Deutschland erwägt den Kauf des US-Raketensystems „Typhon“, da die Entscheidung über die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland durch die USA noch aussteht. Das System könnte eine Übergangslösung für die Bundeswehr darstellen und ist Teil der aktuellen sicherheitspolitischen Debatte.
Politische Hintergründe und aktuelle Entscheidungslage zur Raketenstationierung in Deutschland
Im Sommer 2024 kündigte der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz überraschend Pläne an, US-Mittelstreckenraketen ab 2026 in Deutschland zu stationieren. Diese Ankündigung sorgte insbesondere innerhalb der Ampelkoalition für Diskussionen, da sie eine deutliche Verschärfung der sicherheitspolitischen Ausrichtung bedeutete. Seitdem hat sich das politische Umfeld verändert: Mit dem Amtsantritt von Donald Trump im Weißen Haus gibt es neue Unsicherheiten bezüglich der amerikanischen Außen- und Verteidigungspolitik.
Bislang liegt keine endgültige Entscheidung seitens der US-Regierung vor, ob Mittelstreckenraketen tatsächlich auf deutschem Boden stationiert werden sollen. Dies bestätigte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius in den ARD-tagesthemen am 15.07.2025. Er erwartet einen Beschluss im Herbst desselben Jahres und bewertet die Signale aus Washington als positiv, ohne jedoch Details nennen zu können.
Die Verzögerung bei dieser Entscheidung führt dazu, dass Berlin nach Alternativen sucht, um seine Verteidigungsfähigkeit angesichts wachsender Bedrohungen im Osten Europas zu stärken. Die Unsicherheit über Trumps Haltung gegenüber Auslandseinsätzen seiner Streitkräfte spielt dabei eine wichtige Rolle.
Das typhon-raketensystem als mögliche übergangslösung für die bundeswehr
Das vom Rüstungskonzern Lockheed Martin entwickelte „Typhon“-System gilt als moderne Waffentechnologie mit vielseitigen Einsatzmöglichkeiten. Es wurde erst 2023 bei der US-Armee eingeführt und besteht aus vier mobilen Abschusscontainern sowie einer Befehlseinheit und unterstützenden Fahrzeugen.
Diese Container können sowohl „Tomahawk“-Marschflugkörper als auch „SM-6“-Raketen starten – genau jene Raketentypen, deren Stationierung ursprünglich von Scholz angekündigt wurde. Die Reichweite der Tomahawks beträgt mindestens 2 000 Kilometer; sie sind damit fähig, Ziele tief innerhalb Russlands anzugreifen oder abzuschrecken.
Flexiblere einsatzmöglichkeiten der sm-6-raketen
Die SM-6-Raketen dienen sowohl zur Flugabwehr als auch offensiv gegen Land- oder Seeziele; ihre Flexibilität wird vom Herstellerunternehmen Raytheon hervorgehoben. Sie sind bereits auf zahlreichen US-Kriegsschiffen installiert und haben sich unter anderem bei Abwehraktionen gegen Raketenangriffe durch Huthi-Rebellen im Jemen bewährt.
Bundesverteidigungsminister Pistorius bezeichnete das Typhon-System gegenüber seinem US-Amtskollegen Pete Hegseth als potenzielle Übergangslösung bis zur Entwicklung europäischer Waffen mit vergleichbaren Fähigkeiten – ein Prozess, dessen Fertigstellung sieben bis zehn Jahre dauern könnte.
Wann genau Deutschland mit einer Einführung des Systems rechnen kann, bleibt offen; dies hängt maßgeblich von einer Zustimmung seitens Washington ab.
Strategische Bedeutung des Typhon-Systems im geopolitischen Kontext
Das Typhon-System steht exemplarisch für moderne Abschreckungsstrategien westlicher Staaten gegenüber Russland sowie China. Seine Mobilität erlaubt flexible Einsätze an verschiedenen Standorten; so wurde beispielsweise im April 2024 eine Batterie zeitweise auf den Philippinen stationiert – ein Schritt zur Verstärkung amerikanischer Präsenz in Asien angesichts wachsender Spannungen mit China.
Diese Verlegung erfolgte mittels Lufttransport durch sogenannte „Globemaster“-Transportmaschinen zum Manöver auf den Inseln nahe Südostasien. Die chinesische Regierung reagierte darauf prompt mit Warnungen vor einer Destabilisierung regionaler Sicherheitsverhältnisse.
In Europa soll das System helfen, russische Aggressionen abzuschrecken oder gegebenenfalls militärisch entgegenzutreten – was angesichts des Ukraine-Kriegs hohe Priorität besitzt. Die Kombination aus Marschflugkörpern großer Reichweite und multifunktionalen Abwehrraketen macht Typhon besonders attraktiv für Länder wie Deutschland mit begrenzten eigenen Rüstungsmöglichkeiten kurzfristiger Natur.
Der Kauf statt Stationierung amerikanischer Systeme entspricht zudem einem politischen Trend unter Präsident Trump: Er bevorzugt Exportgeschäfte vor dauerhaften Auslandseinsätzen eigener Soldaten gemäß seiner „America first“-Politik – was Verbündete zugleich stärker abhängig macht von Nachschub sowie Wartung durch US-Unternehmen wie Lockheed Martin oder Raytheon.