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Wichtigkeit eines maßnahmenabbruchs bei schwerbehinderung am beispiel des sozialgerichts berlin

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Das Sozialgericht Berlin hat entschieden, dass ein Mensch mit Schwerbehinderung einen wichtigen Grund hat, eine Maßnahme des Jobcenters abzubrechen, wenn diese körperlich überfordert. In einem konkreten Fall wurde die Kürzung des Regelsatzes wegen angeblicher Verletzung der Mitwirkungspflicht aufgehoben.

Gesundheitliche einschränkungen und maßnahmenzuweisung beim jobcenter

Der Betroffene verfügt über einen Grad der Behinderung von 50 und trägt das Merkzeichen „G“ im Schwerbehindertenausweis, was auf eine erhebliche Gehbehinderung hinweist. Zusätzlich leidet er infolge einer früheren Tuberkulose an Atemproblemen bei Kälte und hoher Luftfeuchtigkeit. Ein verletztes Sprunggelenk schränkt seine Mobilität weiter ein. Diese gesundheitlichen Einschränkungen waren dem Jobcenter bekannt und wurden in der Eingliederungsvereinbarung dokumentiert, um geeignete Arbeitsstellen zu identifizieren.

Trotz dieser Voraussetzungen wies das Jobcenter dem Leistungsberechtigten eine Maßnahme mit der Bezeichnung „Helfer/in – Büro, Verwaltung“ zu. Die Tätigkeitsbeschreibung umfasste Datenrecherche sowie die Erarbeitung einer Übersicht über Kunst am Bau im öffentlichen Raum inklusive deren Erfassung in einer Datenbank. Der Betroffene begann die Maßnahme zunächst im Bürobereich.

Allerdings musste er auch Außenarbeiten übernehmen: Kunstobjekte sollten fotografiert und katalogisiert werden, was den Zugang zu schwer erreichbaren Orten erforderte. Diese Aufgaben stellten für ihn aufgrund seiner Geh- und Atembeschwerden eine erhebliche Belastung dar.

Abbruch der maßnahme und sanktionen durch das jobcenter

Ohne sich krankzumelden oder das Jobcenter beziehungsweise den Träger zu informieren, brach der Betroffene die Maßnahme ab. Das Jobcenter führte daraufhin eine Anhörung durch und kürzte seinen Regelsatz um 30 Prozent mit der Begründung einer Verletzung seiner Mitwirkungspflicht.

Ein Widerspruch gegen diese Sanktion blieb erfolglos; deshalb erhob er Klage vor dem Sozialgericht Berlin gegen die Kürzung seines Regelsatzes.

Während des Gerichtsverfahrens erklärte der Kläger, dass er den Träger gleich zu Beginn auf seine Schwerbehinderung sowie seine gesundheitlichen Probleme hingewiesen habe. Dennoch seien ihm umfangreiche Außenarbeiten auferlegt worden – unter anderem musste er Graffitis in einem Hochhaus fotografieren.

Er betonte weiter, dass es ihm trotz anfänglicher Bemühungen nicht möglich gewesen sei, diese Aufgaben aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen auszuführen. Daraus folge ein wichtiger Grund für den Abbruch der Maßnahme ohne Sanktionen befürchten zu müssen.

Das Jobcenter argumentierte hingegen damit, dass kein wichtiger Grund vorliege: Der Kläger habe bereits längere Zeit an der Maßnahme teilgenommen ohne Beschwerden oder Krankmeldungen vorzulegen; zudem fehle ein ärztliches Attest oder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Nachweis für seine Beschwerden.

Entscheidung des sozialgerichts zur unzumutbarkeit von arbeitsmaßnahmen bei behinderungen

Das Sozialgericht bestätigte jedoch den Standpunkt des Leistungsberechtigten: Die konkrete Gestaltung sowie Umsetzung dieser Arbeitsmaßnahme seien ihm objektiv nicht zumutbar gewesen – insbesondere wegen seiner erheblichen körperlichen Einschränkungen infolge Tuberkulosefolgen sowie eines verletzten Sprunggelenks.

Die Richter stellten klar: „Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass die Ausführungen des Antragstellers zu seinen gesundheitlichen Einschränkungen zutreffend sind.“ Die Tatsache wird zusätzlich durch das Merkzeichen „G“ im Schwerbehindertenausweis indiziert; auch seitens des Antragsgegners wurden keine gegenteiligen Einwände erhoben.

Weiterhin betonten sie: „Es besteht kein Zweifel daran, dass in erheblichem Umfang auch körperlich anstrengenden Außenarbeiten herangezogen wurde.“ Daraus folgerten sie überzeugend dessen Überforderung bei diesen Tätigkeiten aus medizinischer Sicht.

Eine ausdrückliche ärztliche Bescheinigung sei angesichts dieser schlüssigen Gesamtumstände nicht zwingend erforderlich gewesen. Bereits die nachvollziehbare Erschwernis aufgrund vorhandener Gesundheitsprobleme reiche aus; ebenso wie die Gefahr weiterer Verschlechterung seines Zustands während solcher Arbeiten:

„Ausreichend für die Unzumutbarkeit ist bereits die nachvollziehbare Erschwernis wegen gesundheitlicher Einschränkungen.“

Die Unzumutbarkeit sei objektiv gegeben unabhängig davon gewesen ob sich der Kläger zuvor gemeldet oder erklärt hätte – somit liege ein wichtiger Grund zum Abbruch vor ohne Sanktionen rechtfertigen zu können.

Rechtswidrigkeit von sanktionen bei abbruch aus gesundheitsgründen

Abschließend stellte das Gericht fest: „Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Sanktion liegen damit nicht vor.“ Folglich könne auch kein rechtmäßiger Sanktionsbescheid bestehen bleiben. Das Jobcenter wurde verpflichtet alle bereits einbehaltenen Beträge zurückzuzahlen sowie weitere Kürzungen auszusetzen.

Diese Entscheidung verdeutlicht grundsätzliche Rechte schwerbehinderter Menschen gegenüber Maßnahmenanbietern wie dem Jobcenter insbesondere dann wenn körperliche Belastbarkeiten bestehen.

Sie stellt klar heraus: Gesundheitliche Gründe können einen wichtigen Anlass darstellen Maßnahmen abzubrechen ohne negative Folgen befürchten zu müssen.

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