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Boomer-soli für rentner: DIW schlägt zehnprozentige sonderabgabe auf alterseinkünfte vor

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Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat einen Vorschlag zur Stabilisierung der Rentenkassen vorgelegt. Dabei soll eine Sonderabgabe von zehn Prozent auf Alterseinkünfte oberhalb einer definierten Freigrenze erhoben werden, um niedrige Renten anzuheben und Altersarmut zu verringern.

Hintergründe und zielsetzung des Boomer-soli

Der sogenannte „Boomer-Soli“ ist eine vom DIW vorgeschlagene Sonderabgabe, die alle Alterseinkünfte oberhalb einer Freigrenze von 902 Euro beziehungsweise 1 048 Euro bei Berücksichtigung von Kapitalerträgen mit zehn Prozent belastet. Ziel ist es, die gesetzliche Rentenversicherung zu stabilisieren und gleichzeitig die Bezüge derjenigen Rentnerinnen und Rentner anzuheben, deren Einkommen unter dem Grundsicherungsniveau liegt. Die Abgabe soll einen Solidartopf füllen, aus dem Aufstockungen finanziert werden können.

Nach Berechnungen des DIW würde sich die effektive Zusatzbelastung für besser gestellte Ruheständler im Durchschnitt auf drei bis vier Prozent ihrer gesamten Alterseinkünfte belaufen. Das Institut prognostiziert zudem eine Senkung der Armutsquote bei den über 65-Jährigen von derzeit gut 18 Prozent auf unter 14 Prozent – ohne zusätzliche Belastung jüngerer Beitragszahler.

Die Idee basiert auf der demografischen Entwicklung in Deutschland: Bis Mitte der 2030er Jahre wird ein deutlicher Anstieg älterer Menschen erwartet, während gleichzeitig viele Erwerbstätige aus den geburtenstarken Jahrgängen in Rente gehen. Diese Verschiebung führt zu einem Missverhältnis zwischen Beitragszahlern und Leistungsempfängern im umlagefinanzierten System.

Demografische herausforderungen für das rentensystem

Die demografische Entwicklung stellt das deutsche Umlage-Rentensystem vor erhebliche Herausforderungen. Laut Statistischem Bundesamt werden bis Mitte der 2030er Jahre rund vier Millionen Menschen mehr im Rentenalter leben als heute. Gleichzeitig verlassen schätzungsweise zwölf bis siebzehn Millionen Erwerbstätige aus den geburtenstarken Jahrgängen zwischen 1955 und 1969 den Arbeitsmarkt.

Diese Verschiebung bedeutet konkret: Immer weniger aktive Beitragszahler müssen immer mehr Ruheständler finanzieren – ein Ungleichgewicht, das langfristig die Finanzierbarkeit des Systems gefährdet. Ökonomen warnen seit Jahren vor dieser mathematischen Schieflage und fordern Reformen zur Sicherstellung eines nachhaltigen Gleichgewichts zwischen Einzahlungen und Auszahlungen.

Vor diesem Hintergrund sieht das DIW den Boomer-Soli als Instrument zur kurzfristigen Entlastung jüngerer Generationen sowie zur Unterstützung einkommensschwacher Senioren durch Umverteilung innerhalb der eigenen Generation anstatt durch zusätzliche Belastungen aller Steuer- oder Beitragszahler.

Argumente pro boomer-soli

Befürworter wie Stefan Bach, Steuerexperte am DIW, betonen, dass mit dem Boomer-Soli Lasten „innerhalb der Generation verteilt [werden], denen es finanziell am wenigsten weh tut“. Insbesondere Ruheständler im oberen Einkommensfünftel würden stärker belastet – jene Personen also, deren gesetzliche Rente oft nur einen Teil ihres Gesamteinkommens darstellt und die zusätzlich über Betriebsrenten oder Kapitalerträge verfügen.

Ein weiterer Vorteil sei die schnelle Umsetzbarkeit: Da es sich um einen Zuschlag auf bereits bestehende Einkommensarten handelt, könnten Mittel unmittelbar in die Rentenkasse fließen. Theoretisch wäre so noch innerhalb dieser Legislaturperiode eine Dämpfung von Altersarmut möglich.

Der Vorschlag zielt darauf ab, soziale Gerechtigkeit herzustellen ohne neue Steuern oder Beiträge einzuführen; stattdessen sollen vorhandene Ressourcen gerechter verteilt werden – insbesondere angesichts steigender Lebenserwartungen sowie wachsender Unterschiede bei privaten Vorsorgeformen unter älteren Menschen.

Kritikpunkte am DIWs-vorschlag

Trotz dieser Argumente stößt der Boomer-Soli-Vorschlag auf breite Kritik aus verschiedenen gesellschaftlichen Lagern. Der Deutsche Gewerkschaftsbund bezeichnet ihn als bloße „Umverteilung des Mangels unter Rentnern“ statt einer nachhaltigen Lösung durch stärkere Steuerfinanzierung aller sozialen Sicherungssysteme.

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft warnt zudem vor möglichen Ausweichreaktionen wohlhabender Betroffener: So könnten diese ihre Betriebsrenten einmalig auszahlen lassen oder Kapitalvermögen in Stiftungen verschieben – Maßnahmen zum Zweck legaler Steuer- bzw. Abgabenvermeidung mit negativen Folgen für Einnahmenbasis und Gerechtigkeitsempfinden gleichermaßen.

Politische Vertreter etwa aus Teilen von CDU/CSU kritisieren den Vorschlag als „brandgefährlichen Murks“. Besonders häufig bemängelt wird dabei die relativ niedrige Freigrenze von knapp über tausend Euro monatlicher Rente; bereits ab etwa 1 200 Euro Nettorente gelten viele Empfänger statistisch als armutsgefährdet. Eine Pflichtabgabe gerade bei diesen Einkommen könnte verfassungsrechtlich problematisch sein hinsichtlich Gleichbehandlungsgrundsatzes sowie Eigentumsgarantie – ähnlich wie beim fortbestehenden Solidaritätszuschlag für Besserverdienende diskutiert wird.

Rechtliche bewertung des sonderzuschlags

Verfassungsrechtlich bewegt sich das Konzept eines generationenspezifischen Zuschlags laut Experten wie Sozialrechtler Dr. Utz Anhalt auf unsicherem Terrain: Der ursprüngliche Solidaritätszuschlag wurde zeitlich befristet eingeführt zur Finanzierung deutscher Einheitskosten; er wurde mehrfach vom Bundesverfassungsgericht kritisch geprüft.

Ein neuer Zuschlag müsste klar begründen können,

  • warum er keine verkappte Vermögensteuer darstellt,
  • warum keine doppelte Besteuerung erfolgt,
  • weshalb er sozial gerechtfertigt ist.

Ohne solche Begründungen drohen juristische Auseinandersetzungen mit ungewissem Ausgang.

Dr. Anhalt betont außerdem:

„Vielmehr braucht es ein Gesamtkonzept, das alle Generationen mitnimmt — finanziell tragfähig, sozial ausgewogen und rechtssicher.“

Diese Anforderungen sind entscheidend dafür,

ob ein solcher Zuschlag dauerhaft Bestand haben kann oder nicht.

Alternative reformansätze jenseits des boomersolis

Neben Sonderabgaben diskutieren Experten weitere Reformpfade zur langfristigen Sicherung des gesetzlichen Rentenniveaus:

Eine zentrale Forderung stammt vom Rentenrechtler Peter Knöppel, welcher empfiehlt,

alle Erwerbstätigen einschließlich Beamter, Selbstständiger sowie Abgeordneter verpflichtend in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen.

Durch diese Erweiterung würde sich die Einnahmebasis deutlich verbreitern ohne neue Abgaben zu schaffen.

Weitere diskutierte Maßnahmen umfassen:

  • Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze,
  • konsequente Finanzierung rentenfremder Leistungen ausschließlich über Steuern,
  • Anpassungen bei Regelarbeitszeit,
  • Ausbau zweiter Säulen wie Aktienrenten.

Keine dieser Optionen gilt politisch als leicht realisierbar; sie adressieren jedoch grundlegende Probleme nachhaltiger als einzelne generationelle Sonderabgaben allein.

Politische perspektiven und gesellschaftlicher diskurs zum boomersoli

Obwohl aktuell kontrovers debattiert,

bleibt offen,

ob sich der Boomer-Soli tatsächlich etablieren lässt oder eher symbolischer Diskussionsbeitrag bleibt.

Das Bundesarbeitsministerium verweist darauf,

dass eine eigens eingerichtete Kommission namens „Alterssicherung 2031+“ ab Herbst 2025 auch diesen Vorschlag prüfen werde.

Die Debatte zeigt deutlich,

wie stark Sorgen um Altersarmut sowie mögliche Konflikte zwischen Generationengruppen ausgeprägt sind.

Ein schneller Beschluss zugunsten einer Pflichtabgabe speziell mittlere Einkommen belastender Art erscheint jedoch angesichts verfassungsrechtlicher Bedenken unwahrscheinlich.

Ohne umfassende Reformmaßnahmen wird nach Prognosen ab dem Jahr 2028 jährlich ein zweistelliger Milliardenbetrag aus Bundesmitteln benötigt,

um das derzeit garantierte durchschnittliche Nettorentenniveau von rund 48 Prozent weiter sicherzustellen.

Der Vorstoß setzt dennoch wichtige Impulse:

Er macht sichtbar,

dass rasches Handeln wegen steigender Zahl älter werdender Babyboomer notwendig ist.

Ob dieses Instrument selbst geeignet ist

oder lediglich Symptome benennt

– darüber entscheidet letztlich Politik bis spätestens zum Jahr 2031.

Fest steht laut Dr. Anhalt:

„Wer Vertrauen in gesetzliche Rente erhalten will,
darf Diskussion nicht allein an Stereotyp ‚reiche Boomer‘ knüpfen.“

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