Die Ankündigung erhöhter US-Zölle auf europäische Waren hat in Brüssel eine Debatte über die angemessene Reaktion der EU ausgelöst. Während einige Stimmen zu Gegenmaßnahmen raten, plädieren andere für Zurückhaltung und strategische Geduld.
Pro gegenzölle: klare kante gegen us-zollpolitik zeigen
Sabrina Fitz vom ARD-Studio Brüssel argumentiert, dass die Europäische Union entschlossen auf die US-Zollpolitik reagieren sollte. Sie vergleicht das Verhalten des Weißen Hauses mit einem respektlosen Chef, der über Monate hinweg Überstunden fordert, aber keine Zulagen zahlt. In solchen Situationen sei es ratsam, klare Kante zu zeigen und sich nicht alles gefallen zu lassen – eine Haltung, die sie auch von der EU erwartet.
Die USA haben bereits Zölle auf Stahl, Aluminium und Autos aus Europa verhängt. Nun wurden weitere Erhöhungen angekündigt: von 20 Prozent zunächst auf 30 Prozent Zollaufschlag. Die Unsicherheit bleibt groß; es ist nicht auszuschließen, dass kurz vor Weihnachten sogar noch höhere Zollsätze folgen könnten. Fitz sieht darin ein Kalkül des Weißen Hauses: Man nehme an, Europa könne wirtschaftlich unter diesen Maßnahmen leiden und werde deshalb nachgeben.
Dem widerspricht sie entschieden. Die EU verfüge über wirksame Hebel im Handelsstreit – insbesondere durch den Technologiesektor. Täglich fließen enorme Mengen digitaler Leistungen aus den USA nach Europa; diese Tech-Leistungen sollten in den Verhandlungen berücksichtigt werden. Würde man Beschränkungen für Unternehmen wie Apple, Amazon oder Google einführen, träfe dies deren Geschäftsinteressen empfindlich.
Harte gangart als signal
Fitz schlägt vor: „Samthandschuhe einpacken und Boxhandschuhe raus.“ Nur eine harte Gangart könne dem amerikanischen Präsidenten verdeutlichen, wie wichtig der europäische Markt für seine Tech-Konzerne ist – möglicherweise würden diese dann Druck im Weißen Haus machen.
Diese Position betont das Prinzip klarer Gegenzüge als notwendige Antwort auf wirtschaftliche Provokationen seitens der USA und sieht darin einen Weg zur Wiederherstellung eines ausgewogenen Handelsverhältnisses zwischen beiden Wirtschaftsräumen.
Contra gegenzölle: zurückhaltung als strategie gegen eskalation
Im Gegensatz dazu empfiehlt Andreas Meyer-Feist, ebenfalls vom ARD-Studio Brüssel, eine ruhige Reaktion ohne voreilige Gegenmaßnahmen seitens der Europäischen Union. Er beschreibt das Vorgehen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als strategisch kluges „Achselzucken“ angesichts provokativer US-Zollschritte.
Seit April hat Präsident Trump mehrfach Zollerhöhungen gegen europäische Produkte durchgesetzt – zunächst zehn Prozent bei Stahl- und Aluminiumimporten sowie später zusätzliche Belastungen bei Autos aus Europa. Die EU habe darauf bislang bewusst verzichtet zu reagieren oder gar Vergeltungszölle einzuführen; entsprechende Listen mit möglichen Maßnahmen blieben ungenutzt in Schubladen liegen.
Meyer-Feist hebt hervor, dass diese unaufgeregte Standhaftigkeit innerhalb Europas weitgehend geschlossen getragen wird – was er als entscheidenden Faktor bewertet. Statt sich in einen Eskalationskampf verwickeln zu lassen oder vorschnell Vergeltung anzudrohen beziehungsweise umzusetzen, setze die EU damit ein Zeichen gegen Willkür sowie Unberechenbarkeit im internationalen Handelspolitikbetrieb.
Digitalsteuern als diskussionspunkt
Er verweist zudem darauf, dass etwa Digitalsteuern gegenüber US-Konzernen zwar diskutiert werden könnten; deren Einführung aber bewusst offen gehalten wird statt als Drohung eingesetzt zu werden . Diese Zurückhaltung soll Raum schaffen für Verhandlungen ohne unnötige Spannungssteigerung oder Risiko einer weiteren Eskalation des Konflikts mit Washington.
Der Ansatz zielt darauf ab, langfristig stabile Rahmenbedingungen herzustellen statt kurzfristig impulsiv Gegenzüge vorzunehmen – um so letztlich bessere Voraussetzungen für konstruktive Gespräche zwischen beiden Seiten zu schaffen.