen Eindruck mit Blick auf ganz Deutschland: Im vergangenen Jahr wurden insgesamt rund eine Milliarde Arbeitsstunden allein für Bürokratietätigkeiten aufgewendet – knapp zwei Prozent des gesamten Arbeitsvolumens hierzulande entfallen somit auf Verwaltungsaufwand dieser Art.
Diese Zahlen spiegeln allerdings nur sichtbare Kosten wider; unsichtbare Effekte wie Investitionshemmnisse oder Standortverluste bleiben unberücksichtigt. Werding warnt davor: Überbordende Bürokratie führe dazu, dass Unternehmen Investitionen zurückstellen oder Niederlassungspläne abbrechen würden – mit negativen Folgen für Wirtschaftswachstum insgesamt.
Politische versprechen versus realität beim bürokratieabbau
Angesichts dieser Herausforderungen kündigte Kanzleramtschef Thorsten Frei Mitte Mai einen raschen Abbau von Bürokratielasten an: „Wir werden uns keine 100 Tage Zeit lassen, sondern unsere Zielvorgabe sind die ersten 70 Tage.“ Ein ambitioniertes Vorhaben angesichts bestehender Strukturen und Abläufe in Verwaltung sowie Wirtschaftspolitik zugleich bleibt bislang ohne konkrete Ergebnisse oder verbindliche Zeitpläne mit klar definierten Meilensteinen sichtbar geworden ist bisher kein Fortschritt erkennbar außer Absichtserklärungen seitens Verantwortlicher wie Wildberger oder Frei selbst.
Kritisch betrachtet wird zudem eine Aussage des Wirtschaftsführers Friedrich Merz, wonach deutsche Arbeitnehmer effizienter arbeiten müssten statt kürzere Arbeitszeiten anzustreben. Dies löste Debatten aus, da viele Experten wie Martin Werding betonen, dass strukturelle Reformen insbesondere Entrümpelung überflüssiger Vorschriften entscheidender seien als individuelle Leistungssteigerung.
Insgesamt zeigt sich: Die angekündigte schnelle Entbürokratisierung bleibt utopisch solange grundlegende Reformen fehlen. Ohne klare Prioritäten, verbindliche Zeitrahmen samt messbaren Ergebnissen droht weiterhin Stillstand. Damit verbunden bleiben hohe Kosten sowohl finanzieller als auch organisatorischer Natur bestehen — zulasten aller Beteiligten zwischen Staat, Wirtschaft & Bürgern gleichermaßen.