Ein autonom operierender Roboter hat an der Johns-Hopkins-Universität in den USA erfolgreich eine Gallenblasenentfernung an Schweinekadavern durchgeführt. Die Ergebnisse markieren einen wichtigen Fortschritt in der Medizintechnik und wurden im Fachjournal Science Robotics veröffentlicht.
Entwicklung und funktionsweise des robotischen chirurgen srt-h
Der Surgical Robot Transformer-Hierarchy ist ein neuartiger Operationsroboter, der von einem Team um Professor Axel Krieger an der Johns-Hopkins-Universität entwickelt wurde. Der Roboter absolvierte acht eigenständige Eingriffe zur Entfernung der Gallenblase bei Schweinekadavern. Dabei trennte er die Gallenblase vollständig vom umliegenden Gewebe, sodass sie entnommen werden konnte – ohne direkte menschliche Steuerung oder Befehle während des Eingriffs.
Die Trainingsphase basierte auf manuell annotierten Videos realer Operationen, anhand deren eine Künstliche Intelligenz dem Roboter beibrachte, die einzelnen Operationsschritte zu erkennen und selbstständig auszuführen. Das System lernte so, komplexe chirurgische Abläufe nachzuahmen und Entscheidungen während des Eingriffs zu treffen.
Die Erfolgsquote lag bei 100 Prozent; alle acht Versuche führten zum gewünschten Ergebnis. Zwar war SRT-H im Durchschnitt langsamer als erfahrene Chirurgen, zeigte jedoch gleichmäßigere Bewegungen mit hoher Präzision. Die Forschenden bewerten das Resultat als vergleichbar mit menschlichen Leistungen bei dieser standardisierten Operation.
Professor Krieger stammt ursprünglich aus Baden-Württemberg und lebt seit über 20 Jahren in den USA. Sein Team sieht in dieser Technologie einen bedeutenden Schritt hin zu mehr Automatisierung in der Chirurgie.
Expertenmeinungen zur bedeutung autonomer operationen
Der Münchner Chirurg Dirk Wilhelm, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Computer- und Roboterassistierte Chirurgie am Klinikum Rechts der Isar, bezeichnet die autonome Durchführung von OP-Schritten durch den Roboter als Meilenstein für die Medizin. Er betont jedoch zugleich die Grenzen solcher Verfahren: „Wir sind unterschiedlich groß, wir sind unterschiedlich adipös“, erklärt Wilhelm bezüglich menschlicher Patienten im Vergleich zu Schweinen ohne lebende Organfunktionen.
Er weist darauf hin, dass Organe bei Menschen meist krankhaft verändert sind – etwa durch Verwachsungen oder Entzündungen –, was autonome Systeme vor erhebliche Herausforderungen stellt: „Wir rechnen nicht mit einer Gallenblase, die frei im Bauchraum liegt.“ Zudem seien viele Entscheidungen eines erfahrenen Arztes unbewusst getroffenes Erfahrungswissen sowie bewusste Risikoabwägungen während einer Operation.
Wilhelm warnt davor, das Potenzial autonomer Systeme zu überschätzen: Ein roboterbasiertes System habe kein Zielbewusstsein wie ein Mensch; es fehle ihm das Verständnis für komplexe Situationen oder ethische Abwägungen innerhalb eines Eingriffs.
Technische grenzen und geplante weiterentwicklungen
Bisher fanden alle Tests ausschließlich an toten Schweinekadavern statt; diese waren nicht durchblutet. Um realistischere Bedingungen zu simulieren, färbte das Forschungsteam Teile des Gewebes künstlich ein – beispielsweise um Blut darzustellen –, was vom Roboter gut verarbeitet wurde.
Als nächster Schritt sind Versuche mit lebenden Tieren geplant. Das Team ist optimistisch hinsichtlich weiterer Fortschritte unter realitätsnäheren Bedingungen: „Das ist jetzt der erste Schritt“, sagt Krieger über seine Vision automatisierter Assistenzsysteme ähnlich moderner Fahrassistenzsysteme beim Auto wie Park- oder Bremsassistenten.
Solche Technologien könnten künftig Routineaufgaben übernehmen und damit Ärztinnen sowie Ärzten Arbeit abnehmen beziehungsweise Komplikationen reduzieren helfen – allerdings immer unter Aufsicht medizinischen Fachpersonals.
Ethische fragestellungen und rechtliche rahmenbedingungen
Neben technischen Herausforderungen wirft autonome Chirurgie auch ethische Fragen auf: Darf eine Maschine überhaupt körperliche Eingriffe am Menschen vornehmen? Eine Operation gilt juristisch als Körperverletzung – wer trägt Verantwortung bei Fehlern?
Chirurg Wilhelm hebt hervor: „Das Arzt-Patienten-Verhältnis ist wichtig“ sowohl für Vertrauen als auch Verantwortungsgefühl gegenüber Patientinnen und Patienten – Aspekte, welche ein Roboter nicht leisten kann. Auch wenn automatisierte Systeme zunehmend Aufgaben übernehmen könnten, bleibt laut Experten zwingend medizinisches Personal erforderlich.
Krieger sieht dennoch keine Alternative zur weiteren Automatisierung angesichts steigender Operationszahlen aufgrund demografischer Entwicklungen sowie Fachkräftemangel im Gesundheitswesen. Er betont aber klar: Vollständig autonome Einsätze ohne ärztliches Monitoring seien derzeit weder geplant noch wünschenswert.
Ein denkbarer Anwendungsfall für komplett selbständige Robotereinsätze könnte außerhalb von Krankenhäusern liegen – etwa bei Unfällen auf dem Land fernab ärztlicher Versorgung: Dort könnte ein robotischer Arm lebensrettende Maßnahmen wie Ultraschalluntersuchung oder Blutstillung durchführen bis zum Transport ins Krankenhaus erfolgt ist.
Überzeugung trotz offener fragen
Operationstechniken wie minimalinvasive Gallenblasenentfernungen gelten bereits heute als hochstandardisiert; hier bieten sich Einsatzmöglichkeiten für automatisierte Unterstützungssysteme besonders gut an.
Robotorik ersetzt keine Ärztinnen oder Ärzte vollständig sondern ergänzt deren Fähigkeiten unter strenger Kontrolle weiterführender Diagnostik sowie individueller Therapieentscheidungen am Patientenbett.