Wer nach dem Ende der maximalen Bezugsdauer von Krankengeld weiterhin Unterstützung benötigt, steht vor komplexen sozialrechtlichen Fragen. Die Regelungen zur Aussteuerung, Nahtlosigkeitsregelung und zum Übergang in das Arbeitslosengeld sind für Betroffene entscheidend.
Grundlagen des Krankengeldbezugs und maximale Bezugsdauer
Das Krankengeld übernimmt die Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber ab der siebten Woche einer Arbeitsunfähigkeit. Während die ersten sechs Wochen vom Arbeitgeber als Entgeltfortzahlung geleistet werden, zahlt die gesetzliche Krankenversicherung danach bis zu 78 Wochen innerhalb einer Blockfrist von drei Jahren Krankengeld. Diese Frist umfasst auch die ersten sechs Wochen Entgeltfortzahlung, sodass Versicherte effektiv etwa 72 Wochen Krankengeld erhalten können.
Ab dem Jahr 2025 beträgt das Krankengeld unverändert 70 Prozent des Bruttolohns, jedoch maximal 90 Prozent des Nettogehalts abzüglich der Sozialversicherungsbeiträge. Das bedeutet eine finanzielle Absicherung für längere Erkrankungen oder chronische Leiden über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr hinweg.
Die Höchstdauer ist gesetzlich festgelegt und soll verhindern, dass Versicherte dauerhaft auf diese Leistung angewiesen sind. Dennoch endet mit Ablauf dieser Frist häufig eine wichtige Einkommensquelle – gerade bei schweren oder langwierigen Erkrankungen kann dies zu erheblichen Problemen führen.
Aussteuerung: Ende der Leistungspflicht der Krankenkasse
Mit dem Ablauf der maximalen Bezugsdauer tritt die sogenannte Aussteuerung ein. Dabei stellt die gesetzliche Krankenversicherung das Krankengeld ein – unabhängig davon, ob eine vollständige Genesung eingetreten ist oder nicht. Viele Erkrankungen verlaufen chronisch oder benötigen weitere Behandlungs- beziehungsweise Rehabilitationsmaßnahmen.
Der Zeitpunkt der Aussteuerung markiert somit einen kritischen Wendepunkt für Betroffene: Sie verlieren den automatischen Anspruch auf finanzielle Unterstützung durch ihre Krankenkasse im Rahmen des Krankengeldes.
Betroffene müssen sich spätestens jetzt bei der Agentur für Arbeit melden, um den Übergang in andere Leistungen wie Arbeitslosengeld I zu organisieren. Die Meldung ist notwendig, um Versorgungslücken zu vermeiden und rechtzeitig Ansprüche geltend machen zu können.
Die Situation wird besonders schwierig bei bestehenden ungekündigten Arbeitsverhältnissen: Der Arbeitgeber darf weiterhin Nachweise über Arbeitsunfähigkeit verlangen und erwartet lückenlose Krankschreibungen trotz fehlender Zahlung durch die Kasse.
Nahtlosigkeitsregelung als sozialrechtlicher schutzschirm
Um Versorgungslücken zwischen Ende des Krankengeldes und Beginn anderer Leistungen abzudämmen, hat der Gesetzgeber mit § 145 SGB III eine Nahtlosigkeitsregelung eingeführt. Diese gilt unter bestimmten Voraussetzungen als sozialrechtlicher Puffer zwischen Krankheit und Erwerbsaufnahme beziehungsweise Leistungsbezug anderer Sozialleistungen.
Voraussetzung ist ein ärztliches Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit mit Prognose einer eingeschränkten Erwerbsfähigkeit von mindestens sechs Monaten sowie weniger als drei Stunden täglicher Leistungsfähigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt. In diesem Fall gilt man trotz fehlender voller Erwerbsfähigkeit als „verfügbar“ im Sinne des Sozialgesetzbuchs III .
Dies ermöglicht den Bezug von Arbeitslosengeld I während gleichzeitig geprüft wird, ob Rentenansprüche wegen Erwerbsminderung bestehen oder Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich sind. Je nach Alter sowie Versicherungszeiten kann das ALG I bis zu 24 Monate gezahlt werden – deutlich länger als übliches ALG I ohne Nahtlosigkeitsschutz.
Scheitert diese Prognoseprüfung hingegen daran, dass laut Ärztlichem Dienst innerhalb kurzer Zeit wieder volle Erwerbsfähigkeit erwartet wird, entfällt dieser Schutzmechanismus vollständig. Dann gelten reguläre Regeln zum ALG-I-Bezug mit Verpflichtungen zur aktiven Arbeitssuche sowie Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt ohne Schonfrist aufgrund Krankheit.
Eine fortlaufende Krankschreibung wirkt hier kontraproduktiv: Sie widerspricht genau jener Verfügbarkeitserklärung gegenüber dem Jobcenter bzw. Agentur für Arbeit und kann zur Streichung sämtlicher Leistungen führen – was existenzbedrohend sein kann.
Herausforderungen bei Arbeitgeberpflichten nach Aussteuerungszeitraum
Nach Ende des Anspruchs auf Krankengeldauszahlung bleiben Arbeitnehmer formal verpflichtet zur rechtzeitigen Meldung ihrer Krankheit gegenüber ihrem Arbeitgeber gemäß § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz . Seit Einführung elektronischer AU-Bescheinigungen ab 2023 erfolgt zwar die Übermittlung an Krankenversicherer digital; dennoch entfällt nicht die Pflicht zur persönlichen Information beim Betrieb selbst zeitnah nach Beginn einer Erkrankung bzw., falls sich diese verlängert oder erneut auftritt.
Dieser Umstand führt oft zu Zielkonflikten zwischen Arbeitnehmern sowie ihren Arbeitgebern einerseits und Behörden andererseits:
- Die Agentur für Arbeit verlangt Verfügbarkeit am Arbeitsplatz.
- Der Arbeitgeber fordert lückenlose Nachweise über bestehende Krankschreibung.
Betroffene geraten so in schwierige Situationen hinsichtlich Dokumentationspflichten sowie tatsächlicher gesundheitlicher Einschränkungen während laufender Beschäftigung ohne Lohnfortzahlungsanspruch seitens Versicherungsträgers bzw.-kassenleistungsträgern.
Strategien gegen finanzielle Versorgungslücken nach Krankgeldende
Um finanzielle Engpässe unmittelbar vor Auslaufen des gesetzlichen Anspruchs vorzubeugen empfiehlt es sich frühzeitig aktiv zu werden:
- Rund zwei Monate vor Erreichen maximaler Bezugsdauer sollte man Schreiben seiner Krankenversicherung aufmerksam verfolgen beziehungsweise proaktiv anfordern.
- Rechtzeitige Beantragung von Arbeitslosenleistungen inklusive vollständiger Einreichnung aller erforderlichen Arztberichte erhöht Chancen auf reibungslose Leistungsgewährung.
- Bei Aufforderungen seitens Behörden sollten Anträge auf Rehabilitation oder Rente zügig gestellt werden.
Falls es beim ärztlichen Dienst zum negativen Bescheid bezüglich Nahtlosigkeit kommt besteht Möglichkeit eines Widerspruchsverfahren bis hin zur Klage vor Sozialgerichten zwecks Überprüfung medizinischer Einschätzungen.
Parallel empfiehlt sich Kommunikation mit dem Arbeitgeber bezüglich Handhabungsmöglichkeiten rund um AU-Bescheinigungen im Anschluss an Aussteuerungszeitraum zwecks Konfliktminimierung.
Digitale verfahren entlasten praxisabläufe aber lösen grundprobleme nicht
Die Umstellung auf elektronische Krankschreibungsverfahren reduziert Verwaltungsaufwand sowohl in Arztpraxen wie auch bei gesetzlichen Krankenversicherern erheblich; dennoch bleiben grundlegende Herausforderungen bestehen:
Lange Bearbeitungszeiten medizinischer Gutachten verzögern Entscheidungen über Leistungsansprüche maßgeblich ebenso wie unterschiedliche Bewertungen behandelnder Ärzte versus ÄD-Gutachter häufig Unsicherheit schaffen.
Zudem fehlt bislang ein flächendeckend strukturierter Datenaustausch zwischen beteiligten Institutionen wie Rentenversicherungsträgern sowie Bundesagentur für Arbeit inklusive automatischer Abgleichprozesse.
Bis solche Systeme etabliert sind bleibt individuelle Beratung unerlässlich – insbesondere angesichts drohender finanzieller Risiken infolge fehlender Einkommensabsicherung während Wartezeiten.