Die EU-Kommission hat den Haushaltsentwurf für die Jahre 2028 bis 2034 vorgelegt. Mit einem Volumen von fast zwei Billionen Euro sollen zentrale Aufgaben wie Verteidigung, Wettbewerbsfähigkeit und Agrarförderung finanziert werden.
Der mehrjährige finanzrahmen als spiegelbild europäischer prioritäten
Der von der EU-Kommission präsentierte Entwurf zum mehrjährigen Finanzrahmen umfasst knapp zwei Billionen Euro und markiert den Auftakt einer intensiven Debatte über die künftige Ausrichtung des europäischen Haushalts. Der MFR legt fest, wie viel Geld die Union in den kommenden sieben Jahren ausgeben darf und welche politischen Schwerpunkte gesetzt werden. Die Höhe des Budgets sowie seine Verteilung sind Ausdruck dessen, was den Mitgliedstaaten sowie dem Europäischen Parlament an Europa wichtig ist – sei es in Bezug auf Sicherheit, Wirtschaft oder soziale Kohäsion.
Ein zentrales Anliegen ist die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Europas angesichts globaler Unsicherheiten. Gleichzeitig soll die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen im internationalen Umfeld verbessert werden. Die Kommission plant daher eine deutliche Erhöhung des Budgets gegenüber dem aktuellen Rahmen sowie eine Vereinfachung der Strukturen durch Reduzierung der Programme von derzeit rund 48 auf etwa 16 Hauptfonds.
Die Zusammenlegung großer Posten wie Landwirtschaft und Regionalförderung zu sogenannten „Partnerschaftsplänen“ soll effizientere Mittelverwendung ermöglichen. Insgesamt sind hierfür rund 865 Milliarden Euro vorgesehen – ein Anteil von fast 45 Prozent am Gesamtbudget. Dabei wird Wert darauf gelegt, dass Auszahlungen an Mitgliedstaaten an Reformfortschritte gekoppelt sind und rechtsstaatliche Prinzipien eingehalten werden.
Diese Neuausrichtung verdeutlicht das Spannungsfeld zwischen nationaler Souveränität bei Fördermitteln einerseits und gemeinsamer europäischer Steuerung andererseits – ein zentraler Diskussionspunkt in den kommenden Verhandlungen.
Agrar- und regionalförderung im wandel: partnerschaftspläne statt einzelprogramme
Mit Blick auf die beiden größten Budgetposten will Brüssel einen Paradigmenwechsel vollziehen: Die bisher getrennten Förderbereiche Landwirtschaft sowie Regionalentwicklung sollen künftig unter dem Dach gemeinsamer Partnerschaftspläne zusammengefasst werden. Diese Pläne erlauben es den Mitgliedstaaten, nationale Strategien zur Mittelvergabe zu entwickeln, wobei Brüssel klare Vorgaben hinsichtlich Reformmaßnahmen macht.
Die Unterstützung für Landwirte bleibt überwiegend über Direkthilfen bestehen, deren Höhe sich nach Betriebsgröße richtet. Ergänzend sieht das Konzept Zuschüsse für Jungbauern vor sowie Investitionshilfen oder Umweltboni aus anderen Programmen zur Förderung nachhaltiger Praktiken in der Landwirtschaft.
Dieser Ansatz reagiert auch auf Kritik am bisherigen Fördersystem mit seiner Vielzahl unterschiedlicher Fonds; Experten begrüßen deshalb grundsätzlich eine Reduzierung zugunsten größerer Flexibilität bei gleichzeitiger Kontrolle durch Brüssel.
Gleichzeitig stößt diese Umgestaltung jedoch auf Widerstand insbesondere seitens landwirtschaftlicher Verbände in mehreren Mitgliedsstaaten: Sie befürchten einen Verlust gemeinsamer Agrarpolitik zugunsten stärker national gesteuerter Mittelvergabe mit unklareren Prioritäten für Umwelt- oder Sozialstandards.
Vor allem vor Vorstellung des Entwurfs demonstrierten Landwirte öffentlich gegen diese Pläne – ein Hinweis darauf, dass dieser Bereich weiterhin politisch hochsensibel bleibt und intensive Diskussion erfordert.
Neue herausforderungen erfordern zusätzliche investitionen bei verteidigung und wettbewerbsfähigkeit
Neben traditionellen Aufgaben wie Förderung ländlicher Räume oder Infrastrukturentwicklung sieht der Haushaltsentwurf erhebliche Mehrausgaben insbesondere im Bereich Verteidigung vor: Fast 800 Milliarden Euro sollen dafür mobilisiert werden – ein deutliches Signal angesichts geopolitischer Spannungen nach Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Darüber hinaus fordert Mario Draghi als ehemaliger Präsident der Europäischen Zentralbank jährliche Investitionen von bis zu 800 Milliarden Euro allein zur Sicherstellung langfristiger Wettbewerbsfähigkeit Europas gegenüber globalem Wettbewerb. Der Kommissionsvorschlag sieht hierfür rund 400 Milliarden Euro im Rahmen eines speziellen Fonds vor, um Innovationen anzustoßen sowie Forschung zu fördern.
Parallel dazu muss ab dem Jahr 2028 jährlich mit etwa 24 Milliarden Euro gerechnet werden für Zins- und Tilgungsleistungen aus Schuldenaufnahmen während des Corona-Wiederaufbaufonds-Programms – eine Belastung mit Auswirkungen auf künftige Haushaltsspielräume aller EU-Mitgliedsstaaten gleichermaßen.
Diese Mehrbelastungen werfen Fragen hinsichtlich Kontrolle durch das Europäische Parlament auf; Abgeordnete warnen davor, dass ihr Budgetrecht dadurch eingeschränkt sein könnte beziehungsweise weniger Einflussnahme möglich wäre als bisher üblich war.
Finanzierungsquellen zwischen beiträgen der mitgliedstaaten und neuen eigenmitteln
Das EU-Budget wird größtenteils durch Beiträge seiner Mitgliedsstaaten gespeist; Deutschland trägt dabei knapp ein Viertel zum Gesamtvolumen bei, gefolgt von Frankreich sowie den Niederlanden als weiteren Nettozahlern mit jeweils etwas mehr als einem Prozent ihrer Wirtschaftsleistung pro Jahr. Ob diese Staaten ihre Zahlungen künftig erhöhen müssen oder wollen, ist offen; viele kämpfen selbst mit hohen Staatsverschuldungen bzw. knappen Haushalten ohne Spielraum für zusätzliche Belastungen außerhalb eigener Grenzen – so äußert sich auch die Bundesregierung skeptisch bezüglich einer Aufstockung basierend auf Wirtschaftskraftanteilen.
Neben Beiträgen verfügt Europa über sogenannte Eigenmittelquellen: Rund drei Viertel aller Zölle an Außengrenzen fließen direkt ins gemeinsame Budget zurück – dies gilt seit langem als stabile Einnahmequelle ohne direkte Belastung nationaler Kassen.
Brüssel strebt jedoch weitere Einnahmearten an, etwa Abgaben speziell für Elektroschrott-Unternehmen oder Beteiligungen an Tabaksteuern zur Diversifizierung seiner Finanzierungsbasis – Vorschläge hierzu stoßen aber teils erheblich auf Widerstand innerhalb verschiedener Regierungen wegen grundsätzlicher Bedenken bezüglich Steuerhoheit versus Verschuldungsmöglichkeiten.
Diese Debatte berührt grundlegende Fragen staatlichen Handelns innerhalb Europas: Sollten Steuern europaweit erhoben werden dürfen? Oder verbleibt dieses Recht ausschließlich bei einzelnen Nationalregierungen? Hier zeigt sich erneut das Spannungsverhältnis zwischen Integrationserfordernissen einerseits sowie Wahrnehmung nationaler Souveränität andererseits.
Verhandlungsprozess bis frühjahr 2027 erwartet trotz komplexität
Der nun vorgestellte Entwurf wurde durch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gemeinsam mit ihrem zuständigen Kommissar Piotr Serafin präsentiert; damit beginnt formal eine langwierige Phase intensiver Beratungen zwischen Rat, Parlament sowie einzelnen Regierungen.
Für einen endgültigen Beschluss bedarf es eines einstimmigen Votums aller Mitgliedsstaaten plus Zustimmung des Europäischen Parlaments – keine einfache Hürde angesichts divergierender Interessenlagen gerade beim Thema Finanzierungshöhe ebenso wie Verteilungsschlüssel.
Geplant ist dennoch möglichst rascher Abschluss bereits bis Frühjahr 2027, um politische Unsicherheiten auszuschließen, bevor Frankreichs Präsidentschaftswahl stattfindet:
„Sollten rechtspopulistische Kräfte dort stärkeren Einfluss gewinnen, würde dies Verhandlungen zusätzlich erschweren“, heißt es aus Kreisen nahe Brüsseler Entscheidern.
Trotz hoher Komplexität versuchen alle Beteiligten somit pragmatische Lösungen herbeizuführen, um handlungsfähiges Europa ab Beginn des neuen Finanzrahmens sicherzustellen.
Die nächsten Monate versprechen intensive Diskussion über Geldpolitik verbunden mit Machtfragen innerhalb Europas – entscheidend wird sein, welche Prioritäten letztlich gesetzt bleiben können unter Berücksichtigung vielfältiger Interessenlagen aller Akteure zugleich.