Home Nachrichten Landessozialgericht Stuttgart bestätigt GdB 50 für leukämiepatienten mit chronischem fatigue-syndrom
Nachrichten

Landessozialgericht Stuttgart bestätigt GdB 50 für leukämiepatienten mit chronischem fatigue-syndrom

Share
Share

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat in einem Urteil entschieden, dass ein ehemaliger Leukämie-Patient seinen Grad der Behinderung von 50 trotz abgelaufener Heilungsbewährung nicht verliert. Die Richter bewerteten die anhaltenden Spätfolgen wie chronisches Fatigue-Syndrom, kognitive Defizite und Neuropathien als so gravierend, dass eine Herabsetzung des GdB rechtswidrig ist.

Entscheidung des landessozialgerichts zu dauerhaften späten folgen nach leukämie

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat mit dem Urteil L 6 SB 1695/22 klargestellt, dass die dauerhaften Funktionseinschränkungen eines ehemaligen Leukämie-Patienten eine Herabsetzung seines Grades der Behinderung nicht rechtfertigen. Das zuständige Landratsamt hatte den GdB von ursprünglich 80 auf nur noch 30 herabgesetzt. Das Sozialgericht Heilbronn hob diese Entscheidung teilweise auf und setzte den Wert auf 40 fest. Der Kläger legte Berufung ein und bekam vor dem LSG Stuttgart Recht: Die Richter stuften die Spätfolgen seiner Erkrankung als erheblich ein und setzten den GdB wieder auf 50 fest.

Die Entscheidung zeigt deutlich, dass auch nach Ablauf der fünfjährigen gesetzlichen Heilungsbewährung die Folgeschäden einer Krebserkrankung eigenständig bewertet werden müssen. Dabei zählen insbesondere das chronische Fatigue-Syndrom, kognitive Einschränkungen sowie Neuropathien zu den relevanten Beeinträchtigungen. Diese können erhebliche Auswirkungen auf Alltag und Arbeitsfähigkeit haben.

Das Gericht verpflichtete zudem das beklagte Landratsamt zur Übernahme sämtlicher Verfahrenskosten. Damit wurde eine verbreitete Verwaltungspraxis korrigiert, bei der Spätfolgen häufig pauschal ignoriert oder als geringfügige Befindlichkeitsstörungen abgetan werden.

Fatigue-syndrom als schwerwiegende späte folge einer leukämiebehandlung

Fatigue ist mehr als normale Erschöpfung; es handelt sich um ein komplexes Syndrom mit anhaltender Tagesmüdigkeit, Konzentrationsproblemen sowie Schmerzen infolge einer Chemotherapie oder anderer Therapien bei Krebsbehandlungen. Nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen wird das Funktionssystem „Gehirn und Psyche“ für solche Spätfolgen herangezogen.

Bereits leichte Hirn- oder seelische Beeinträchtigungen können dort Einzelwerte bis zu einem GdB von 40 rechtfertigen. Im vorliegenden Fall litt der Kläger unter genau diesen Symptomen: ausgeprägter Müdigkeit über den Tag verteilt, deutlichen Konzentrationsdefiziten sowie neuropathischen Schmerzen durch chemotherapeutische Maßnahmen.

Diese Symptome summierten sich zu einem Gesamt-GdB von mindestens 50 – entgegen der gängigen Praxis vieler Behörden, welche das chronische Fatigue-Syndrom oft lediglich als „leichte Befindlichkeitsstörung“ einstufen und damit niedrigere Werte vergeben oder gar keine Anerkennung gewähren.

Die Entscheidung des LSG Stuttgart stellt klar: Chronisches Fatigue-Syndrom ist eine ernstzunehmende Folgeerkrankung nach Leukämiebehandlung mit erheblichen Auswirkungen auf Lebensqualität und Leistungsfähigkeit.

Heilungsbewährung beendet tumor nicht seine langfristigen folgen

Nach erfolgreicher Therapie gilt eine Leukämie in Deutschland offiziell fünf Jahre lang als „heilungsbewährt“. Viele Behörden nutzen dieses Zeitfenster jedoch fälschlicherweise dazu, Betroffene automatisch herabzustufen – sofern kein Rezidiv vorliegt beziehungsweise keine erneute Tumorerkrankung festgestellt wird.

Das Gericht betonte ausdrücklich: Die gesetzliche Heilungsbewährung betrifft ausschließlich das Ausbleiben eines Rückfalls; sie schließt jedoch nicht ausstehende Organschäden oder neurologisch-psychische Folgeschäden wie Fatigue oder kognitive Defizite aus. Diese müssen weiterhin individuell geprüft werden – unabhängig vom Ablauf dieser Frist.

Unterbleibt diese differenzierte Einzelfallprüfung durch die Verwaltungsbehörden bei einer Herabsetzung des GdB-Werts nach Krebsbehandlung vollständig oder erfolgt sie unzureichend, so ist dies rechtswidrig gemäß dem Urteil des LSG Stuttgart vom Juni 2023 .

Vorteile eines anerkannten gdb von mindestens 50 für betroffene

Ein Grad der Behinderung ab mindestens 50 bringt zahlreiche konkrete Vorteile im beruflichen wie privaten Alltag mit sich:

  • Beschäftigte erhalten beispielsweise fünf zusätzliche Urlaubstage pro Jahr sowie einen besonderen Kündigungsschutz gemäß Schwerbehindertenrecht . Arbeitgeber benötigen zur Entlassung dann zwingend die Zustimmung des Integrationsamts – was Kündigungen erschwert beziehungsweise verzögert.

  • Steuerlich wirkt sich ein anerkannter Schwerbehinderten-Pauschbetrag bereits ab dem ersten Euro Einkommen steuermindernd aus; dies entlastet Betroffene finanziell unmittelbar im laufenden Jahr ohne weitere Nachweise über tatsächliche Kosten für Behinderungen hinweg.

  • Darüber hinaus bestehen Nachteilsausgleiche im öffentlichen Nahverkehr inklusive Vergünstigungen bei Bahnfahrten sowie Ermäßigungen beim Kfz-Steuersatz und Rundfunkbeitrag. Je nach Bundesland unterschiedlich ausgestaltet sind ebenfalls möglich.

  • In Sozialhilfeleistungen wie Grundsicherung erhöhen höhere Freibeträge Schutzräume für Einkommen und Vermögen; kleine Rücklagen bleiben dadurch erhalten ohne Anrechnung durch Ämter befürchten zu müssen.

Viele Kommunen erkennen zudem Wohnflächenvergünstigungen an: Schwerbehinderte dürfen oft größere barrierearme Wohnungen beziehen bzw. erhalten Zuschüsse aufgrund höherer Mietkosten solcher Wohnungen gegenüber Standardobjekten am freien Markt – was gerade älteren Menschen zugutekommt.

Rechte am arbeitsplatz bei fatigue-bedingter einschränkung nutzen

Betroffene Personen mit chronischem Fatigue-Syndrom sind häufig nur eingeschränkt belastbar; ihre Leistungsfähigkeit schwankt stark über kurze Zeiträume hinweg. Gemäß § 164 SGB IX besteht Anspruch darauf, dass Arbeitgeber behinderungsgerechte Anpassungen am Arbeitsplatz ermöglichen beziehungsweise fördern müssen:

Dazu zählen flexible Pausenzeiten zur Regeneration während langer Arbeitstage ebenso wie ergonomisch angepasste Bürostühle zum Schutz vor weiteren körperlichen Beschwerden oder Homeoffice-Regelungen zur Reduzierung langer Pendelzeiten bzw. Stressfaktoren außerhalb kontrollierbarer Umgebungen zuhause statt Büroarbeitsplatz.

Weigert sich ein Betrieb trotz begründeter ärztlicher Empfehlungen hiergegen konsequent anzupassen bzw., droht sogar Kündigung wegen verminderter Leistungsfähigkeit, steht Betroffenen neben dem besonderen Kündigungsschutz auch juristische Unterstützung offen.

Zusätzlich können Rehabilitationsleistungen gemäß § 44 SGB IX verkürzt beantragt werden, wenn medizinisch notwendig – etwa um Therapien gegen Ermüdungserscheinungen oder neurokognitives Coaching schneller beginnen zu können.

Kostenträger sind verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zeitnah freizugeben, um Verschlechterungen vorzubeugen.

Widerspruch gegen herabstufung des gdb richtig führen

Eine Kürzung des Grades der Behinderung sollte niemals ohne Prüfung akzeptiert werden: Fehlt etwa ein aktuelles fachärztliches Gutachten zum Gesundheitszustand? Wurde das chronische Fatigue-Syndrom pauschal nur leicht bewertet? Dann lohnt es sich unbedingt, Widerspruch einzulegen.

Innerhalb einer Frist von einem Monat genügt hierfür meist schon ein formloses Schreiben ans zuständige Versorgungsamt unter Angabe aller relevanten Aktenzeichen samt ausführlicher Begründung gegen jede einzelne Herabsetzungsverfügung.

Als Beleg empfiehlt es sich dringend, das Urteil LSG Baden-Württemberg anzuführen sowie aktuelle Arztberichte inklusive Reha-Abschlussberichte beizufügen.

Wird dieser Widerspruch abschlägig beschieden, bleibt Klageweg zum Sozialgericht offen; Prozesskostenhilfe steht einkommensschwachen Versicherten dabei grundsätzlich zur Verfügung.

Berechnungsmethoden beim grad der behinderung erläutert

Der Grad der Behinderung misst quantitativ ab wann gesundheitliche Einschränkungen gesellschaftliche Teilhabe wesentlich mindern – er basiert dabei auf verbindlichen versorgungsmedizinischen Grundsätzen.

Mehrere Erkrankungen addieren sich nicht einfach arithmetisch sondern richten sich zunächst nach höchstem Einzelwert innerhalb aller Diagnosen:

  • Leichte Störungen verändern meist nichts am Gesamtergebnis.

  • Bei typischen Spätfolgen einer Leukämiebehandlung nennt dieser Katalog explizit Symptome wie chronisches Fatigue-Syndrom, Neuropathien, kognitive Einbußen.

Diese können zusammen genommen Schwellenwerte überschreiten, welche dann einen Gesamt-GdB ≥ 50 rechtfertigen.

Politische bedeutung des urteils für anerkennung chronic fatigue syndrome

Selbsthilfegruppen fordern seit Jahren gesetzliche Anerkennung des chronic fatigue syndromes als eigenständiges Krankheitsbild. Das aktuelle Urteil aus Stuttgart stärkt deren Position:

  • Gerichte nehmen CFS zunehmend ernsthaft wahr.

  • Sie sprechen höhere Grade der Behinderung zu, wenn belastbare medizinische Befunde vorliegen.

Sollte Gesetzgeber diesem Beispiel folgen, könnten künftig viele Betroffene realistischere Einstufungen ohne langwierige Rechtsstreitigkeiten erhalten.

Damit gewinnt dieses wegweisende Urteil bundesweit Bedeutung sowohl für Patientenrechte in Krebsnachsorgeprogrammen als auch im Bereich sozialrechtlicher Gleichstellung schwerbehinderter Menschen insgesamt.

Share
Related Articles
Nachrichten

Bürgergeld: einstweilige anordnung bei versagung durch jobcenter wegen fehlender mitwirkung

Bezieher von Bürgergeld können gegen einen bestandskräftigen Versagungsbescheid des Jobcenters nach §...

Nachrichten

Landessozialgericht berlin-brandenburg weist beschwerde gegen ablehnung von bürgergeld-eilantrag zurück

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat am 20. 05. 2025 eine Beschwerde gegen einen ablehnenden Eilbeschluss...

Nachrichten

Gisèle pelicot erhält französischen verdienstorden der ehrenlegion für einsatz gegen sexualisierte gewalt

Die französische Bürgerrechtlerin Gisèle Pelicot wird mit dem Verdienstorden der Ehrenlegion ausgezeichnet....

Nachrichten

Keine automatische kontoführungsgebührenbefreiung für schwerbehindertenausweisinhaber in deutschen banken

Die Behauptung, dass Inhaberinnen und Inhaber eines Schwerbehindertenausweises automatisch von Kontoführungsgebühren befreit...

Immer aktuell: Nachrichten, Klatsch, Sport und Politik in Echtzeit.

Infos & Mitteilungen

Infos und Pressemitteilungen senden Sie eine E‑Mail an: info@thenga.de

Copyright © 2025 im Eigentum von Influencer Srls – Dieser Blog ist keine journalistische Publikation, da er ohne jegliche Periodizität aktualisiert wird. Er kann daher nicht als redaktionelles Produkt im Sinne des Gesetzes Nr. 62 vom 07.03.2001 angesehen werden.