Die aktuelle IAB-Studie im Auftrag des Verwaltungsrats der Bundesagentur für Arbeit zeigt, dass die teuren Jobcenter-Maßnahmen trotz hoher Ausgaben nur geringe Erfolge bei der Arbeitsmarktintegration erzielen. Während die Teilnehmerzahlen sinken, steigen die Kosten pro Monat deutlich an. Praxisnahe Arbeitgebermaßnahmen bleiben unterrepräsentiert.
Steigende kosten und rückläufige teilnehmerzahlen bei jobcenter-kursen
Zwischen 2018 und 2024 ist die Zahl der Teilnehmenden an allgemeinen Maßnahmen eines großen Trägers von 655 000 auf 436 000 Personen gesunken – ein Rückgang um rund 33 Prozent. Gleichzeitig stiegen die Kosten pro Teilnahmemonat von durchschnittlich 706 Euro auf über 1 014 Euro, was einem Anstieg von knapp 44 Prozent entspricht und deutlich über der Inflationsrate liegt. Trotz sinkender Teilnehmerzahlen beliefen sich die Gesamtausgaben der Jobcenter für diese Kurse im Jahr 2024 noch auf etwa 875 Millionen Euro.
Im Gegensatz dazu zeigen Maßnahmen direkt bei Arbeitgebern ein anderes Bild: Die monatlichen Kosten liegen hier lediglich bei etwa 39 Euro pro Person, doch auch hier sind die Zugänge zwischen den Jahren stark zurückgegangen – um rund 55 Prozent von knapp 150 000 auf weniger als 79 000 Teilnehmende. Die jährlichen Ausgaben für diese praxisorientierten Programme schrumpften dadurch auf nur noch etwa eine Million Euro, was einen Bruchteil des Budgets ausmacht.
Diese Entwicklung verdeutlicht eine Verschiebung innerhalb des Aktivierungsbudgets: Immer weniger Menschen nehmen an den teuren Kursangeboten teil, dennoch verschlingen diese fast das gesamte Budget für Aktivierungsmaßnahmen. Gleichzeitig werden kostengünstige und arbeitsmarktnähere Praktika oder Betriebsphasen vernachlässigt. Diese Diskrepanz wirft Fragen zur Effizienz und Zielsetzung des Fördersystems auf.
Wirkung unterschiedlicher maßnahmen im vergleich
Die Metastudie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wertet zahlreiche Wirkungsanalysen aus verschiedenen Regionen und Zielgruppen aus, um den Erfolg unterschiedlicher Förderinstrumente zu vergleichen. Dabei zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen klassischen Trägerkursen und Maßnahmen direkt beim Arbeitgeber.
Teilnehmerinnen solcher Trägerkurse erreichen bis zu sieben Jahre nach Kursende eine Beschäftigungsquote, die lediglich um ein bis vier Prozentpunkte höher liegt als in vergleichbaren Gruppen ohne Förderung – mit starken regionalen Schwankungen je nach Zielgruppe. Dies bedeutet einen eher geringen langfristigen Effekt dieser Angebote.
Demgegenüber erhöhen Arbeitgebermaßnahmen wie Praktika oder betriebliche Trainingsprogramme unmittelbar nach Abschluss ihre Chancen erheblich: Im ersten Jahr steigt dort die Wahrscheinlichkeit einer regulären Beschäftigung ungeförderter Personen um bis zu zwanzig Prozentpunkte gegenüber Vergleichsgruppen ohne Maßnahme; selbst nach sieben Jahren bleibt das Plus mit circa zehn Punkten signifikant bestehen.
Lock-in-effekte und amortisation
Lock-in-Effekte während der Teilnahmezeit sind laut Harrer et al. minimal ausgeprägt: Bei Trägerkursen beträgt dieser Effekt nur einen halben Prozentpunkt über wenige Wochen; in betrieblichen Praktika ist er praktisch nicht messbar. Das heißt konkret: Das vermeintlich teure Praktikum amortisiert sich schneller durch höhere Vermittlungserfolge als langwierige Kurse beim Trägeranbieter.
Diese Ergebnisse legen nahe, dass praxisnahe Förderformen nicht nur kostengünstiger sind, sondern auch nachhaltigere Integrationserfolge am Arbeitsmarkt ermöglichen können – wenn sie entsprechend gefördert würden.
Alltagserfahrungen von bürgergeld-beziehenden in aktivierungsmaßnahmen
Für Menschen mit Bürgergeldbezug entscheidet oft schon das Format einer Maßnahme über ihre Lebensqualität neben dem beruflichen Erfolgspotenzial:
Wer monatelang Vollzeit an einem Kurs eines externen Trägers teilnimmt, kann keine Nebenbeschäftigung aufnehmen oder Rentenanwartschaften erwerben – dies führt zu Zeitverlust sowie finanziellen Nachteilen im Alterssystem.
Zudem besteht Sanktionsdruck gemäß § 31 SGB II: Wird eine Maßnahme abgelehnt oder nicht ordnungsgemäß erfüllt, drohen Kürzungen beim Bürgergeld trotz fragwürdiger Wirksamkeit vieler Angebote laut Statistikdatenlage.
Psychische Belastungen entstehen durch wiederholtes Bewerbungstraining ohne Aussicht auf Erfolg; Betroffene berichten häufig von sogenannten „Drehtür-Effekten“, da sie nach Ende einer Maßnahme erneut arbeitslos bleiben müssen statt dauerhaft vermittelt zu werden.
Gleichzeitig bleiben viele Chancen ungenutzt: Nur rund 17 Prozent aller Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine werden tatsächlich eingelöst – obwohl diese Gutscheine es erlauben würden, eigenständig Betriebe anzusprechen statt passiv Kurse abzuwarten. Findet jemand keinen passenden Betriebspartner vor Ort, wird er meist erneut in einen Kurs geschickt; so entsteht eine Spirale ohne nachhaltigen Ausweg aus der Erwerbslosigkeit.
Dieses Spannungsfeld zwischen Pflichtmaßnahme mit begrenztem Nutzen sowie fehlender Selbstbestimmung prägt den Alltag zahlreicher Bürgergeld-Beziehender bundesweit nachhaltig negativ mit Folgen für Motivation sowie soziale Stabilität ihrer Lebenssituation.
Ursachenanalyse für ineffiziente geldflüsse im fördersystem
Die Studie benennt mehrere strukturelle Ursachen dafür, warum finanzielle Mittel überwiegend in wenig erfolgreiche Maßnahmen fließen:
- Jobcenter kaufen Leistungen überwiegend per Rahmenvertrag bei großen Anbietern ein; dies belohnt vor allem jene Anbieter mit vielen verfügbaren Plätzen unabhängig vom tatsächlichen Vermittlungserfolg ihrer Teilnehmerinnen beziehungsweise Teilnehmern.
- Ergebnisorientierte Kennzahlen fehlen weitgehend: Abgerechnet wird meist pauschal pro besetztem Platz oder Monatsteilnahme statt anhand erfolgreicher Vermittlungen ins Erwerbsleben.
- Reine Erfolgsprämien existieren selten beziehungsweise sind gedeckelt; somit fehlt zusätzlicher Anreiz zur nachhaltigen Integration.
- Politischer Aktionismus begünstigt hohe Teilnehmerzahlen als leicht kommunizierbare Erfolge gegenüber Medienberichten mehrerer kleiner Betriebspraktika mit verzögertem Wirkungseintritt.
- Datenlücken erschweren umfassende Bewertungen zum Gesamtnutzen einzelner Instrumente insbesondere hinsichtlich fiskalischer Effekte zugunsten betrieblicher Praxisphasen.
Vor diesem Hintergrund fordert das IAB zwei zentrale Handlungsfelder:
Erstens sollten potenzielle Teilnehmende bereits vor Beginn erkennen können, ob eine Maßnahme realistische Chancen bietet oder eher wenig zielführend erscheint — Warnsignale wären vage Ziele wie „Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit“ ohne konkrete Berufsorientierung sowie hoher Präsenzanteil ohne praktische Phasen am Arbeitsplatz inklusive fehlendem Abschlussbericht bzw. Jobangebot danach.
Zweitens bedarf es politischer Reformschritte zur gezielten Umverteilung eines Viertels aller Aktivierungsmittel hin zu betrieblichen Praktika wegen deren belegter höherer Erfolgsquoten sowie verpflichtender Transparenzpflicht bezüglich langfristiger Vermittlungsquoten online veröffentlicht je Kursabschlussjahrgang.
Rechte bürgergeld-beziehender bezüglich maßnahmenablehnung
Bürgergeld-Beziehende haben gemäß § 45 Absatz 4 SGB III das Recht, eine Zuweisung abzulehnen, wenn Zielsetzung, Inhalt oder Nutzen einer Maßnahme nicht nachvollziehbar begründet werden können . Ein Widerspruch muss innerhalb eines Monats eingelegt werden; kostenlose Beratungshilfe steht dabei unterstützend zur Verfügung.
Wer einen Vermittlungsgutschein erhält, sollte aktiv Betriebe kontaktieren sowie darauf achten, dass Fahrtkosten und Arbeitskleidungskosten vom Jobcenter übernommen werden . Dieses Vorgehen stärkt Eigeninitiative außerhalb festgelegter Kurse.
Das Wissen um solche Rechte ist essenziell, damit Betroffene selbstbestimmt handeln können statt passiv Sanktionen befürchten zu müssen aufgrund mangelnder Alternativen seitens öffentlicher Stellen.
Forderung nach fairer förderpraxis basierend auf iab-studie
Die neue Bilanz des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bestätigt statistisch, was viele Bürgergeld-Beziehende täglich erfahren:
- Trägerkurse verursachen hohe Kosten, zeigen aber oft geringe Wirkung hinsichtlich dauerhafter Eingliederung ins Erwerbsleben,
- betriebliche Praxisphasen dagegen sind günstig, effektiv, bleiben jedoch unterfinanziert,
- fehlende Offenlegung relevanter Erfolgskennziffern verhindert fundierte Steuerungsmöglichkeiten,
- ohne Umverteilung bleibt „Fordern-und-Fördern“ vielfach reine Rhetorik.
Um dieses Ungleichgewicht aufzubrechen, fordert das IAB verbindliche Quoten zugunsten betrieblicher Aktivitäten, verpflichtenden Transparenzpflicht bezüglich langfristiger Beschäftigungsquoten, automatisches Ausstellen von Vermittlungsgutscheinen, falls kein passendes Angebot gefunden wird, und stärkere Kopplung von Honoraren an nachhaltige Erfolge.
Nur so kann gewährleistet sein, dass öffentliche Mittel tatsächlich dort wirken, wo sie gebraucht werden — nämlich direkt am Übergang zurück in reguläre Arbeit — statt ausschließlich Statistiken aufzublähen.
Diese Erkenntnisse bieten wichtige Impulse sowohl für politische Entscheidungsträger als auch Fachkräfte vor Ort, damit Förderung künftig effizienter und gerechter gestaltet wird zum Vorteil aller Beteiligten.